Pension Management
19. April 2011

Die optimale Kapitalstressbewältigung

Niedrige Zinsen und zuletzt Solvency II schnüren Versicherer in ein enges Kapitalanlagekorsett.

Niedrige Zinsen, jährliche Renditeanforderungen und nicht zuletzt Solvency II schnüren Versicherer in ein enges Kapitalanlagekorsett. Trotzdem schafft sich die Gothaer einige Spielräume. Finanzvorstand Jürgen Meisch und Christof Kessler von der Gothaer Asset Management über Aktienquoten, Bilanzierung, Aufsichtsrecht und Alternatives.

Herr Meisch, Herr Kessler, ist Mitte März schon absehbar, wie sich die Katastrophe in ­Japan auf die Gothaer auswirkt?

Meisch: Direkte Auswirkungen gibt es nicht. Wir haben kein aktives Rückversicherungsgeschäft, keine Kapitalanlagen in Japan und zeichnen auch keine Katastrophendeckungen. Eventuelle Produkthaftungen sind heute noch nicht feststellbar, wären aber auf bestimmte Größenordnungen limitiert. Für die Versicherungsbranche könnte es zu ­einem Anstieg der Rückversicherungspreise kommen. Für die Konjunktur und die Kapitalmärkte lassen sich die Folgen Stand heute nur schwer abschätzen.

Kessler:
Absehbar ist, dass Japan die Ausgaben erhöht und somit die Schuldenquote steigt. Wenn Japan für seine Schulden ein knappes Prozent zahlt, ist ein Verschuldungsgrad von 200 Prozent nicht viel. Ein Downgrade könnte die Zinslast aber stark erhöhen.

Dieses Jahr war die Nachrichtenlage für ­einen CFO eines Lebensversicherers schon mal viel erfreulicher: Ab 2012 wird der Höchstrechnungszinssatz auf 1,75 Prozent gesenkt.

Meisch: Hier gab es weder Freudenschreie noch Tränen. Wir zahlen keinem Kunden 2,25 oder 1,75 Prozent. Nach wie vor wird es Überschüsse geben. Der Markt verlangt derzeit eine Gesamtverzinsung von etwa vier Prozent. Ob diese sich jetzt aus einer ­Garantie von 2,25 und einem Überschuss von 1,75 Prozent oder vice versa zusammensetzt, spielt keine Rolle. Nur wenn wir keine Überschüsse mehr zahlen würden, wäre es ein Vorteil, wenn wir für die neuen Verträge ein halbes Prozent weniger zahlen müssten. Das ist aber reine Theorie.

Ansonsten spielt das Aufsichtsrecht aber ­eine große Rolle. Zum Beispiel hat die ­Gothaer im guten Aktienjahr 2009 die Aktienquote ­gesenkt, um das Risikokapital zu reduzieren. Wurde man wieder einmal zum ungünstigsten Zeitpunkt aus Aktien gekegelt?

Meisch: Ja und Nein. Im Zuge der Finanzkrise haben wir 2008 die Aktienbestände ­abgesichert. Aus regulatorischen Gründen konnten wir uns unsere damalige Aktien­quote ungesichert nicht leisten. Wir sind ja bekanntlich stark in Credits unterwegs und konnten in großem Stil keine Aktienrisiken nehmen. 2009 wurden bilanzneutral die ­Sicherungen aufgelöst und gleichzeitig die Aktien verkauft. Als ich hier 2004 angefangen habe, hatte die Gothaer knapp 30 Prozent Aktien. Heute weiß jeder, dass die Folgejahre tolle Aktienjahrgänge waren. Ich manage aber immer in die Ungewissheit hinein. Deshalb ist der Spielraum für Aktien damals wie heute ­begrenzt. Heute verengt Solvency II den Spielraum für Risiko-Asset-Klassen wie ­Aktien noch weiter. Unsere Quote liegt ­derzeit unter einem Prozent.

Sie hätten weiter Puts nutzen können, um wenigstens Dividenden einzusammeln.

Meisch: Aber Absicherungen sind lange sehr teuer gewesen. Vollkaskoversicherungen lassen sich nur mit Verkäufen von Calls ­finanzieren. Mit solchen Collar-Strategien ­generiert man dann am Ende nur wenig mehr als im Geldmarkt. Unser Aktien-Exposure ist ungesichert, dafür aber sehr niedrig.

Den Zahlungsströmen einer Versicherung entsprechen Credits besser als Aktien. War für Sie vor 2008 aber vorstellbar, dass die Spreads einmal so stark aufgehen?

