Investoren
3. Juni 2022

Der weltgrößte Staatsfonds sieht rot

Der Ukraine-Krieg, China und die hohe Inflation treffen Kapitalanleger insbesondere bei Aktien derzeit hart. Das spürt auch Norwegens Ölfonds, der im ersten Quartal gleich um fünf Prozent seines Werts abrutschte. Der Gigant unter den institutionellen Investoren hält rund 70 Prozent seiner Kapitalanlage in Aktien. Das Immobilien- und Alternatives-Portfolio ist klein, aber rentabel.

Die Kriegsnachrichten aus der Ukraine, unterbrochene Lieferketten und die anhaltend hohe Inflation befeuern derzeit die Diskussion um die Rolle der Zentralbanken in dieser Krise: Sollen sie mit raschen Zinserhöhungen reagieren und können sie das überhaupt?, fragen sich Investoren hierzulande insbesondere im Hinblick auf die Eurozone und die EZB.

Eine prominente und eher pessimistische Antwort dazu kam vom Chef des norwegischen Government Pension Fund Global (GPFG), Nicolai Tangen, Anfang Mai in einem Interview mit der Wirtschaftswoche: „Meiner Meinung nach hinkt die EZB der Entwicklung bereits seit einer Weile hinterher. Sie könnte den richtigen Moment verpasst haben, um die Zinsen anzuheben. (…) Ich verstehe die bisherige Entscheidung der EZB nicht wirklich, die Zinsen auf dem momentanen Niveau zu belassen. Mich verwundert das.“ Tangen rechnet damit, dass sich die Preise „noch rascher verteuern“ könnten als bisher, „weil viele Faktoren die Inflation treiben“.

6,6 Prozent Durchschnittsrendite

Für das Investmentumfeld der Kapitalanlage insgesamt und insbesondere für die des norwegischen Staatsfonds äußerte sich Tangen skeptisch, was die künftige Performance in einem Umfeld aus wirtschaftlicher Stagnation und weiterhin hohen Inflationsraten angeht: „Unser Staatsfonds hat in den vergangenen 25 Jahren eine jährliche Durchschnittsrendite von 6,6 Prozent erzielt. Das ist in den nächsten zehn Jahren nicht mehr drin. Investoren dürfen froh sein, wenn sie überhaupt Gewinne machen“, beschreibt Tangen die Renditeaussichten im befürchteten Investitionsumfeld.

Dabei hatte der weltgrößte Staatsfonds mit umgerechnet 1,17 Billionen Euro an Assets under Management (AuM), der einen Großteil seiner Anlagen in Aktien investiert, gerade in den vergangenen drei Jahren noch eine traumhafte Performance hingelegt: Nach einer Delle in 2018 (minus sechs Prozent) erwirtschaftete der Ölfonds in 2019 fast 20 Prozent Rendite (19,95). Auch im Corona-Jahr waren es noch 10,86 Prozent. Für 2021 erreichte Norges Bank Investment Management (NBIM) für den Fonds eine Rendite von insgesamt 14,51 Prozent über alle Asset-Klassen, was vor allem der positiven Entwicklung bei Aktien geschuldet war, die für sich genommen eine Performance von 20,8 Prozent verzeichnen konnten.

Verluste im ersten Quartal 2022

Ein Blick auf die Asset Allocation zeigt, dass mit sinkenden Börsenkursen die rosigen Anlage-Zeiten vorbei sein könnten: 72 Prozent des Fondsvolumens des Ölfonds sind in Aktien investiert. Nach Schätzungen hält der Fonds damit 1,4 Prozent aller weltweit gelisteten Aktien. Er investiert aktuell in über 9.300 Unternehmen aus 70 Ländern. Nur 2,5 Prozent der Kapitalanlage stecken dagegen in Immobilien. 25,4 Prozent sind in festverzinsliche Anlagen investiert. Und der Anteil von Infrastrukturprojekten im Bereich Erneuerbare Energien liegt bei 0,1 Prozent.

Die Aktienanlage schrumpft in ihrem Wert entsprechend der aktuellen Marktbewegungen gerade zusammen. Die interessierte Öffentlichkeit kann das mitverfolgen – und zwar live, da der Fonds den Wert seiner Anlagen traditionell in Echtzeit auf seiner Homepage übermittelt. Wo das Marktvolumen des Ölfonds Ende vergangenen Jahres noch 12,34 Milliarden NOK betrug (umgerechnet rund 1,22 Billionen Euro), liegt es gerade bei 11,88 Milliarden Kronen, was umgerechnet etwa 1,17 Billionen Euro entspricht (Stand: 16. Mai). Für das erste Quartal 2022 meldete der Ölfonds denn auch einen Verlust von 4,9 Prozent seines Werts.

Das größte Minus brachten die Aktienanlagen mit minus 5,2 Prozent, gefolgt von Fixed Income mit minus 4,8 Prozent. Die (ungelistete) Immobilienanlage rentierte bei 4,1 Prozent deutlich im Plus. Dementsprechend änderte sich auch die Asset Allocation leicht: 71 Prozent des Anlagevermögens lag Ende März noch in Aktien, 26,3 Prozent in Fixed Income und die Immobilienallokation war leicht auf 2,7 Prozent gestiegen.

Profiteur des Tech-Booms

Ölfonds-CEO Nicolai Tangen ließ denn auch in dem erwähnten Interview verlauten, der Fonds könne bei einer gefürchteten Stagflation einen Großteil seines Werts einbüßen. „Wenn wir in einer solchen Situation in sämtlichen Vermögensklassen Einbußen erleiden, dann drohen uns bis zu 40 Prozent Verlust, zeigen unsere Stresstests.“

Die Performance des Ölfonds hatte in der Vergangenheit stark vom Tech-Boom profitiert, auch Ende 2021 hielt der Ölfonds viele Tech-Aktien im Portfolio, auf den Top-Positionen lagen Apple, Microsoft und Alphabet, gefolgt von Amazon, Nestlé und Meta. Das Übergewicht im US-Tech-Sektor war in den vergangenen Jahren ein Garant für eine gute Perfomance, in 2022 bisher eher Fluch, da der Markt stark eingebrochen ist. So verlor der Nasdaq 100 seit Dezember 2021 etwa 4.000 Punkte. Die Aktie von Meta verlor im gleichen Zeitraum rund sechs Prozent an Wert, bei Tesla, an der der Ölfonds Aktien im Wert von 68 Milliarden Kronen hielt (12/2021), ging es im ersten Quartal rauf und runter.

Zudem hat der Ölfonds russische Aktien im Wert von knapp drei Milliarden US-Dollar, was 0,2 Prozent der gesamten Kapitalanlage entspricht. Der Fonds hatte nach Beginn des Krieges in der Ukraine erklärt, seine russischen Aktien derzeit nicht verkaufen zu können, da der Markt nicht funktioniere. Mittlerweile soll der Wert russischer Beteiligungen um mindestens 90 Prozent gefallen sein, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anfang Mai.

Aktionär in Deutschland

Auch deutsche Aktien hielt der Fonds noch Ende 2021 in großer Zahl. Insgesamt machten sie 4,1 Prozent der AuM aus. Eine Top-Position belegt das Wohnungsunternehmen Vonovia SE mit 42 Millionen Kronen (umgerechnet 4,1 Milliarden Euro an Aktienwert) zum Ende 2021: Die Aktie büßte in den vergangenen sechs Monaten über 26 Prozent an Börsenwert ein. Auch hielt der Ölfonds Ende 2021 mehr als zwei Prozent aller Aktien von Adidas, der Allianz SE, der Bayer AG, der Covestro AG und der Deutschen Bank. Große Aktienpositionen waren außerdem die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, Infineon Technologies, Siemens und SAP. Neben der Allianz finden sich im Portfolio des Ölfonds auch weitere Versicherer wie die Münchner Rück, an der der Fonds ebenfalls fast zwei Prozent des Aktienkapitals hielt, die Hannover Rück, die Talanx und die Wüstenrot & Württembergische AG.

