Asset Management
23. Mai 2023

Das Comeback des Direktbestands

Mit der Rückkehr der Zinsen feiert auch der Direktbestand eine Renaissance. Während Versorgungswerke ihre Bestände teils von Tiefständen wieder hochfahren, lassen andere Asset Owner ihre Direktanlagen zunehmend von externen Managern verwalten. Ein Grund ist die anspruchsvollere Kreditanalyse.

Es gab Zeiten, da konnten Versorgungswerke ihre Strategie ganz überwiegend auf der Direktanlage in konservativen Zinsanlagen wie Bundesanleihen und Pfandbriefen aufbauen und mit den sicheren Kupons den Rechnungszins erreichen. Das änderte sich spätestens, als die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Folgen der globalen Finanzkrise 2008 und der Euro-Staatsschuldenkrise die Geld- und Kapitalmarktzinsen immer tiefer drückte und zugleich über ihre Kaufprogramme Staats- und Unternehmensanleihen vom freien Markt absaugte. Pensionskassen und Versorgungswerken fiel es in der Folge zunehmend schwer, ihre Ertragsziele mit Anleihen guter Qualität zu erreichen.

So drängte die Geldpolitik Investoren mit vorgegebenen Renditezielen in Anleihen mit längerer Duration und auch zunehmend in risikobehaftete Segmente des Fixed-Income-Spektrums mit höheren Bonitäts-, Liquiditäts- und Komplexitätsprämien. Der für hochwertige Papiere prädestinierte Direktbestand schmolz dagegen relativ zu Anlagen wie Real Assets ab, nicht selten bis in den niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Doch der Rückgang war je nach Versorgungswerk mehr oder weniger stark ausgeprägt. Besonders niedrig ist der Direktbestand in der Regel bei Altersvorsorgeeinrichtungen, die noch auf lange Zeit wachsen werden. „Jüngere Versorgungswerke können mehr ins Risiko gehen und haben dies dann auch während der Niedrigzinsphase getan“, sagt Tobias Bockholt, Leiter des deutschen Investment Consulting bei WTW.

Doch mit dem Zinsanstieg im vergangenen Jahr hat sich die Situation gedreht. Dass der Direktbestand mit höheren Kupons auch unter Ertragsaspekten wieder attraktiv ist, bringt nach den Jahren der Null- und Negativzinsen eine deutliche Erleichterung: „Mit der Zinswende lassen sich auch mit Direktanlagen wieder die Garantiezinsen erreichen“, sagt Stefan Hentschel, Vorstand für Kapitalanlagen bei der Pensionskasse Degussa. Ähnlich sieht das Milosz von Babo, Fixed Income Specialist bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung: „Wir sind grundsätzlich in jeder Marktphase aktiv, die steigenden Zinsen helfen uns aber, die niedrigen Kupons aus den Vorjahren zu kompensieren.“

Grundpfeiler der Kapitalanlage

Die starke historische Präferenz für die Direktanlage hat mehrere Gründe, etwa die HGB-Bilanzierung nach Buchwert statt nach Marktwerten, die das Abschreibungsrisiko infolge von zinsbedingten Kursverlusten ausschließt. Auch die deutlich höhere Flexibilität schätzen die Asset Owner: Etwa die Möglichkeit, bestimmte Papiere auszuschließen auf Grund von Bonitäts- oder auch Nachhaltigkeitserwägungen. WTW-Experte Tobias Bockholt verweist auf die Rolle des Direktbestands als solides und konservatives Basisinvestment auch im Hinblick auf das Cashflow-Matching entlang der Verpflichtungsstruktur. Matthias Wenzel, Leiter Fixed Income Solutions beim Vermögensverwalter Meag, nennt einen weiteren Vorteil: „Der Direktanlagebestand und die dort entstandenen stillen Reserven können als Risikopuffer dienen.“ Zahlreiche regulierte Investoren hielten auch bei Kupons von deutlich unter 0,5 Prozent weiter am Direktbestand fest. „Der Direktbestand ist und bleibt ein Grundpfeiler unserer Kapitalanlage“, erklärt Milosz von Babo von der Nordrheinischen Ärzteversorgung.

Grundsätzlich punktet der Direktbestand als kostengünstiges Instrument. Allerdings stiegen in den vergangenen Jahren mit der Komplexität der Anlagen auch die Anforderungen: Bereits die globale Finanzkrise hatte aufgezeigt, wie wichtig etwa die Deckungsstöcke im Covered-Bond-Bereich sein können. Gerade im Zuge sinkender Zinsen bauten viele Versorgungswerke ihre Allokation in Unternehmensanleihen auch im unteren Investment-Grade-Bereich und in nachrangigen Papieren aus. Das erfordert aber je nach Setup eine konsequente Kreditanalyse und ein fortlaufendes Monitoring und bindet damit oft mehr Ressourcen als etwa ein typisches Portfolio an Bundes- oder Kommunalanleihen.

Einige Versorgungskassen operieren dabei mit einem eigenen Kredit-Research und internen Ratings, die vom Regulierer akzeptiert werden, andere greifen auf externe Rating-Anbieter zurück. So etwa die Pensionskasse Degussa: „Wir bewegen uns im Direktbestand immer weit im konservativen Bereich mit einem externen Rating der großen Agenturen und überlassen größere Komplexitäten Spezialfondsmanagern in unserem Masterfonds“, so Investment-Leiter Hentschel.

