Investoren
10. Dezember 2025

Calpers schreibt Geschichte

Das legendäre California Public Employees‘ Retirement System steht in der Kapitalanlage vor einem Neustart. Das SAA-Konzept soll dem Total Portfolio Approach weichen. Das soll Investments beschleunigen sowie Renditen und Deckungsgrad steigern.

Kalifornien hat viele Gesichter. Der „Golden State“ ist berühmt für seine Vielfalt, seine pulsierenden Metropolen und seine beeindruckenden Nationalparks. Zugleich verkörpert der bevölkerungsreichste Bundesstaat mit über 39 Millionen Einwohnern den Reichtum der ganzen USA. Er ist ein Symbol für Freiheit und Innovation.

Man denke nur an das Silicon Valley. Santa Clara, im Herzen des Technologiezentrums, ist Sitz von Nvidia, Börsenstar und derzeit wichtigster Hersteller von Grafikprozessoren. Die San Francisco Bay Area (einschließlich Silicon Valley) ist das dominierende Zentrum für US-amerikanisches Risikokapital, dicht gefolgt von New York City. Los Angeles ist ein weiteres Zentrum für Venture Capital.

Aufbruchstimmung in Sacramento

Zugleich steht der 31. US-Bundesstaat für gigantische Kapitalanlagen. Ein Grund dafür ist die herausragende Stellung der kapitalgedeckten Altersversorgung in den USA. Deutlich wird das am kalifornischen Rentensystem für öffentliche Angestellte, dem California Public Employees‘ Retirement System, kurz: Calpers. Sein Investment Office verwaltet Vermögenswerte in Höhe von rund 596 Milliarden US-Dollar (Stand: 2. Dezember 2025) im Auftrag von mehr als zwei Millionen Mitgliedern – dazu gehören Staatsbedienstete ebenso wie Angestellte im Schulwesen und Beschäftigte in öffentlichen Einrichtungen.

Calpers ist die größte öffentliche Rentenversicherung mit Leistungszusage in den USA. Nicht nur auf den Straßen von San Francisco, sondern nun auch in der Zentrale von Calpers in der Landeshauptstadt Sacramento ist ein Hauch von Freiheit und Innovation zu spüren. Denn das für Millionen Menschen und ihre Angehörigen so wichtige Rentensystem wird sein Anlageportfolio in Zukunft völlig neu konstruieren: Die Kalifornier setzen auf den innovativen Gesamtportfolioansatz (Total Portfolio Approach, TPA) und verabschieden sich vom klassischen Steuerungsmechanismus der Strategischen Asset-Allokation, der SAA. Diese Entscheidung hat der 13-köpfige Verwaltungsrat im November getroffen.

Ab dem 1. Juli nächsten Jahres soll der Total Portfolio Approach das SAA-Modell ersetzen. Hier von einer Revolution zu sprechen, wäre nicht übertrieben, weil sich die Entscheidung auf die gesamte Organisation einschließlich Governance und Risikomanagement auswirken wird. Daher wird der Umbau einiges an Zeit erfordern.

Denn anders als beim SAA-Ansatz trifft das Investmentteam unter der Leitung eines Chief Investment Officers (CIO) beim TPA-Konzept dynamische, tagesaktuelle Allokationsentscheidungen, während der Verwaltungsrat beziehungsweise der Anlageausschuss, der bislang die Entscheidungen gefällt hat, zurücksteckt und seine Rolle auf die Festlegung übergeordneter Ziele und die Überwachung des Gesamtportfoliorisikos und der Ergebnisse verlagert.

Wenn ein Total-Portfolio-Approach-Ansatz umgesetzt werden soll, erfordert das also einen grundlegenden Wandel in der Denkweise: weg von der traditionellen, periodischen Vermögensallokation hin zu einem stärker integrierten und kollaborativen Prozess, der das gesamte Portfolio im Blick hat.

Vorbei sind damit auch die Zeiten, in denen mehrere Anlageteams um Kapital konkurrierten. Künftig muss die Devise lauten: Es gibt nur ein Team. Und das arbeitet zusammen. Und statt einzelne Anlageklassen zu adressieren, rücken mit dem TPA nun die Risikofaktoren der Assets ins Zentrum der Entscheidungen.

Zugleich werden sich die Anlageprozesse mit dem Sinneswandel erheblich beschleunigen. Bisher war es so, dass der Verwaltungsrat von Calpers alle vier Jahre die Ziele für die Vermögensallokation festgelegt hat. Zusätzlich zog das Gremium eine Zwischenbilanz, um zu prüfen, ob die Ziele angepasst werden müssen.

Die Abkehr vom Konzept der Strategischen Asset-Allokation gibt den Anlageentscheidern nun mehr Flexibilität und Freiheit, wenn es darum geht, Marktchancen zu nutzen. Die Allokatoren erhalten die Befugnis, ihre Anlageentscheidungen und -strategien schnell anzupassen, um sich erfolgreich an einen sich im Wandel befindlichen Markt anzupassen.