Meisch: Dieses Ausmaß war sicherlich überraschend. Gerade im Finanzbereich war eine solche extreme Entwicklung vorher nicht absehbar. Aber selbst wenn jemand alles ­vorhergesehen hätte: Wir haben laufende Zahlungsverpflichtungen abzudecken und laufende Verzinsungen zu erwirtschaften. Ich kann also nicht einfach einen Großteil der Assets im Geldmarkt parken. Ein passendes und hilfreiches Investment wären aber – im Nachhinein – Credit Default Swaps gewesen.

Heute sind die Spreads stark gesunken. Wenn Sie alle Credits als Held-to-Maturity verbucht hätten, wären der Gothaer die Kursschwankungen erspart geblieben. Sie verbuchen aber sehr viel in der Kategorie „Zur Veräußerung verfügbare Finanzinvestitionen“.

Meisch: Keine Verbuchung schützt vor Defaults. Die Eigenkapitalschwankungen hielten sich auch in Grenzen. Relevanter ­waren die ergebniswirksamen Abschreibungen. Wir nahmen auch Rückkaufangebote an, um nicht der letzte Nachrang-Holder zu sein. So haben wir aber auch Verluste realisiert. Manchmal war es auch wirtschaftlich sinnvoller, nach Absprache mit dem Wirtschaftsprüfer Papiere aus der Held-to-Maturity-Kategorie zu nehmen. Der Großteil des Portfolios ist aber gut durch die Krise gelaufen.

Kessler:
Wir orientieren uns auch schon an 2013. Dann gibt es nach IFRS kein Held-to-Maturity mehr. Diese Umstellung nehmen wir jetzt schon vorweg. Für Held-to-Maturity greift die Tainting Rule, aufgrund der wir zwei Jahre keine Assets mehr nach Held-to-Maturity klassifizieren dürfen, wenn ein nicht unwesentlicher Teil der Held-to-Maturity-­Anlagen vor Fälligkeit verkauft oder umgebucht wurden. Wir wollen aber unsere Handlungsfähigkeit erhalten. Künftig gibt es nach IFRS nur noch die Kategorien „Available for Sale“ und „Fair Value“. Wertpapiere der ersten­ Kategorie wirken auf das Eigenkapital, Wertpapiere der zweiten Kategorie auf die G+V.

Ist der Bilanzvorteil von Schuldscheindar­lehen dann überhaupt noch interessant?

Kessler: Nur nach HGB. Für HGB-Bilanzierer bleiben Schuldscheindarlehen interessant, weil man nicht ständig bewerten muss. In unserer Vorgehensweise haben Schuldscheindarlehen aber keinen Vorteil mehr – zumindest bilanziell. Die Anlageverordnung erfordert aber eine Mischung an Asset-Klassen, und Schuldscheindarlehen sind eine ­eigene Asset-Klasse. Inhaberpapiere allein bringen keine Mischung. Außerdem findet man am Bondmarkt nicht jeden Emittenten in der gewünschten Größenordnung. Wir ­gehen dann auch mal zu einer Bank und ­sagen, dass sie noch vier oder fünf weitere ­Investoren suchen soll, so dass ein Schuldscheinvolumen von 500 Millionen zusammenkommt, wovon wir dann eine für uns ­relevante Größe abnehmen. So kommen wir an rare Emittenten und nehmen dafür auch eine etwas geringere Rendite in Kauf.

Schwankungen absorbiert auch der Paragraf 341 b HGB. Diesen zieht auch die Gothaer.

Meisch: Den Paragrafen nutzen wir in sehr geringem Maße ausschließlich für festverzinsliche Wertpapiere, weil uns ­kurzfristige Wertentwicklungen im Grunde nicht interessieren. Wir rechnen uns weder mit stillen ­Reserven aus diesem Segment schön, noch rechnen wir uns durch stille Lasten schlecht. Bei Problemen mit der Kreditqualität schreiben wir natürlich ab. Für unsere Hedgefonds hätten wir 2008 auch den 341 b nutzen ­können – haben wir aber nicht.

Zum regulatorischen Rahmen zählt auch bald Solvency II. Wie die meisten Branchenvertreter hat sich auch die Gothaer immer von Solvency II grundsätzlich überzeugt gegeben und findet nun immer mehr Kritik.

