Corporates
27. März 2012

Corporate Treasurer sind auf der Hut – Teil II

Starke Unternehmen, schwache Banken?

„Die Pleite von Lehman Brothers hat gezeigt, dass auch Groß­banken nicht gegen einen finanziellen Zusammenbruch immun sind“, sagt Dr. Günter Blaschke, Vorstandsvorsitzender der börsen­notierten Rational AG. Der mittelständisch geprägte Konzern gilt als weltweiter Markt- und Technologieführer für die thermische Speisenzubereitung in Groß- und Gewerbeküchen sowie der Haute Cuisine. Er hat einen Weltmarktanteil von 54 Prozent. Das hochprofitable ­Unternehmen mit Zentrale in Landsberg am Lech setzt mit ­sogenannten Kombidämpfern, Branchenkenner sprechen auch von ­Konvektomaten, derzeit etwa 350 Millionen Euro pro Jahr um. 

Dem Risiko einer Hausbankinsolvenz begegnet die Gesellschaft aus Oberbayern mit einem pragmatischen Ansatz: Statt auf das ­mathematische Verfahren eines anonymen Analysetools setzt ­Firmenchef Blaschke lieber auf den gesunden Menschenverstand. Sein Credo lautet: „Sicherheit vor Rendite“, wie der Vorstands­vorsitzende gegenüber portfolio institutionell betont. 

Die „Stabilität unserer Hausbanken ist ein wichtiges Thema für uns“, sagt Blaschke und ergänzt: „Wir betrachten die Banken nicht nur in Bezug auf deren Refinanzierungssituation, sondern vor allem auch ganzheitlich in der täglichen Zusammenarbeit.“ Im Zwischenbericht zum 30. September 2011 weist Rational eine Liquidität von rund 79 Millionen Euro aus. Hinzu kommen Geldanlagen von 26,9 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei hohen 71,1 Prozent und macht Rational zu einem Unternehmen, nach dem sich die Banken die ­Finger lecken dürften. Aber nicht jede Bank kommt für Rational ­infrage. „Den Wert einer Bank als Geschäftspartner beurteilen wir nicht nur nach Bonitätskriterien“, unterstreicht Blaschke. „Wir ­betrachten auch die Beständigkeit des Geschäftsmodells der Bank, das jeweilige Engagement der Bank uns gegenüber und den Erfolg bei der täglichen Zusammenarbeit.“ In den vergangenen Jahren hat die ­Rational AG die Zahl ihrer Hausbanken ausgeweitet, um etwa bei der Geldanlage ­ausreichend diversifizieren zu können. 

Die anhaltenden Sorgen in der Finanzindustrie verändern die ­Beziehung zwischen Firmen und Banken. Das belegen zahlreiche Studien. Laut einer aktuellen Umfrage der Rating-Agentur Fitch ­haben 85 Prozent der Unternehmen in den Industrieländern zuletzt den ­Anteil der über den Kapitalmarkt aufgenommenen Schulden an ihren gesamten Verbindlichkeiten erhöht. Dadurch sinkt der Anteil der Bankverbindlichkeiten. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen gaben weiter an, im Jahr 2011 die Beziehung zu ihrer Hausbank ­verändert zu haben. Sie setzten zum Beispiel höhere Rating-­Anforderungen durch und diversifizierten ihre Bankverbindungen. Für den Bankkredit bleibt allerdings auch in Zukunft Platz in der ­Finanzierungsstruktur, lautet ein Zwischenfazit der Studienautoren. Denn etwa vier Fünftel der Befragten gaben an, dass die Flexibilität ­einer Kreditfazilität dafür spreche, sie auch weiterhin in den ­Schuldenmix einzubeziehen.

