Alternative Anlagen
28. Oktober 2016

Der heilige Gral

Investoren suchen Ersatz für ihre festverzins­lichen, renditearmen Wertpapiere. Anlagen, die mit ähnlichen Eigenschaften wie Renten in den vergangenen 30 Jahren einhergehen, wären wohl der heilige Gral: negative Korrelation zu ­Aktien, vernünftiger Carry und hohe Liquidität. Können Absolute Return und Liquid Alternatives in die Bresche springen?

Was ist bloß los im Absolute-Return-Universum? Zwar boomt der Absatz in diesem Segment. Laut dem Asset Manager Lupus Alpha stieg das in Absolute-Return-Fonds verwaltete Vermögen im ersten Halbjahr von 191 Milliarden auf knapp 200 Milliarden Euro und damit auf einen neuen Höchststand. Doch binnen zwölf Monaten erzielten weniger als 30 Prozent der Fonds absolut positive Ergebnisse. Grund dafür ist ein seit Mitte 2015 anhaltend volatiles Marktumfeld mit ­Verlusten über fast alle Asset-Klassen hinweg. Insgesamt lag die ­Wertentwicklung in den vergangenen zwölf Monaten bei minus 3,55 Prozent (per Ende Juni 2016).
Ungeachtet der fast schon als desaströs zu bezeichnenden Marktentwicklung war das Interesse der Akteure am portfolio institutionell Summit zum Thema „Liquid Alternatives“ enorm. Dutzende Investoren und Vertreter der Anbieterseite waren am 13. September ins mondäne Hotel Bayerischer Hof nach München gereist, um gemeinsam und heiß über Liquid Alternatives zu ­diskutieren. Heiß war auch die Temperatur im Raum an jenem Tag, das lag aber am Wettergott Petrus und weniger an der schwachen Marktlage für Absolute-Return-Fonds.

Wenige Tage zuvor war an den Finanzmärkten etwas passiert, ­womit man in Zukunft wohl häufiger rechnen muss. Die Steilvorlage für den Summit – sozusagen: Die Kurse von Aktien und Anleihen sackten gleichzeitig ab. Ein solches Ereignis sei, erinnerte Summit-Moderator ­und Consultant Frank Umlauf, in der Vergangenheit nicht allzu häufig ­passiert. Positive Korrelationen verschiedener Anlageklassen mit negativen Ergebnissen. Ein Gleichlauf der Renditen nach unten ist insbesondere für Multi-Asset- und Balanced-Konzepte problematisch, bei denen Aktien und Renten die Schwerpunkte der Allokation ­darstellen, warnte Umlauf mit Blick auf Anlagekonzepte, die auf der traditionellen Korrelationsannahme zwischen Aktien und Anleihen­ basieren.

Im Hinblick auf dieses Szenario scheinen viele Investoren in Liquid­ Alternatives eine Art Rettungsanker und den heiligen Gral zu sehen. Deshalb legte Frank Umlauf großen Wert auf ­folgenden Hinweis: Investoren mögen die an Absolute-Return-Strategien ­gestellte Erwartungshaltung senken und vielmehr erkennen: „Was geht? Und was geht nicht?“ Viele von ihnen signalisierten ihm gegenüber immer wieder die fragwürdige Erwartungshaltung, dass Liquid-Alternatives-Strategien in jenen Phasen auftrumpfen sollen, in denen in der Kapital­anlage sonst nichts anderes funktioniert. Doch dem ist nicht so, warnte Umlauf. Denn andernfalls hätte man es mit einem Fat Tail Hedge zu tun. Das heißt: Investoren unterscheiden nicht trennscharf zwischen unkorrelierten, also voneinander ­unabhängigen Renditen und negativ korrelierten Renditen, wie es bei einem Tail Hedge in Form von Put-Optionen der Fall ist.

