Strategien
29. November 2023

Bund stoppt Emissionen inflationsindexierter Wertpapiere

Völlig überraschend stellt die Bundesrepublik Deutschland nach 17 Jahren die Emission von inflationsindexierten Anleihen ein. Die Kritik an der Entscheidung ist groß.

Die Bundesrepublik wird ab dem kommenden Jahr keine weiteren inflationsindexierten Bundeswertpapiere, sogenannte Linker, neu emittieren oder bereits ausstehende Papiere aufstocken. Der Bund habe entschieden, sich aus dem Markt für inflationsindexierte Anleihen zurückzuziehen, heißt es in einer kurzen Mitteilung der für das Schuldenmanagement, die Kreditaufnahme und das Cash-Management des Bundes zuständigen Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur vom 22. November 2023.

Eine offizielle Begründung für die Entscheidung gibt es nicht. Die Finanzagentur des Bundes teilt lediglich mit, dass die aktuell ausstehenden inflationsindexierten Bundeswertpapiere weiterhin am Markt handelbar sein werden.

Portfoliomanager spricht von einer kurzsichtigen Entscheidung

Nach Einschätzung von Tobias Frei kommt diese Entscheidung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie sende falsche Signale und sei kurzsichtig, kommentiert der Senior-Portfoliomanager beim Asset Manager Bantleon. Seinen Angaben zufolge emittiert die Finanzagentur seit März 2022 wieder Linker mit einer Breakeven-Rendite – dem Maß der von den Investoren erwarteten Inflationsrate – oberhalb des EZB-Inflationsziels von zwei Prozent. Er sagt, die Finanzmärkte seien gemessen an den langfristigen Inflationswartungen in ein Umfeld zurückgekehrt, das mit der Zeit vor der Finanzkrise von 2008 vergleichbar sei.

In seiner Analyse über die Folgen der Entscheidung weist Frei darauf hin, dass eine Fortführung von Linker-Emissionen mittelfristig die laufzeitgewichtete Breakeven-Rendite der vier ausstehenden Emissionen, welche bei 1,57 Prozent liegt, wieder in Richtung des EZB-Inflationsziels verschieben würde. Mit der Einstellung der Neuemissionen friere der Bund den Einstandssatz unterhalb des EZB-Inflationsziels jedoch ein.

Wenn die EZB erfolgreich sei und das Inflationsziel bis zur Rückzahlung des letzten deutschen Linkers im Jahr 2046 treffe, würde dies den Bund ohne Einbeziehung von Zins und Zinseszins 2,7 Milliarden Euro kosten. „Verfehlt die EZB dagegen ihr Stabilitätsziel nach oben, wird es teurer“, sagt der Senior-Portfoliomanager und erläutert, dass eine Fortführung der Emissionen den durchschnittlichen Emissionssatz verbessern und einen kostengünstigeren Ausstieg ermöglichen würde.

„Der Rückzug aus dem Linker-Markt zum aktuellen Zeitpunkt lässt vermuten, dass die Politik langfristig eine höhere Inflation als der Markt erwartet und die Emissionstätigkeit deshalb beendet, um noch größeren Schaden abzuwenden“, so Frei. Die Bundesrepublik Deutschland könne sich durch den Wechsel einer Finanzierungform dem Kapitalmarktumfeld aber nicht entziehen. „Bundesfinanzminister Christian Lindner eliminiert mit seiner Entscheidung ein Benchmark-Finanzierungsinstrument, welches der Notenbank wichtige marktbasierte Signale aufzeigt.“

Fragen zur Verlässlichkeit des Emittenten

Auch Bernhard Matthes von der Bank für Kirche und Caritas kritisiert die Entscheidung des Bundes, ab 2024 keine inflationsindexierten Bundesanleihen mehr herauszugeben: „Noch vor wenigen Jahren sicherte der Bund den Ausbau und die Pflege des Segments inflationsindexierter Anleihen zu“, erinnert der Bereichsleiter BKC Asset Management. „Diese Zusage wurde nun überraschend zurückgenommen. Der Rückzug der Bundesrepublik aus einem international etablierten Rentensegment wirft Fragen zur Verlässlichkeit des Emittenten auf und sendet für viele Anleger ein fatales Signal.“

Die aktuelle Entscheidung setze sich dem Verdacht aus, sagt Matthes, „dass überhöhte Staatsausgaben künftig vorsätzlich durch Inflation teilfinanziert werden sollen. Solange inflationsindexierte Anleihen einen nennenswerten Anteil am Gesamtvolumen der Staatsschulden haben, geht davon eine disziplinierende Wirkung aus: Staaten werden zu ordnungsgemäßer Haushaltsführung ermutigt.“

Ein Selbstverteidigungsinstrument gehe verloren

Anleger wie Stiftungen oder gemeinnützige Einrichtungen werden nach Einschätzung von Bernhard Matthes „künftig eines wirksamen Instruments beraubt, das den realen Kapitalerhalt gewährleisten kann“. Er sagt, ein zentrales Selbstverteidigungsinstrument gegen die Inflationspolitik gehe verloren. „Damit entstehen direkte Schäden bei mildtätigen und gemeinnützigen Einrichtungen, deren Verbindlichkeiten stark inflationsreagibel sind und die sich auf der Anlageseite künftig schlechter vor der Geldentwertung schützen können.“

Bereits investierte Inhaber von Realzinsanleihen profitierten nach Angaben der BKC: Am Tag der Ankündigung der Finanzagentur hätten sich die ausstehenden Bundesanleihen deutlich verteuert. „Sie werden künftig mit einer Knappheitsprämie versehen sein“, vermutet Matthes. „Für neue Anleger hingegen verteuert sich der Zugang zu hochwertigem Inflationsschutz.“ 

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