Mehr Ausschreibungen für externes Management

Wie die Pensionskasse Degussa und die Nordrheinische Ärzteversorgung managt wohl die Mehrheit der Pensionskassen den Direktbestand komplett selbst. Doch der Markt ist in Bewegung. Asset Manager berichten von einer deutlichen Zunahme an Ausschreibungen für externe Manager. „Dieser Trend ist ganz klar festzustellen“, sagt auch WTW-Investment-Consulting-Leiter Bockholt. Die Ressourcen für eine fundierte Kreditanalyse und Ausführung hat seiner Meinung nach schlicht nicht jedes Versorgungswerk. Vor allem aus Kosten-Nutzen-Überlegungen lohne sich das oft. „Wenn es tatsächlich einmal zu einem Ausfall kommt, dann ist das richtig schmerzhaft“, gibt er zu bedenken. „Ein externer Manager generiert hier mit wenig Aufwand einen großen Mehrwert und ist unserer Erfahrung nach sein Geld wert.“

Vor allem klassische Anbieter aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich, deutsche Privatbanken oder auch Asset Manager aus dem Versicherungsumfeld sind in diesem Segment aktiv. Laut Erfahrung von Meag-Experte Matthias Wenzel erfordert das Management des Direktbestands ein besonders enges Austauschverhältnis: „Wichtig ist, dass wir das Risikoprofil und die Präferenzen der Versorgungswerke bezüglich Produkte, Laufzeiten oder Zinsanforderungen gut verstehen.“ Wie sinnvoll das ist, hängt aber stark von der Anlagephilosophie und der Expertise der jeweiligen Pensionskasse ab.

„Bei unserem stark sicherheitsorientierten Verständnis des Direktbestandes glauben wir nicht, dass ein externer Asset Manager Mehrwert bringen würde“, so Hentschel von der Pensionskasse Degussa, wo der Direktbestand derzeit mit rund 2,2 Milliarden Euro etwa 25 Prozent der Gesamtanlagen ausmacht. Dabei meiden die Pensionsmanager Nachranganleihen oder Papiere unter BBB grundsätzlich.

Asset Manager bieten Zugang zu knappen Emissionen

Beim Marktzugang können spezialisierte externe Asset Manager potenziell Vorteile bringen. Das zeigte sich gerade in den Jahren vor 2022, als auch die EZB als Großkäufer auftrat. „In manchen Zeiten war schlicht kein Material am Markt verfügbar“, so Tobias Bockholt. Das habe sich zuletzt etwas geändert. Zum einen steigen die Emissionsvolumina, zum anderen führt die EZB im Rahmen des Quantitative Tightening ihre Bilanz um rund 15 Milliarden Euro pro Monat zurück – das Kapital wandert meist über neue Anleihen an den freien Markt. Die Situation habe sich zwar gebessert, sagt Hentschel, „aber die Liquidität ist nicht so gut, dass man einfach irgendwo anrufen und mal eben 20 Millionen Euro in jeder beliebigen Anleihe handeln kann“. Vor allem haben die Banken nach der Lehman-Krise ihre Handelsbücher und damit ihre Market-Maker-Funktion deutlich zurückgeführt. Die Emissionen sind zudem oft deutlich überzeichnet, da auch die Zinskonditionen attraktiv sind. Meag-Mann Wenzel: „Es ist ein Vorteil, den Anlagebedarf zu bündeln und dann zielgerichtet auf internationale Emittenten zugehen zu können.“

Trend zu Buy-and-Maintain

Auch wenn im Zuge des Buy-and-Maintain Direktanlage umfassender betrachtet wird und intensives Monitoring und fortlaufende Krediteinschätzung wichtiger werden, ist der Direktbestand nach wie vor auf Endfälligkeit ausgerichtet. So erklärt etwa Milosz von Babo von der Nordrheinischen Ärzteversorgung: „Wir bleiben grundsätzlich bei einem Buy-and-Hold Ansatz, sind aber attraktiven Umstrukturierungen und Verkäufen offen gegenüber.“

Versorgungskassen nutzen die gestiegenen Zinsen ganz überwiegend zum Ausbau ihres Direktbestands und loggen so die höheren Kupons ein. Getrieben wird das auch von den eingetrübten Aussichten etwa am Immobilienmarkt. Die Zusammenarbeit mit externen Managern wird dabei offenbar zunehmend attraktiv. Das hängt aber auch von den Volumina und der Anlagestrategie im Direktbestand ab. Die höheren Zinsen jedenfalls sind für alle Manager eine Entlastung: So sagt WTW-Consultant Bockholt: „Es ist schön, dass der Direktbestand nicht mehr wie eine Bleiente im Portfolio liegt, sondern auch wieder zum Ertrag beiträgt.“ Dass Versorgungswerke die Gunst der Stunde nutzen, könnte einen guten Grund haben. Denn ob die Rückkehr der Zinsen dauerhaft ist, muss sich erst noch zeigen.

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