Schwarzer Schwan
20. September 2019

Bye-bye EM.TV

Mit EM.TV stirbt ein Stück Aktienkultur

EM.TV, eine Ikone der deutschen Aktienkultur sowie eine der am spektakulärsten gestarteten und explodierten Kursraketen auf dem damaligen Neuen Markt, droht endgültig vom Börsenparkett zu verschwinden. Constantin Medien, wie das Unternehmen nach zwei Umbenennungen und zahlreichen Strategiewechseln heute heißt, beantragte nämlich im August bei der Frankfurter Börse den Widerruf der Zulassung zum geregelten Aktienmarkt.

Da kommt Wehmut auf. Hat doch das Medienunternehmen der Gebrüder Haffa mehr für die deutsche Aktienkultur getan als das Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts und mehr als alle vernünftigen Appelle, für die Altersvorsorge mehr in Aktien zu investieren. Es ist das Vermächtnis des Neuen Markts und von dessen wohl bekanntestem Indexmitglied EM.TV, dass für den deutschen Michel heute noch Anteilsscheine an Unternehmen praktisch identisch mit Kasino-Chips sind.

Dem Börsengang im Oktober 1997 zum Ausgabekurs von 0,38 Euro folgte eine Erfolgsmeldung und ein Rekordhoch nach dem anderen. Im März 2000 notierten die EM.TV-Aktien bei 110 Euro. Vom Tief zum Hoch konnte man mit der Aktie laut Chronisten 16.600 Prozent Plus machen. EM.TV war mehr wert als mancher Dax-Wert. Nach Ansicht von Thomas Haffa gehörte EM.TV auch selbst in den Dax.

Die Börsen-Karriere von EM.TV hatte aber auch alles, was man heute noch mit dem Neuen Markt verbindet: Milliardenschwere, aber erfolglose Übernahmen wurden getätigt. Im Fall von EM.TV waren es Rechte an der Muppet-Show und an der Formel 1. Gründer Thomas Haffa verkaufte trotz Lock-up Aktien im Wert von 40 Millionen DM. Für das Jahr 2000 wurde laut Aufzeichnungen des Manager-Magazins erst ein Vorsteuergewinn von 600 Millionen DM angepeilt, am Ende war ein Verlust von 2,8 Milliarden DM zu verbuchen. Die Gebrüder Haffa, beide im Vorstand, traten zurück und mussten sich später vor Gericht verantworten.

Negativer Umsatz

Aber nicht nur EM.TV, sondern auch das Neuer-Markt-Segment und die New Economy insgesamt sorgten bei Anlegern für lehrreiche Erfahrungen. Dem Unternehmen Abit gelang das Kunststück, einen negativen Quartalsumsatz auszuweisen. Den Anlegern wurde verkauft, dass es bei einem Unternehmen umso besser läuft, je höher die Cash-Burn-Rate ist. Gewinne und KGVs waren dagegen zu vernachlässigen. Und Anleger gab es viele.

Noch hat die Deutsche Börse dem Delisting nicht zugestimmt, in Kürze dürfte aber der Aktienmarkt-Vorhang für Constantin Medien fallen. Wer noch einmal den Hauch des Neuen Marktes verspüren will, sollte jetzt noch einmal einen Blick auf die Bewertung der Constantin Medien AG, also der ehemaligen EM.TV werfen: eine Dividendenrendite von null, das KGV bei 230 und ein Abstand zum Allzeithoch von 99,6 Prozent. Aber: Bei dem heutigen Kurs von 2,30 Euro haben Aktionäre der ersten Stunde ihren Einsatz versechsfacht!

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