TPA bringt mehr Rendite

Die Entscheidung für den Strategieschwenk erfolgte im Rahmen des laufenden ALM-Zyklus. Bei diesem strategischen Planungsprozess geht es darum, die erwarteten Kosten künftiger Rentenzahlungen mit den erwarteten Anlageerträgen in Einklang zu bringen. Dass der Verwaltungsrat auf den Total Portfolio Approach setzt, dürfte vor allem Renditegründe haben. Eine im März 2025 durchgeführte Umfrage unter 26 Großanlegern, die den TPA einsetzen, ergab, dass deren Portfolien das SAA-Modell über einen Zeitraum von zehn Jahren um 1,3 Prozent p.a. übertreffen.

Calpers ist ein Investor von Weltrang und verfügt über enorme Kapitalanlagen. Allerdings reichen selbst diese nicht aus, die in der Zukunft liegenden Verpflichtungen gegenüber den Versicherten zu bedecken. Zwischen Assets und Liabilities klaffte nach der Finanzkrise von 2008 über Jahre hinweg eine sehr große Lücke.

Zwar konnten die Kalifornier den sogenannten Deckungsgrad von damals um die 65 Prozent durch stetige Anlageerfolge vergrößern und diesen bis zum Ende des Geschäftsjahres 2024/25 am 30. Juni auf 79 Prozent steigern. Doch bis zur Ausfinanzierung ist es noch ein weiter Weg. Kleiner Trost: Die Verpflichtungen der öffentlichen Rentensysteme der USA sind im Durchschnitt auch nur zu etwa 75 bis 80 Prozent mit Kapitalanlagen unterlegt.

Vor diesem Hintergrund muss man auch die Worte von David Miller, dem Chef des Anlageausschusses von Calpers, einordnen. Er sagt, der Verwaltungsrat habe Geschichte geschrieben, indem er den Gesamtportfolioansatz eingeführt hat, „nachdem er von dessen Potenzial für höhere Renditen für unsere Mitglieder erfahren hatte“. Man sei damit der erste Pensionsfonds in den Vereinigten Staaten, der diesen Schritt gehe, so Miller, dem es ein Anliegen ist, den Deckungsgrad weiter zu verbessern und die Beiträge, die dem California Public Employees‘ Retirement System von den angeschlossenen Arbeitgebern und Steuerzahlern zufließen, zu reduzieren.

Miller ist überzeugt davon, dass der TPA den Investmentprofis im Haus den entscheidenden Vorteil verschafft, den sie für fundierte Anlageentscheidungen benötigen. Auch CEO Marcie Frost lobt den Verwaltungsrat für „diesen mutigen Schritt“. Sie begründet das so: Der Total Portfolio Approach fördere „eine engere Zusammenarbeit im Investmentteam, sodass dessen kollektive Expertise genutzt wird, um Investitionen anhand ihres Potenzials, dem gesamten Portfolio zu nutzen, zu beurteilen“.

Richtungsweisende Entscheidung auch für andere

Die Entscheidung, den Total Portfolio Approach in der Praxis anzuwenden, ist richtungsweisend für andere Großanleger und insbesondere für jene Vorreiter, die seit Jahren mit der Denkweise des TPA experimentieren. Schon vor einigen Jahren haben fortschrittliche und wissbegierige Asset Owner in Australien, Neuseeland und auch Kanada damit begonnen, den SAA-Ansatz in Frage zu stellen. Sie begründen das mit dessen Schwächen.

Dazu gehören nach Einschätzung der Analystenorganisation Caia unerkannte Doppelarbeit oder problematische Risikoexpositionen im gesamten Portfolio. Besonders schwer wiegt jedoch der Kritikpunkt, den Kapital-Pool nicht ganzheitlich und zukunftsorientiert zu verwalten. Calpers gehört laut dem Thinking Ahead Institute, einem gemeinnützigen und globalen Forschungs- und Innovationsnetzwerk, zu einer Gruppe von Investoren, die sich seit Jahren mit dem TPA auseinandersetzen. Nun also gehen sie in Kalifornien den historischen Schritt.

Mehr Durchblick auch bei der Benchmark

In Zukunft werden Anlageentscheidungen in Sacramento schneller fallen. Zugleich wird die Erfolgsmessung vereinfacht. Denn der Verwaltungsrat stellt auch die Benchmark neu auf und vereinfacht diese rigoros. Konkret hat sich das Expertengremium für ein einheitliches Benchmark-Portfolio mit einer Zusammensetzung von 75 Prozent Aktien und 25 Prozent Anleihen als Bezugspunkt entschieden. Bislang herrschte an dieser Stelle ein ziemliches Durcheinander, verwendete Calpers doch für jede Anlageklasse eine andere Benchmark. Insgesamt waren es elf. Apropos: Die bedeutsamste Anlageklasse im Geschäftsjahr 2023/24 war Global Equity mit einem Anteil von 41,9 Prozent, gefolgt von Fixed Income mit 29,6 Prozent. Private Equity steht für 15,6 Prozent der Calpers-Investments, während auf „Real Assets“ 13,2 Prozent und auf Private Debt 2,8 Prozent entfallen.

In der Statistik der US Pension Funds liegt Calpers hinter dem Federal Retirement Thrift auf Rang zwei. Dessen Thrift Savings Plan (TSP) soll den Ruhestand von Bundesangestellten und Angehörigen der uniformierten Streitkräfte finanziell absichern. Im September hatte der TSP die Asset-Marke von einer Billion Dollar überschritten. Auch das ist etwas für die Geschichtsbücher.

Übrigens: Wie der Total Portfolio Approach alltagstauglich wird, haben wir hier für Sie zusammengefasst.

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