_Kontrahentenrisiken im Blick

Treasurer streben derzeit nicht nur eine Diversifizierung der Geldanlage, sondern auch der Fremdmittelquellen an und stellen einen Kernbankenkreis zusammen, der nicht selten 20 und mehr Institute umfasst. Gerade in der exportorientierten deutschen Industrie besteht regelmäßig Bedarf an Bankdienstleistungen, wie Zahlungsverkehr, ­Exportfinanzierung oder Sicherungsgeschäfte, etwa um künftige ­Deviseneinnahmen gegen Währungsschwankungen oder bestimmte Rohstoffpreise langfristig zu hedgen. Typischerweise legen große ­Unternehmen für Cash- und Derivatepositionen bestimmte Limits fest und verfolgen mit maßgeschneiderten finanzwirtschaftlichen ­Indikatoren die operative Entwicklung ihrer Geldhäuser. Die Banken sind sich bewusst, dass die Kunden heute kritischer sind. Das zeigt sich schon daran, dass sie Roadshows und Rating-Präsentationen ­veranstalten, um sich den anspruchsvollen Fragen der Marktteil­nehmer zu stellen.

Interessanterweise hat die Finanzkrise die Parameter der ­Zusammenarbeit von Banken und ihren Firmenkunden temporär ­gewissermaßen auf den Kopf gestellt, wie aus einer 2011 erschienenen Studie von Roland Berger hervorgeht, die unter der Federführung von ­Dr. Udo Bröskamp erstellt wurde. Wie die Unternehmensberatung in der Untersuchung „Bankgeschäft mit Firmenkunden“ schreibt, ­hätten viele Unternehmen in der Wirtschafts- und Finanzkrise die Geld­häuser von ihrer schwachen Seite kennengelernt. Die Berater von ­Roland Berger haben beobachtet, dass sich die Gruppe der Corporates seither um die Verlässlichkeit ihrer Bankenfinanzierung bangt. Die kapitalmarktorientierten Unternehmen müssten heute sogar Rechenschaft darüber ablegen, dass sie ihr Geld nur Häusern mit bester ­Bonität ­anvertrauen. Roland Berger empfiehlt den Kreditinstituten ­daher, ihre Prozesse effizienter und transparenter zu gestalten – vom Kundenkontakt bis hin zur Abwicklung. Zudem müssten sie den verunsicherten Kunden eine glaubwürdige Risikomessung vorweisen.

Gerade weil die Kunden im Einlagen- und Derivategeschäft stärker auf das Risikoprofil der Banken achten, ist das Emittenten-Rating längst ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für die Geldhäuser – und Bestandteil des eigenen Finanzmarketings. Darüber hinaus kann ein Rating zur Verbesserung des Unternehmensimages beitragen, wie von Seiten der Consultants zu hören ist. Diese Erkenntnis wird nicht zuletzt durch die Bereitschaft der Emittenten dokumentiert, die mit der Erstellung des Ratings verbundenen Kosten auch dann zu tragen, wenn als Ergebnis keine erstklassige Note zu erwarten ist. ­Dementsprechend gehört es zu den strategischen Geschäftszielen der Institute, die Kapitalanforderungen der Rating-Analysten zu erfüllen und ein möglichst gutes Kredit-Rating zu erzielen. Die Bonitäts­wächter hinterfragen vor ihrer standardisierten Beurteilung dabei ­typischerweise die Effizienz der Risikoprinzipien, auch bekannt als Risk Governance, im Rahmen der Risikomanagementkultur der ­Geldhäuser und untersuchen, wie die wichtigsten Risiken intern ­überwacht werden.

Auf Unternehmensseite greift man derweil auf die Einstufungen der auf Bonitätsanalysen spezialisierten Unternehmen zurück, um sich ein Bild der Solvenz der Gegenpartei zu machen. Die Bewertung der Kapitalausstattung bildet üblicherweise einen wesentlichen ­Bestandteil im Rating-Prozess. Unter den drei großen Rating-­Anbietern Moody’s, Standard & Poor’s (S&P) und Fitch genießt S&P bei den deutschen Konzernen übrigens den Ruf, gegenüber Finanz­unternehmen und Staaten besonders streng zu sein.
Den dritten und letzten Teil („Wer viel Liquidität hat, kann auch viel verlieren!“)finden Sie hier.

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