Und dabei bestand ein zentrales Problem für institutionelle Investoren schon während der Lehman- und der Eurokrise in den Jahren 2008 und 2011 in der hohen realisierten Korrelation zwischen den meisten Anlageklassen. Nach historischen Maßstäben breit diversifizierte Portfolien wiesen damals keine der erwarteten Korrelations­effekte auf, was Multi-Asset-Ansätze stärker gestresst hat, als historische Draw-Down-Analysen es hätten vermuten lassen.
Vor diesem Hintergrund stellte ein Besucher die Frage, wie Liquid-Alternatives- beziehungsweise Absolute-Return-Konzepte ausgestaltet sein müssten, um die gewünschte unkorrelierte Wirkung zu erzielen? Umlaufs Antwort: „Bei traditionellen Anlagen hat man auf der Rentenseite viel Duration und Credit-Spread, während auf der Aktienseite das Beta ­dominiert. Komplementär müsste Absolute Return also flexibel sein: long ebenso wie short.“ Auf der Aktienseite wiederum würde man ­indessen Beta in managerspezifische Risiken, also Alpha, tauschen. Währungsrisiken müsste man absichern. Auf diese Weise kann man etwas Komplementäres schaffen, was dazu führen könnte, dass man eine Korrelation von null generiert. „Höher sollte die Erwartung aber auch nicht sein“, mahnte Umlauf.

Liquidität von Ucits
Wenn Anbieter nun immer häufiger dazu übergehen, klassische Hedgefonds-Strategien in Ucits-Fonds darzureichen (Liquid Alternatives), dann ist das ein lobenswertes Vorhaben. Aber ist es auch sinnvoll? Laut Frank Umlauf haben 83,3 Prozent der von ihm insgesamt gezählten 949 Strategien im Ucits-Absolute-Return-Universum täg­liche Liquidität. 11,7 Prozent bieten ihren Geldgebern indessen nur die Rückgabe binnen einer Woche an. Und immerhin 4,6 Prozent der ­Absolute-Return-Strategien im Ucits-Mantel sind nur alle 14 Tage handelbar. Die Anbieter legen demnach überwiegend Wert auf tägliche ­Liquidität.
Entscheidend sei allerdings die „natürliche“ Liquidität der Strategie und nicht die der Fonds, warnte Umlauf. Soll heißen: Wenn ein Asset von seiner Natur aus nicht gerade liquide ist, wie soll es dann ein Fonds sein, der darauf basiert? Dazu hatte ein Besucher des Summit eine nette Anekdote parat: Ein Fondsanbieter hat 2016 den „ersten liquiden Distressed-Debt-Fonds“ auf den Markt gebracht. „Das klingt zunächst absurd komisch, ist aber auch nicht hilfreich für die Industrie, wenn solche Fonds in Stressphasen geschlossen ­werden müssen!“, entgegnete Umlauf. Wenn man aus den Krisen­jahren etwas­ gelernt hat, dann, dass die Liquidität der Underlyings bei Absolute-Return-Strategien von zentraler Bedeutung ist.

Verfolgt der Investor mit einem Investment in Absolute-Return-Strategien das Ziel, eine möglichst geringe Korrelation zu globalen Aktien und globalen Renten zu erzielen, sollte er das Augenmerk auf die systematische Trendfolge mit Managed Futures legen und auf die tendenziell diskretionär agierenden Makromanager, deren Strategien eher Value-getrieben sind. Denkbar seien auch marktneutrale Strategien, so der Rat Umlaufs. „Denn nur bei diesen sind die Korrelationen in Rezessionsphasen, also genau dann, wenn es darauf ­ankommt, zu Aktien beziehungsweise Renten nahe null.“
Die Idee von Trendfolgern ist ebenso einfach wie genial: Man kauft immer das, was in den vergangenen Monaten an Wert gewonnen hat und man ­betreibt Short Selling bei jenen Anlagen, die in eben jener Zeit auf der Verliererseite­ standen. Ein solcher Ansatz geht nach Einschätzung von Antti Ilmanen, Partner beim Asset Manager AQR und Buchautor, langfristig mit attraktiven Renditen einher und habe Tail-Hedging-­Eigenschaften – und die Anmutung eines sicheren Hafens, wie er im Rahmen seiner ­Präsentation ausführte. Doch was bedeutet eigentlich marktneutral? Als Anleger tauscht man das Marktrisiko einer Strategie um in managerspezifisches Alpha-Risiko. Man verabschiedet sich also von Long-only-Managern und sucht echte Alpha-Lieferanten, die auch Wert­papiere leerverkaufen können.