Meisch: Wir unterstützen und begrüßen Solvency II. Solvency II ist ein Level-Playing-Field und erlaubt europaweit eine Vergleichbarkeit der finanziellen Stärke von Versicherungsgesellschaften. Angesichts der Höhe der Kapitalanlagen ist das nach Solvency I ­erforderliche Kapital, das knapp vier Prozent der Beiträge entspricht, auch ziemlich gering. Basel II erfordert für Banken mehr Kapital, und Banken stehen bereits vor Basel III. Die administrative Komplexität ist aber störend. Der Aufwand für ein internes Modell ist sehr hoch. Wir haben nicht nur wegen der Höhe der Eigenkapitalunterlegung, sondern auch um ein Steuerungsmodell zu haben, ein Interesse daran, dass das Modell unserem Geschäft, unserer Aufstellung, entspricht. Mit dem Standardmodell können nur sehr ­wenige Versicherer wirklich steuern, weil nur wenigen Versicherern der Durchschnittswert aller individuellen Geschäftsmodelle gerecht wird. Die Anforderungen für ein internes Modell oder ein Partialmodell sind aber viel zu hoch. Außerdem ist die Versicherungsbranche ja auch ohne Solvency II ganz gut durch die vergangenen 200 Jahre gekommen.
Weniger tragisch ist der Punkt, ob die ­Eigenkapitalunterlegungen für manche ­Asset-Klasse zu hoch oder für manche Staatsanleihen zu niedrig sind. Hier wird es noch zu Korrekturen kommen. Ebenfalls korrigierbar sind Fehler bei den Rechenmethoden.
Richtig ist, dass die Kritik immer massiver geäußert wird. Das hängt aber auch mit den QIS-Studien zusammen, die in der ­Praxis gezeigt haben, wo die Probleme dieses Regelwerks liegen. Wir gehen davon aus, dass ­Solvency II in Nuancen noch verändert wird. Wir sind vorbereitet und haben unsere Anlage­politik Solvency-II-fähig positioniert.

Forciert Solvency II aus der Sicht des Gen-Re-Capital-Gründers die Auslagerung der Kapitalanlage? So ließe sich Solvency-II-Expertise einkaufen.

Meisch: Schwer zu sagen. Bei den Anlageklassen wird man immer enger in ein Korsett gezwungen. Staatsanleihen muss man auch nicht zwingend outsourcen. Ich weiß nicht, ob ein Voll-Outsourcing im Moment sehr vielversprechend ist. Ich hatte dazu einmal eine andere Meinung.
Warum ist für Versicherungsvereine auf ­Gegenseitigkeit Solvency II eine noch größere Herausforderung?

Meisch: Nach vorsichtiger Schätzung ­erfordert das Projekt „Solvency II“ bei uns ­einen zweistelligen Millionenbetrag. Für ­kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ist ein solcher Aufwand aber nicht darstellbar. Denen fehlen Geld und Mitarbeiter. Der Markt für Mathematiker ist leergefegt.
Wie weit ist die Gothaer?

Meisch: Wir hören, dass wir in der Vereinswelt sehr weit vorne sind. Das erste Interview bei der Bafin steht in Kürze an. Dann ­beginnt der Zertifizierungsprozess. Wir ­arbeiten an einem Partialmodell.

Der GDV kritisiert unter anderem, dass bei Lebensversicherungen bei der Bewertung langfristiger Verpflichtungen die Methodik zur Ermittlung der Zinsstrukturkurve zu stark schwankenden Ergebnissen führt.

Meisch: Hier geht es aus meiner Sicht ­darum, dass die Zinsstrukturkurve für Verpflichtungen von 40, 50 oder 60 Jahren keine Beobachtungspunkte mehr bietet. Je nach Ansatzpunkt sorgt der Diskontierungseffekt bei diesen langfristigen Verpflichtungen aus zum Beispiel Riester-Produkten dann für einen enormen Hebel und somit große Schwankungen. Der Punkt hier ist der bei diesen Langfristverpflichtungen unvermeidliche Missmatch zwischen Assets und Liabilities.

Diese Lücke lässt sich doch mit Constant ­Maturity Swaps schließen.

Kessler: Für diese Derivate gibt es aber keine natürliche Gegenseite. Bei Banken wusste vor zwei Jahren niemand, ob die ihren Swap-Verpflichtungen nachkommen. Wer matchen will, löst ein Problem und schafft viele neue Probleme. Kontrahenten­risiken werden nach Solvency II übrigens überhaupt nicht richtig abgegolten.

Ein Collateral Management hilft bei OTC-­Besicherungen.

Kessler: Die Investmentbanken haben uns ihre Wertpapierleiheprogramme vorgestellt. Basel III stellt hier aber hohe Ansprüche. Das Thema hätte sich für uns nur ­gelohnt, wenn wir Kontrahentenrisiken ignorieren. Warum sollten wir das?

Was würde es bedeuten, wenn die Zinsstrukturkurve um einen Prozentpunkt steigt?

Meisch: Wir würden uns freuen, rentier­licher und länger anlegen zu können. Unsere Duration liegt unter dem Marktdurchschnitt. Der Marktwert unseres Portfolios würde also weniger leiden. Zudem haben wir den 341 b.

Wurde die Duration zu früh verkürzt?

