Strategien
11. Februar 2021

Das Ende der Fahnenstange

Asset Manager haben ein Interesse an der Persistenz von aktivem­ Management. Doch wie bewerten Investoren dessen Nutzen mit den Erfahrungen des Jahres 2020? Dr. Wolfram Gerdes von der KZVK und Dieter Schorr von der ZF Friedrichshafen diskutierten­ diese Frage auf der 24. Jahrestagung Portfoliomanagement eingehend.­

Es ist die Frage der vergangenen Jahre, die von Moderator Florian Hertlein von Alpha Portfolio Advisors auf der 24. Jahrestagung Portfoliomanagement neu diskutiert wurde: aktives versus passives Management. Und auch wenn – gestützt durch zahlreiche Datenanalysen – schon oft der Tod des aktiven Managements prognostiziert wurde, hält sich aktives Management beharrlich. Etwa bei ZF Friedrichshafen. Das Unternehmen, bei der Konferenz vertreten durch Dieter Schorr, vergibt ausschließlich aktive Mandate. Zur Begründung teilte der pandemiebedingt aus dem Homeoffice zugeschaltete Schorr mit dem Publikum eine Tabelle. Diese zeigt in welchen Asset-Klassen die größte Dispersion der Returns vorliegt und wo – so folgert Schorr – das größte Potenzial für aktives Management besteht. Dieses Potenzial habe man zwar nicht in allen Asset-Klassen und über einen längeren Zeitraum permanent heben können, räumt Schorr ein. „Aber wir konnten immerhin ein Alpha von 0,30 Prozent über alle Asset-Klassen seit 2008 annualisiert erwirtschaften.“ Und dies nach allen Kosten und auch trotz einiger Tiefschläge, die Schorr im Zeitraum 2010 bis 2012 verortet. „30 Basispunkte hören sich erstmal niedrig an. Sie sind aber heute in der Niedrigzinsphase deutlich mehr Wert als vor zehn Jahren. Schließlich ist es sehr schwer, höhere Kupon-Renditen stabil zu vereinnahmen.“ Man sei zwar nicht in allen Belangen zufrieden, könne aber darlegen, dass sich aktives Management insgesamt gelohnt hat.

Schorrs Gesprächspartner, Dr. Wolfram Gerdes von den ­Kirchlichen Versorgungskassen KZVK und VKPB, gab seinerseits Einblick in welchen Asset-Klassen der Erfahrung nach wenig Outperformance zu erwarten sei. Überraschend: Renten in Schwellenländern. Denn Gerdes bezweifelt hier den Skill vieler Manager, politische Risiken zu managen. Denn bei der Bewertung, ob Schulden zurückgezahlt würden und ob der Wille zur Schuldenrückzahlung bestünde, handele es sich um hochgradig politische Fragen, die etwa abhängig von Wahlausgängen seien. Managern sei es hier kaum gelungen, ein strukturelles Alpha zu liefern. Auch bei Renten mittlerer und guter Qualität seien die Outperformance-Chancen geringer. Der Grund hier ist, dass Ertragschancen und Kosten von aktivem ­Management kaum mehr in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. „Die Niedrigzinsphase schwächt natürlich Rentenmandate. Wenn die laufenden Erträge und zusehends auch der Total Return von klassischen Rentenmandaten mittlerer bis guter Qualität mittlerweile nahe null sind, ist es wahnsinnig schwierig, noch eine Kostenbasis zu erwirtschaften beziehungsweise einen Mehrwert zu leisten, der diese Kosten auch rechtfertigt. Ich sehe viele ­aktive Rentenmandate ans Ende der Fahnenstange gelangen.“

