Das sind die neuen Nachhaltigkeitskategorien

Ein Smart tankt Strom: Die EU-Kommission plant eine Reform der Offenlegungsverordnung. Geplant ist eine Kategorie „Sustainable“ für Produkte, die sich an dem orientiert, was bislang vom Artikel 9 erwartet wurde, allerdings auf einer deutlich verbindlicheren Grundlage. Bild: Pexels.
Die Offenlegungsverordnung soll umfassend überarbeitet werden. Im Zuge der Reform werden die bekannten Kategorien Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9 ersetzt.
Die EU-Kommission hat vor Kurzem ihren Entwurf zu einer Reform der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) vorgelegt. Er sieht eine grundlegende Neustrukturierung der Nachhaltigkeitskategorien bei Fondsprodukten vor.
Die bisherigen Kategorien Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9 werden nach Angaben der Beratungsfirma Ypsilon ersetzt durch eine neue Systematik. Die drei neuen Produktgruppen heißen Sustainable, Transition und ESG-Basics.
Die neue Produktgruppe Sustainable
Sustainable-Produkte orientieren sich den Angaben zufolge an dem, was bislang vom Artikel 9 erwartet wurde, allerdings auf einer deutlich verbindlicheren Grundlage: Der überwiegende Teil des Portfolios, mindestens siebzig Prozent, muss nachweislich zu ökologischen oder sozialen Zielen beitragen. Dieser Beitrag muss messbar und fachlich belegbar sein.
Die EU-Taxonomie bleibt dabei ein wichtiger Bezugspunkt, auch wenn sie nicht jede Position zwingend abdecken muss, heißt es seitens der Ypsilon Group. Ergänzend gelten strenge Ausschlüsse, etwa für kontroverse Waffen, Tabak sowie für fossile Aktivitäten ohne aussichtsreichen Ausstiegsplan.
Christian Eder, Lead of Sustainability & Consulting und Geschäftsführer der Ypsilon Consulting GmbH & Co. KG bei der Ypsilon Group, kommentiert: „Für Immobilienprodukte bedeutet das, dass ein Fonds nur dann in diese Kategorie fällt, wenn sein gesamtes Portfolio eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt, die sich in Energieeffizienz, Sanierungslogiken und nachvollziehbaren Klimazielen niederschlägt. Einzelne grüne Objekte reichen künftig nicht mehr aus.“
Neue Kategorie namens „Transition“
Die zweite neue Kategorie heißt Transition. Sie verlangt, dass mindestens siebzig Prozent des Portfolios einem Übergangsplan hin zu einem deutlich höheren Nachhaltigkeitslevel folgen. Dazu gehören den Angaben zufolge konkrete Ziele, realistische Zeitpläne und überprüfbare Fortschritte.
Christian Eder merkt dazu an: „Es war eine zentrale Schwäche der bisherigen Systematik, dass Kapital in bereits grüne Produkte gelenkt wurde, der Übergang von ‚braun‘ zu ‚grün‘ aber schwierig abzubilden war. Das soll mit der neuen Kategorie Transition behoben werden.“
Für die Immobilienwirtschaft sei diese Kategorie besonders relevant, so Eder. „Bekanntermaßen ist die Sanierung des Immobilienbestands ein viel größeres Feld als der Neubau. Ein Fonds, der ältere Gebäude erwirbt und sie anhand klar definierter Sanierungsschritte modernisiert, kann seine Strategie künftig hier verorten, sofern die Fortschritte transparent dokumentiert werden. Die Einführung dieser Kategorie ist also insbesondere auch aus Sicht der Immobilienbranche zu begrüßen.“
Kategorie „ESG Basics“
Die dritte Kategorie heißt „ESG Basics“. Sie bildet den Rahmen für Produkte, also Fonds, die ESG-Faktoren systematisch berücksichtigen, ohne ein spezifisches Nachhaltigkeitsziel zu verfolgen. Auch hier müssen mindestens siebzig Prozent des Portfolios einem nachvollziehbaren ESG-Prozess unterliegen, etwa einem strukturierten Screening, einem konsistenten Rating oder einer festgelegten Ausschlusssystematik.