Als größter Staatsfonds der Welt fällt dem norwegischen Ölfonds auch eine besondere Rolle als Active Owner zu, zumal sich der Fonds als nachhaltiger Anleger versteht. Anfang 2021 ist NBIM dazu übergegangen, sein Abstimmungsverhalten vor Hauptversammlungen mindestens fünf Tage vor der jeweiligen HV offenzulegen. So legte der Fonds vor der diesjährigen Bayer-HV Ende April offen, dass er CEO Werner Baumann entlasten, jedoch gegen dessen Vergütungspaket ein Veto einlegen wolle. Ein „erheblicher Teil der jährlichen Vergütung“ müsse in Form von Aktien mit Haltefristen von fünf bis zehn Jahren gezahlt werden, forderte der Staatsfonds. Zudem sollten alle Leistungen einen klaren geschäftlichen Grund haben. Die Forderungen entsprechen der weltweiten Vergütungsziele des Fonds bei „seinen“ Unternehmen. Der Staatsfonds ist mit 2,3 Prozent der Bayer-Aktien fünftgrößter Aktionär.

Viel Büro und Logistik, wenig Erneuerbare

Zusammen mit Aktien von Immobilienunternehmen und Reits hat der Fonds einen Immobilienanteil von insgesamt etwa 4,6 Prozent der Assets under Management. Größte Positionen im Listet-Real-Estate-Segment war Ende 2021 Vonovia, gefolgt von Alexandria Real Estate Equities, Inc. mit 26 Millionen Kronen und Equity Residential mit 24 Millionen Kronen, beide aus den USA. Die höchsten Beteiligungen gemessen am Aktienvolumen hält der Ölfonds jedoch an britischen Immobilieninvestmentfirmen. Ganz vorne dabei ist das auf Londons Westen spezialisierte Investment-Unternehmen Shaftesbury, an der der Ölfonds fast 26 Prozent des Aktienkapitals hält, gefolgt von Great Portland Estates und Capital & Countries Properties, ebenfalls aus Großbritannien, mit jeweils etwa 15 Prozent des Aktienkapitals.

An vierter Stelle im Ranking nach Ownership-Beteiligung kommt bereits Vonovia, an der der Ölfonds Ende 2021 elf Prozent der Aktien hielt. Insgesamt waren die Immobilienaktien in 2021 noch sehr ertragreich: Listed Real Estate rentierte mit 26,8 Prozent deutlich über Durchschnitt, während die illiquiden Immobilienanlagen 13,6 Prozent erzielten.

Die nicht-börsennotierten Immobilienanlagen hatten zum Jahresende 2021 einen Marktwert von 312 Milliarden Kronen (31 Milliarden Euro), was 2,5 Prozent des Fondsvolumens entspricht. In den Immobilienmarkt breit eingestiegen ist der GPFG aufgrund eines Mandats des norwegischen Finanzministeriums erst im Jahr 2010. Der Ölfonds sollte maximal fünf Prozent seines Werts in Immobilien stecken dürfen, was damals einer Summe von 140 Milliarden Kronen (damals umgerechnet etwa 17,4 Milliarden Euro) entsprach.

Norweger bevorzugen Büros

Seine ersten Investments tätigte der Fonds in London und Paris in Form von Partnerschaften. Aktuell dominieren bei den Immobilienanlagen das Bürosegment mit 54 Prozent des Portfolios, gefolgt von Logistikinvestments mit 32 Prozent. Die Hälfte der Immobilieninvestments entfällt auf die USA, Großbritannien und Frankreich sind ebenfalls mit jeweils rund 17 Prozent gut vertreten. Deutschland folgt mit 3,9 Prozent vor der Schweiz als Markt.

Im vergangenen Jahr investierte der Fonds erstmals in die Anlageklasse Infrastruktur-Renewables und erzielte dort eine Rendite von 4,2 Prozent. Der Blick auf den GPFG zeigt: Die Aktienanlage birgt im Abschwung erhebliche Risiken. Das Dickschiff hält vergleichsweise wenig (ungelistete) Immobilien und noch weniger Alternatives. Und gelistete Immobilien waren im Abschwung kein Hedge.

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