Strategien im Praxistest
Am Ende des Tages tun beide Managersegmente in ihrer Analyse zwar wahrscheinlich das Gleiche. Nur: Ein traditioneller Long-only-Aktienmanager ist immer voll investiert. Und sein Ziel ist es, einen Mehrertrag gegenüber einem Aktienindex zu erzielen. Dementsprechend stark ist der Gesamtertrag des Fonds von der Entwicklung des Aktienmarktes abhängig. Das Ziel des Long-Short-Managers wiederum ist die Erzielung eines positiven absoluten Ertrags (Geldmarkt plus x). Durch die weitgehende Eliminierung des Marktrisikos ist das Alpha-Risiko, also das managerspezifische Risiko, der dominierende Faktor, sagt Frank Umlauf. Dabei hat die „Neutralität“ in der Kapitalanlage viele Facetten: Cash-neutral, Beta-neutral, sektorneutral, länderneutral und auch faktorneutral kann ein Portfolio konzipiert sein.

Für Dr. Philip Seager, Head of Institutional Systematic Strategies bei Capital Fund Management (CFM), sind aktienmarktneutrale ­Strategien eine Quelle zur Diversifikation, wie er in München im Rahmen seiner Präsentation ausführte. CFM verfügt über eine 25-jährige Historie in der Anwendung akademischer, quantitativer Verfahren – erst im Bereich Research, später in der Implementierung eines erfolgreichen Absolute-Return-Programms. Kapazitätsbeschränkt, unkorrelliert und auf immer neuen Innovationen aufbauend soll dieses ­Programm die Leistungsfähigkeit von CFM in der Generierung von Alpha-Renditen repräsentieren. Der Referent von CFM verwies auf ­eine Reihe eigener Untersuchungen, die sich mit Renditefaktoren auseinandersetzen. Dazu schnitt Seager den Low-Volatility-Effekt an sowie Konzepte zum Ausnutzen unterschiedlicher Risikoprämien. Weiterhin erörterte er Trendfolgeansätze und Überrenditen, die sich aus Investitionen in „Qualitätsaktien“ ergeben können.

Antti Ilmanen gab zu bedenken, dass die Trendfolge bei vielen ­institutionellen Investoren als etwas eingestuft wird, das nicht zu ­einem Langfristansatz passt. Er wolle, sagte er, dagegen argumentieren: „Trendfolger neigen dazu, in graduellen, sich hinziehenden ­Bärenmärkten gut zu performen. Denn sie können zwischen ‚bullish‘ und ‚bearish‘ wechseln und Risk-Off-Positionen durch nahezu alle Bärenmärkte hinweg halten. In schnell heraufziehenden Krisen könnten sie allerdings verletzlich sein. Doch selbst in solchen Phasen ­waren Trendfolger in der Vergangenheit öfter auf der richtigen Seite als auf der falschen. So konnten sie Geld verdienen.
Der Grund dafür ist ­folgender: Schnell ablaufende Markteinbrüche finden nur äußerst ­selten an Wendepunkten unmittelbar nach einen Bullenmarkt statt, sondern in Marktphasen, in denen ein Abwärtstrend schon eine ­Weile besteht. Das bedeutet, solange eine Krise nicht urplötzlich und aus heiterem Himmel auftritt, neigen Trendfolger dazu, ihren Investoren einen recht guten Tail-Schutz zu bieten.“ Nach Umlaufs Erfahrung dauert es bei Trendfolgern im Schnitt zwischen sechs und acht ­Wochen, um sich bei Trendwechseln aus bestehenden Positionen ­herauszudrehen, um anschließend von der neuen Entwicklung zu profitieren. Das heißt: Für diese großen Bewegungen eines Marktes in beide Richtungen ist ein Trendfolge­ansatz im Portfoliokontext eine interessante ­Beimischung. Über die Zeit liefert eine solche Strategie eine Sharpe Ratio, die doppelt so groß ist wie die von Aktien.

Einen erkenntnisreichen Vortrag beim portfolio institutionell Summit hielt auch Chris Bowie aus dem Hause Twenty Four Asset Management. Der Anbieter ist bestrebt, für seine Investoren stabile, wiederkehrende und insbesondere attraktive Renditen mit sehr geringer Volatilität zu erwirtschaften und das Ganze in einem liquiden Fonds abzubilden. Das Kernportfolio enthält aktiv verwaltete Investment-Grade-Bonds mit einer Restlaufzeit von maximal fünf Jahren. Hinzu kommen High-Yield-Anleihen und ABS, die man anhand ­eines High-Conviction-Ansatzes selektiert. Weiter angereichert wird das Portfolio durch taktische Zins- und Credit-Hedges und Investment-Grade-Anleihen mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf ­Jahren. Bei diesem Konzept verzichtet Twenty Four auf derivative Overlays.
Twenty Four Asset Management verfolgt – und das ist recht ungewöhnlich – mit seinem Absolute Return Credit Fund ein Long-only-Konzept; dabei zeichnet sich ein Absolute-Return-Ansatz doch gerade dadurch aus, dass das Fondsmanagement long und short gehen kann. Insofern kann man durchaus hinterfragen, ob Long-Short-Credit-­Strategien im Ucits-Rahmen wirklich die gewünschte Dekorrelation erzielen oder ob nicht ein vergleichsweise einfacher Long-only-Credit-Ansatz mit weitgehend kurzen Laufzeiten, wie Twenty Four Asset ­Management ihn propagiert, eine sinnvollere Lösung darstellt. Doch zurück zu Absolute Return per se: Der Tausch von Marktrisiken gegen managerspezifische Risiken ist mit der Eigenschaft verbunden, dass die Korrelation zwischen den Managern extrem tief ist. Umlauf thematisierte in München derweil die hohe Dispersion zwischen den Managern.­
Das heißt, zwischen einem guten und einem schlechten Manager ist der Abstand im Vergleich mitunter viel größer, als wenn man zwei traditionelle Aktienmanager miteinander gegenüberstellen würde. Sie bekommen, etwas salopp ausgedrückt, aus ihrem Long-­only-Ansatz einen Großteil des Marktbetas ins Portfolio gespült. Vor diesem Hintergrund hat die Portfoliokonstruktion im Absolute-­Return-Bereich überragende ­Bedeutung und gilt als mindestens so wichtig wie die Selektion der ­eigentlichen Strategie. Aber auch die beste Portfoliokonstruktion hilft nicht in Zeiten, in denen die Notenbanken alle Asset-Klassen inflationieren. Denn Absolute-Return-Strategien profitieren laut Frank ­Umlauf nicht von dieser Inflationierung. Das Gegenteil sei der Fall: Sie leiden darunter, wenn sich die Preise von den Fundamentaldaten zu weit und zu lange entfernen, wie es die schlechte Performance von marktneutralen Strategien in diesem Jahr verdeutlicht. Was Investoren aber im Gegenzug auch ein gewisses Vertrauen in das Verhalten der Strategien nach dem Tag X im Vergleich zu den dann Luft ablassenden anderen Anlagen geben sollte.

Abschließend erläutert Umlauf noch: „Wir ­gehen dazu über, im Portfolio eine Absolute-Return-Ebene einzuführen: ­Dazu stellen wir die Absolute-Return-Strategien den entsprechenden ­Underlyings ­entsprechend ihrer strategischen Allokation gegenüber.“ Das entzerre die Erwartungshaltung: „Wenn Aktien um 14 Prozent ­fallen und der Long-Short-Manager mit Aktien null Prozent Rendite erzielt, sagen Sie als Investor: ‚Prima, schöne Sache!‘ Und ein solcher Ansatz ­ermöglicht dem Investor die taktische Auswahl, ob er mehr Beta oder mehr managerspezifische Risiken haben möchte.“

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2016

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