Überhaupt zeigt sich Gerdes kritischer als Schorr gegenüber ­aktivem Management. Insgesamt sei der Case für aktives Management zwar intakt. Schon in seinem kurzen Eingangsvortrag mahnt er jedoch an, dass insgesamt niedrige Kapitalerträge eine ­Kostensenkung erforderlich machen. Auch stellt er fest, dass ­Manager ­oftmals den Nachweis hinsichtlich der Outperformance schuldig geblieben sind. „Es ist nichts Neues, dass das Versprechen eines ­Erfolges das eine ist und das Liefern das andere. Hier gilt es in ganz besonderer Weise zu unterscheiden zwischen Folklore, ­warum ­etwas leistbar sein soll, gegenüber dem wirklichen Liefern der ­Resultate. Warum aktives Management unter Druck gerät ist klar: Weil einfach viele aktive Manager das Versprechen nicht ein­lösen können.“ Umso wichtiger ist in seinen Augen, dass aktive Manager in anderer Hinsicht punkten, beispielsweise bei der ­Entscheidungstransparenz oder bei der Senkung vermeidbarer Drittkosten. ­Unterm Strich werden aktuell 6,7 der 8,2 Milliarden Euro, welche aktuell fremdverwaltet werden, aktiv gemanagt. ­Insgesamt verfügen die KZVK und die VKPB zusammen über 14 Milliarden Euro Kapitalanlagen.

Vielen Investoren ginge es jedoch auch darum, eine Lösung zu ­bekommen, wie beispielsweise überzeugend nachhaltig investiert werden könne. Anbieter sollten hier ihren Ansatz transparent ­machen und dem Kunden das Gefühl vermitteln, dass dieser das bekommt, was er bestellt hat. „Das muss nicht unbedingt mit ­Alpha unmittelbar korrelieren.“ Die KZVK selbst nahm Gerdes davon aus, man sei sehr wohl an Outperformance interessiert. In Puncto Nachhaltigkeit dürften die Anforderungen in Zukunft höher als bislang liegen. „Die gute Nachricht ist: Die Asset Manager ­reagieren sehr schnell. Es ist kein kirchliches Thema mehr, es ist ein Mega-Thema. Das heißt: Jeder Asset Manager merkt: Wenn er in den nächsten paar Jahren die Reihen nicht geschlossen hat, platziert sich außerhalb des Marktes.“ Der Nachhaltigkeitsansatz der KZVK sieht vor, dass die KZVK retrospektiv prüft, wie stark einzelne ­Manager ihre Kriterien verletzt haben. Dafür gebe es ein Budget, quasi Beinfreiheit, und diese Quote werde verteidigt. „Auf die Art und Weise gelingt es, den Manager zunächst einmal laufen zu ­lassen und retrospektiv einzugreifen, wenn das in die falsche ­Richtung läuft. Umgekehrt halte ich das für unmöglich, dass man jede einzelne Investmententscheidung auf die Goldwaage legt.“ Bei 30 aktiv gemanagten Fonds ließe sich das nicht machen.

Das turbulente Jahr 2020

Es gibt also Gründe, die Asset Manager jenseits von Alpha für sich sprechen lassen können. Unter dem Strich dürfte jedoch oft das Thema Ertrag ausschlaggebend sein. Zentral natürlich hierbei: Kosten. ZF Friedrichshafen verhandelt in der Regel bei ­wachsenden Mandaten nach. Portfoliomanagement sei ein Handwerk und keine Kunst, sagt auch Gerdes. „Von daher gibt es keinen Grund, warum man bei Vertragsverhandlungen mit Asset Managern nicht ­genauso wie mit Softwareprovidern oder mit jedem anderen ­Zulieferer verhandelt, um einen fairen Preis zu erzielen.“ Schließlich habe ­Digitalisierung auch zu Verbilligungsdruck im Asset Management gesorgt. Insofern sei man sich noch mit keinem bestehenden ­Manager nicht einig geworden. Es gebe aber bei Ausschreibungen den ein oder anderen Asset Manager, der für ein 300-­Millionen-Euro-­­ Aktien-Mandat 60 bis 70 Basispunkte will. „Da würde ich sagen: Ganz egal wie der Track Record war, da sind Sie bei uns am ­Falschen“, so Gerdes. Er hält je nach Mandatsgröße 20 bis 25 Basispunkte für die eigenen aktiven Mandate für angemessen.