Christian Eder geht davon aus, dass viele Fonds, die bisher unter Artikel 8 geführt wurden, künftig hier eingeordnet werden, „da Anforderungen und Dokumentation klarer abgegrenzt und weniger abhängig von Interpretation sind. Für Immobilienfonds bedeutet dies, dass sie ihre ESG-Integration transparent und belastbar darlegen müssen, auch wenn kein explizites Klimaziel verfolgt wird.“
Entwurf sieht schonende Übergangsregeln vor
Der Übergang vom alten in das neue Regime ist klar geregelt. „Die Kommission möchte die Stabilität des Marktes wahren, weshalb bestehende Produkte nicht automatisch neu eingeordnet werden“, erklärt Eder. „Artikel-6-, Artikel-8- und Artikel-9-Fonds bleiben zunächst bestehen. Geschlossene Produkte, deren Portfolios nicht mehr angepasst werden können, etwa viele geschlossene Immobilienfonds, können vollständig ausgenommen werden.“
Ziel der Reform ist auch eine Vereinfachung der Offenlegungspflichten. Die bisherige Praxis der PAI-Erklärungen – PAI steht für Principal Adverse Impacts – auf Unternehmensebene und die umfangreichen Website-Darstellungen sollen weitgehend entfallen. „Diese Informationen werden jedoch nicht aufgegeben, sondern sollen künftig über die CSRD geliefert werden, allerdings nur von Unternehmen, die tatsächlich noch unter die CSRD-Pflicht fallen“, so Eder.
Anwendung frühestens ab Ende 2027
Mit einer verpflichtenden Anwendung der reformierten Offenlegungsverordnung sei frühestens Ende 2027, realistischer ab 2028, zu rechnen. Der Vorschlag müsse zunächst das EU-Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, anschließend folgt eine Übergangsfrist von rund eineinhalb Jahren. In dieser Zeit sollen die bisherigen Offenlegungspflichten weiterhin gelten. Laut der Ypsilon Group können Anbieter und Investoren ihre Prozesse, Strategien und Produktunterlagen damit Schritt für Schritt anpassen, ohne dass ein kurzfristiger Umstellungsdruck entstehe.
Rückblende: Die bisherige Fassung der Offenlegungsverordnung trat Anfang 2021 in Kraft. „Was ursprünglich nur als Offenlegungsrahmen gedacht war, hat sich in der Praxis zu einem informellen dreistufigen Nachhaltigkeitslabel von Fondsprodukten entwickelt“, erläutert Eder.
Artikel 6 stand für Produkte ohne ESG-Bezug, Artikel 8 für Fonds mit breiten Nachhaltigkeitsmerkmalen und Artikel 9 für besonders anspruchsvolle Strategien. Tatsächlich hätten aber durchgängig verbindliche Mindeststandards gefehlt, und die Grenzen zwischen den Kategorien seien so offen gewesen, dass sich der Markt weitgehend an eigenen Interpretationen orientiert habe.
GDV spricht von realistischem und fortschrittlichem Ansatz
Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden mit der geplanten Reform die bislang umfangreichen und teils schwer verständlichen Nachhaltigkeitsinformationen bei Finanzprodukten auf das Wesentliche reduziert und übersichtlich strukturiert. Versicherte würden so künftig auf einen Blick Klarheit darüber erhalten, ob ein Produkt zur Erreichung ökologischer oder sozialer Ziele beiträgt, so die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland.
Zudem sollen künftig alle Anbieter von Finanzprodukten auch Investitionen ausweisen dürfen, die zur Transformation in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen, merkt der Verband an. Bislang sei dies nach den geltenden SFDR-Regeln nicht möglich. „Mit der Einbeziehung von ESG-Strategien und nachhaltigen Prozessen können künftig auch solche Anlagen berücksichtigt werden, die noch nicht alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, aber bereits zur Transformation beitragen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Das ist ein realistischer und fortschrittlicher Ansatz, der das nachhaltige Engagement der Branche besser abbildet.“
Die Versicherer begrüßen diesen Reformansatz ausdrücklich. Verständliche Informationen sind die Voraussetzung dafür, dass nachhaltige Versicherungsprodukte in der Breite ankommen. „Wer nachhaltige Angebote sucht, soll künftig mühelos erkennen, welche Produkte nachhaltigen Mehrwert bieten. Die EU schafft damit die Grundlage für mehr Transparenz und bessere Vergleichbarkeit für Kundinnen und Kunden“, so Asmussen. Inwieweit die nun vorgeschlagenen Erleichterungen in der Praxis von den Versicherern angewendet werden können, hängt von der Ausgestaltung der später folgenden technischen Regulierungsstandards ab.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Offenlegungsverordnung / SFDR
In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar