Experteninterview
28. Januar 2022

Die Architektur von Emerging Markets Illiquid Credits

Die Kapitalanlage braucht neue Anlageideen. Emerging Market Illiquid Credits bieten Investoren aufgrund von hohen Marktineffizienzen, großen Volumina sowie interessanten Default- und Recovery-Statistiken die Aussicht auf einen attraktiven Verdienst – und dem Asset Manager BlueBay gebührt das Verdienst, diese Asset-Klasse investierbar gemacht zu haben. Deren Potenzial erschlossen hat sich bereits das Versorgungswerk der Architektenkammer NRW.

Herr Löhning, wie schlägt sich das Versorgungswerk der Architektenkammer NRW in einer Welt ohne Zinsen?

Thomas Löhning: Ich bin überzeugt, dass Architekt*innen und Ingenieur*innen eine möglichst sichere Geldanlage schätzen. Darum war unsere Kapitalanlage lange durch Rentenanlagen wie Schuldscheindarlehen geprägt. Mit dem Druck durch das niedrige Zinsniveau haben wir nach und nach ­begonnen, uns anders aufzustellen.

Viel zu tun hatten wir aber auch dadurch, dass wir stark gewachsen sind. Pro Jahr wächst das Versorgungswerk um ungefähr 500 bis 600 Millionen Euro. Insgesamt verwalten wir nun 12,5 Milliarden Euro. Den Rechnungszins haben wir seit 2017 auf zwei Prozent abgesenkt, müssen aber den Altbestand weiter mit vier Prozent verzinsen.

Nachhaltigkeit ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Seit 2016 haben wir eine eigene ESG-Strategie. Noch haben wir aber nicht alle Anlagen geratet beziehungsweise präzise bewertet, da wir noch abwarten müssen, wie sich die Regulierung entwickelt. Die Klassifizierung von Fonds nach Artikel 6, 8 und 9 der Offenlegungsverordnung ist für uns ausreichend.

Insgesamt hat sich unsere Kapitalanlage deutlich verbreitert. Heute sind wir globaler und haben in fast allen Asset-Klassen investiert. In den vergangenen zehn Jahren haben wir zunehmend in illiquide Anlagen investiert. Begonnen hat das Versorgungswerk mit Private Equity und dann Infrastruktur. Teil dieser Entwicklung ist zudem, dass wir nun mit Anbietern wie BlueBay auch in illiquide Kredite in den Emerging Markets investieren.

Wie entwickelten sich regulatorische Themen wie Anlageverordnung und Risikostufen?

Löhning: Die ­Anlageverordnung war jahrzehntelang kein Problem, mittlerweile stoßen wir aber an deren Grenzen. Das betrifft ­beispielsweise die Quoten für High Yields oder auch für das Risikokapital. Immerhin sorgt die neue Infrastrukturquote für etwas Erleichterung.

Bezüglich der für Versorgungswerke geltenden Risikostufen sind wir wider Erwarten bislang noch nicht in die Stufe 3 gerutscht. Grund war, dass wir wegen Corona teilweise risikoreichere Anlagen abgebaut haben. Außerdem haben wir immer noch einen gewissen Altbestand an risikoarmen Schuldscheindarlehen und kauften für unser Immobilienportfolio in den vergangenen fünf Jahren ausschließlich Wohnungen zu. Bald ist die Risikostufe 2 aber Vergangenheit.

Der Großteil der aktiven Mitglieder des Versorgungswerks ist um die 60 Jahre alt. Wäre es in zehn Jahren viel schwieriger, Risiko-Assets aufzubauen?

Löhning: Jein. Wir haben ein kapitalgedecktes System, in dem jeder Versicherte ein eigenes Konto hat. Von dem her ist die ­große Anzahl an rentennahen Jahrgängen kein Problem. Im offenen Deckungsplanverfahren, das wir praktizieren, ist aber versicherungsmathematisch entscheidend, dass jedes Jahr ausreichend neue Mitglieder hinzukommen. Das funktioniert auch.

Da wir aber auch immer mehr Rentner*innen haben, stagniert die Anzahl der aktiven Beitragszahler beim Versorgungswerk seit einigen Jahren und der Überschuss an Beitragseinnahmen gegenüber Rentenausgaben wird immer kleiner. Für 2027 rechnen wir damit, dass Einnahmen und Ausgaben gleich sind. Unser Risikobudget bleibt aber hoch, da wir jährlich Kapitalerträge aus einem größer werdenden Anlagevermögen erwirtschaften. Außerdem sinkt unser Mischrechnungszins pro Jahr um etwa drei bis sechs Basispunkte. Erst Ende der 30er-, Anfang der 40er-Jahre dürften die Risikobudgets zu einem Thema werden.

Herr Florian, die Story bei Unternehmenskrediten ist in den entwickelten Märkten, dass die Banken aus regulatorischen Gründen Kredite an Finanzinvestoren weitergeben. Ist dies auch in den Emerging Markets der Fall?