Zur Sprache kam auch das turbulente Jahr 2020. Die ZF Friedrichshafen musste gleich an zwei Seiten – im operativen Geschäft und im ALM – kämpfen. Bei den Funding Ratios gebe es einen Gap bei den Pensionsverpflichtungen, gerade in Deutschland. „Es ist schade, dass man da nicht sieht, was wir in den vergangenen ­Jahren auf der Pensionsseite geleistet haben“, so Schorr. „Wir haben einen CTA gegründet, wir sind weg von reinen Beitragssystemen ­gegangen, haben umgestellt auf DC light. Das war ein langes Projekt. Aber durch den niedrigeren Diskontsatz gehen die Effekte dieser Maßnahmen komplett in der Bilanz unter.“ Das Gap zwischen ­Assets und Liabilities sowie die Verluste, die unterjährig entstehen, gehen durch das CTA-Konstrukt gegen das Eigenkapital. „Die ­Eigenkapitalquote der ZF Gruppe lag zur Jahresmitte 2020 noch bei rund 15 Prozent. Da ist schon ein entsprechender Druck. Auch wenn wir langfristige Investoren sind, gucken wir immer noch auch durch die kurzfristige Jahresbrille.“ Die Marktturbulenzen ­haben auch einen Effekt auf die Bewertung von aktiven Mandaten gehabt und für Diskussionen gesorgt. Die Asset-Klasse, die in diesem Jahr am besten gelaufen sei, waren Wandelanleihen. Der ­aktive Manager war allerdings sechs bis sieben Prozent hinter dem Index. Da dieser jedoch die vergangenen Jahre super performt hat, hielt Schorr ihm die Treue. In bestimmten Phasen sei man sehr nah dran an den Managern gewesen, auch um zu sehen, ob man handeln müsse, so Schorr. Schlussendlich habe man keinen Manager ausgetauscht. Viel Austausch gab es dagegen mit den Gremien.

Die KZVK kam gut durch die Krise. Gerdes Tipp aus eigener Erfahrung: „Die Risikodiskussion, und was man im Stress macht, darf man nicht erst in Stresssituationen diskutieren. Dies muss man vorher diskutieren wenn es ruhig ist und alle glücklich sind: Was machen wir, wenn Aktien 30 Prozent runter gehen?“ Bei der KZVK sei es gelungen, die Strategie durchzuhalten. Mit dem klaren ­Credo, keine gestressten Assets zu verkaufen, sondern sogar – die ­gesunkene Quote nutzend – diese anti-zyklisch nachzukaufen. ­Wichtigstes Argument der KZVK mit Blick auf die Verpflichtungsseite: Dass für die nächsten zehn Jahre mit Sicherheit positive Cashflows zu erwarten sind. Man sei in der komfortablen Situation zu wissen, dass man nicht gezwungen sei, in den nächsten zehn Jahren Assets gegen den eigenen Willen verkaufen zu müssen. ­Daraus stellt sich die Frage, ob man die Erwartung habe, dass diese in den nächsten zehn Jahren höher stehen. „Wenn die Antwort ­entsprechend ist, hat man mehr als nur als ein Bauchgefühl, sondern auch eine ­begründete Basis zu sagen, wir halten das einfach durch.“ Ein Verkauf würde bei Erwartung mittelfristig höherer ­Kurse hingegen bedeuten, dass man sich sicher sei, die Investments zu niedrigeren Preisen wieder zurückkaufen zu können. Das birgt aber das hohe Risiko, erst bei höheren Kursen wieder einsteigen zu können. „Die Risikoprämie von Aktien ist einfach nicht erzielbar, wenn man in entsprechenden Phasen die Möglichkeit zum Durchhalten abschneidet. Heute ist man im Rückblick natürlich glücklich, dass es so war. Hätten wir noch eine Sicherung ­eingebaut, wäre das irrwitzig teuer geworden.“

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