Mihai Florian: Die regulatorischen Auflagen von Banken in den Emerging Markets sind ähnlich. Ein Unterschied ist aber die durchaus große Abhängigkeit von Schwellenländer-Unternehmen zum Banksektor.In den Emerging Markets decken Banken etwa 90 Prozent des Finanzbedarfs der Corporates, in Europa etwa 60 Prozent und in den USA nur 20 bis 40 Prozent. In den Schwellenländern ist der Kapitalmarkt für Corporate Debt ziemlich ineffizient. Es gibt viel weniger alternative Kreditgeber.

Dann sind es in den Emerging Markets eher die Unternehmen selbst, die Ihre Pipeline mit Opportunitäten füllen?

Florian: Wir beteiligen uns an Loans aus dem Primär- sowie dem Sekundärmarkt, sind aber bezüglich der Identifikation von Opportunitäten flexibel. Unser Fokus liegt auf dem direkten Finanzierungsbedarf der Unternehmen, gleichzeitig sehen wir aber Möglichkeiten bei Banken, die ihre Kredit-Engagements reduzieren möchten. Wir wollen und können beide Quellen nutzen. BlueBay investiert seit fast 20 Jahren in den Emerging Markets und hat daher viele lokale Beziehungen.

Wo steht der Markt aktuell? Welchen Einfluss hat Corona?

Florian: In Europa hat sich der Private-Credit-Finanzierungsansatz in den vergangenen zehn Jahren etabliert. Illiquide Kredite sind in den Emerging Markets hingegen noch ziemlich neu. Es braucht also noch etwas Zeit, bis die Unternehmen verstehen, dass Finanzierungen nicht unbedingt vom Bankensektor, sondern durch Fonds kommen können. Heute sehen wir aber schon, dass viele Unternehmen bereits mehr und mehr die Flexibilität und die Schnelligkeit von alternativen Finanzier­ungsquellen wie uns schätzen.
Die Pandemie hat temporär im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass Banken Kreditpositionen verkauft und somit ihre Kreditbücher über den Sekundärmarkt verringert haben. ­Insgesamt führt die Regulierung allerdings zu einer fundamentalen Änderung im ­Bankensektor. Diese limitiert den Appetit der Banken auf neue Kreditvergaben.

Wie drückt sich das in Zahlen aus?

Florian: Ein großer Teil des Marktes wird über lokale Währungen und lokales Recht laufen. Das ist für internationale Investoren wie uns nicht interessant.
Aber der Markt für Kreditvergaben, die nach englischem Recht und in Hartwährung erfolgen, hat immer noch ein Volumen von mehreren Billionen US-Dollar. Wir selbst haben in den vergangenen 18 Monaten Opportunitäten im Umfang von fast vier Milliarden US-Dollar gesehen. Das ­Volumen auf diesem Markt ist also erheblich. Interessant ist aber vor allem, dass der Wettbewerb deutlich ­geringer als in Europa oder in den USA ist.

Wie hoch sind Defaults und Recovery Rates im Vergleich zu den USA und Europa?

Florian: Zahlungsausfälle sind, wenn wir einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren nehmen, etwa auf dem Niveau wie in den Developed Markets, belaufen sich also in etwa auf drei bis vier Prozent. Längerfristig betrachtet gab es in den Emerging Markets auch nur wenige Ereignisse wie die Asienkrise, in denen es zu einem echten Anstieg an ­Ausfällen kam.

Dagegen waren die Recovery Rates in den vergangenen zehn Jahren in den Schwellenländern sogar besser. Grund hierfür ist, dass wir in Europa immer mehr eine ­covenant-lite-Dokumentation sehen. In den Emerging Markets ist die Dokumentation aber nach wie vor „old style“. Dort sind Kreditgeber bei einem Ausfall unter ­anderem durch bessere Financial Covenants geschützt. Zudem sind die meisten unserer Loans vorrangig besichert.

Wenn es doch zu einem Default kommt: Eine Lösung lässt sich meist einfacher arrangieren, wenn man alleiniger Kreditgeber ist. Bei mehreren Gebern können Interessen divergieren.

Florian: In der Regel sind wir Teil einer Syndizierung. Wir wollen es eher vermeiden, alleiniger Kreditgeber zu sein.

Wie und wo sieht das Versorgungswerk Emerging Market Illiquid Credits?

Berend Schulte: Zunächst einmal ist es eine Beimischung zu unserer strategischen Emerging-Market-Allokation. Wegen der Fondsstruktur und dem illiquiden Charakter haben wir es aufsichtsrechtlich dem Segment Private Debt und in der Anlagever­ordnung der Nummer 13 zugeordnet.

Gefallen hat uns, dass es sich um einen neuen Markt handelt. BlueBay war einer der ersten Asset Manager, die diesen Markt für institutionelle Kunden zugänglich gemacht haben. Wir haben mit BlueBay auch schon eng und früh zusammengearbeitet, als der Markt für Emerging Market Corporate Bonds institutionalisiert wurde. Jetzt sehen wir mit den illiquiden Credits wieder eine neue Anlageklasse mit einem attraktiven Risk-Return-Profil entstehen, in der noch nicht viele Investoren unterwegs sind.

Sind dann die Fees eher günstig oder teuer?

Schulte: Wenn man zu den ersten Anlegern zählt, sind die Gebühren eher günstig. Grundsätzlich ist diese Anlageklasse allerdings nicht günstig.

Wenn sich das IRR-Ziel von 13 Prozent realisiert, sind die Fees ja auch gut investiert. Wo liegt für Sie ansonsten der Charme von illiquiden Emerging Market Credits?

Schulte: In Europa und in den USA sind wir seit vielen Jahren in Private Lending investiert. Mehr und mehr ist in diesem Segment ein Thema, dass wir als Investor immer schlechter geschützt sind. Bei Emerging Market Illiquid Credits besteht deutlich mehr Sicherheit in Bezug auf die Kreditdokumentation.

Attraktiv ist auch, dass es bei den Kreditnehmern keine Überschneidungen mit den Emittenten in unseren Emerging-Market-Corporate-Bonds-Mandaten gibt. Wir haben neue Kreditnehmer und andere Strukturen. Viele Charakteristika von illiquiden Schwellenländer-Krediten sind anders als gewohnt. Insofern haben wir also eine gute ­Ergänzung zu unserem bisherigen Portfolio.

War dann auch die Due Diligence viel aufwendiger?

Schulte: Bei uns ist es Standard, dass wir illiquide Produkte einer intensiven Due Diligence unterziehen. Dazu zählen auch eine externe rechtliche und steuerliche Prüfung sowie die Prüfung seitens unserer Master-KVG. Die Manager-Auswahl war weniger umfangreich. Es gibt für dieses Segment noch nicht viele Anbieter und ­außerdem besteht eine lange Geschäftsbeziehung zwischen BlueBay und uns. Wir haben schon bei Emerging-Market-Staats- und Unternehmensanleihen zusammen­gearbeitet. Darum fiel es uns eher leicht, mit BlueBay auch in dieses neue Anlagesegment zu gehen.

Wie ist es um das Thema ESG bei den Kreditnehmern bestellt?

Schulte: Nachhaltigkeit ist gerade in den Emerging Markets wichtig. Bei Corporate Bonds ist es einfacher, nachhaltig zu investieren, da die Emittenten ein gewisses ESG-Bewusstsein haben müssen, um sich auf dem internationalen Kapitalmarkt zu refinanzieren. Die Anforderungen nehmen für die Unternehmen generell zu.

Der ­Umgang von BlueBay mit ESG war auch ein gewichtiger Teil unserer Prüfung. Diese fiel zufriedenstellend aus. Wir bekommen auch alle Daten und Berichte, die wir benötigen.

In welchen Sektoren und Regionen ist der Fonds unterwegs? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Emerging Markets?

Florian: Generell streben wir einen ausgewogenen Mix zwischen den Sektoren und Geografien an, was sich auch im bisherigen Portfolio widerspiegelt. Im Moment sehen wir bei Infrastruktur, im Telekommunikationssektor und bei Immobilien außerhalb von China viele Opportunitäten. An Infrastruktur-Assets schätzen wir auch, dass ­deren Erlöse in US-Dollar oder Euro anfallen. Bei immobiliennahen Investments ist das Cashflow-Profil interessant.

Regional betrachtet sind Lateinamerika und Osteuropa interessant, da dort der Wett­bewerb unter Kreditgebern sehr gering ist. Attraktiv ist auch der mögliche Ländermix. Wir können uns sowohl in eher volatilen Regionen engagieren als auch, etwa in der Europäischen Union, sehr stabile Staaten wählen. Auch Asien ist ein riesiger Markt, wobei dort der Wettbewerb schon etwas spürbarer ist.

Welche Perspektiven sieht man als Investor in den Emerging Markets generell?

Löhning: Als Chance für Investoren, da sich diese Staaten möglicherweise zu Developed Markets entwickeln. Darum hoffe ich, dass Emerging Markets als Anlageklasse unter Anlegern weiter an Verbreitung gewinnen. China zeichnet sich durch eine technologisch sehr starke Entwicklung aus, und wirkt gerade in den großen Städten manchmal moderner als Deutschland.

BlueBay Asset Management, Teil des 460 Milliarden US-Dollar umfassenden Global Asset ManagementGeschäfts der Royal Bank of Canada, ist ein aktiver Spezialist für festverzinsliche Wertpapiere. BlueBay verwaltet ein Vermögen von über 120 Milliarden US-Dollar und vereint alternative und traditionelle Vermögensverwaltung.

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