Meisch: Wer schafft es bei Aktien, beim Top auszusteigen? Das ist eine müßige Diskussion. Wir waren gut positioniert, als im Herbst die Rendite von Bundesanleihen von 2,1 auf 3,3 Prozent gestiegen ist. Im Hinblick auf das Bestreben, die Eurozone stabil zu halten, kann ein weiterer Renditeanstieg bei Bonds nicht überraschen. Dann würden wir unsere Duration auch wieder verlängern.

Inwiefern beeinflussen die Liabilities, inwiefern Ihre Prognosen die Duration der Assets?

Meisch: Wir arbeiten mit einer Benchmark-Duration und Bandbreiten, innerhalb derer wir taktisch unsere Zinsmeinung ­umsetzen. Unter eine Duration von vier Jahren können wir als Personenversicherer aber auf keinen Fall gehen.

Wie wird die Duration, außer über Neueinkäufe, gesteuert?

Meisch: Derivate nutzen wir im Moment weniger. In vielen Segmenten nutzen wir Floater. Loans haben wir noch nicht. Hier stellt sich mal wieder die Risikokapitalfrage.

Ist Solvency II ein Zwangskaufprogramm von Piigs-Emissionen? Nehmen die Staaten Versicherer in Sippenhaft?

Meisch: Viele Häuser bauen Peripheriestaaten auf. Es ist ja im Interesse einer europäischen Gemeinschaft, die insgesamt eine hohe Schuldenlast zu tragen hat, dass sie ­weiterhin allen Staaten die Möglichkeit gibt, von großen Kapitalsammelstellen finanziert zu werden. Unser Ausgangspunkt ist, dass die Eurozone hält.
Kessler: Mitte März wurden weitere Transferleistungen beschlossen. Deutschland ist also auch im Risiko. Wir verschulden uns mehr, und die anderen entschulden sich. Wo wollen Sie investiert sein, wenn die Renditen bei uns steigen und in den Peripherieländern fallen?

Bei den anderen – wenn wider aller Erwartung kein Hair Cut kommt.

Kessler: Defaults haben wir eingeplant. Selbst nach Defaults sind diese Staaten zu heutigen Preisen nicht unattraktiv. Bei manchen Emissionen müsste der Hair Cut über 30­Prozent betragen, damit man Geld verliert.

Meisch:
Solvency II darf nicht nur darauf fokussiert werden, ob man in Griechenland-Anleihen getrieben wird. Ordnungspolitisch wesentlich bedenklicher ist, dass es den ­größten europäischen Kapitalsammelstellen extrem erschwert wird, Unternehmen auf ­deren Eigenkapitalseite zu finanzieren. Dies hat eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung und ist das viel größere Problem.

Kessler:
Wir dürfen auch nicht nur die an uns gestellten Risikokapitalanforderungen betrachten, sondern müssen uns auch über das Risikoverhalten des Anlegers Gedanken machen. Es ist fraglich, ob für einen 25-jährigen Sparer die durchschnittliche Aktienquote von vier Prozent der Versicherer adäquat ist. Die für den jungen Sparer eigentlich ­passende Aktienquote von 60 oder 70 Prozent gibt aber der Deckungsstock nicht her. Allerdings gibt es schon seit längerer Zeit fondsgebundene Versicherungen als Alternative.

Wo wären denn Änderungen bei den Unterlegungsquoten angebracht?

Kessler: Unser Immobilienkollege ­Michael Morgenroth denkt natürlich, dass ­bestimmte Immobilienanlagen anders als vorgesehen gestresst werden sollten. Die ­Immobiliensicht in Solvency II ist etwas ­angelsächsisch geprägt. Diese Sichtweise trifft auf unser Immobilienportfolio aber insgesamt nicht zu. Wir sind guter Dinge, dass hier noch Änderungen anstehen.

Dabei ist Real Estate wegen der planbaren Cashflows für Versicherer sehr interessant.

Kessler: Hier muss man differenzieren zwischen einkommensorientierten Immobilien und Immobilien mit Entwicklungscharakter. Wir legen in fast allen Anlageklassen Wert auf Income, auf stabil prognostizierbare Cashflows beziehungsweise den Carry. Entwicklungen von Shopping-Centern passen weniger zu uns. Solche Investments könnten wir aber in diversifizierter Form verbriefen, und wir kaufen dann die oberen CMBS-Tranchen (Commercial Mortgage Backed Securities). Im Private-Equity-Portfolio wollen wir in konservative Unternehmen mit stabilem ­Geschäftsmodell und nicht in Venture Capital investieren. Bei Fixed Income sind uns Pfandbriefe lieber als Agencies und Darlehen, ­sogenannte Senior Secured Loans, lieber als High Yields. Bei Neuinvestments führt uns unsere einkommensorientierte Denke dazu, über Infrastruktur und Renewables nachzudenken. Früher haben wir vielleicht mehr kapitalmarktoptimierende Strategien gesucht, heute optimieren wir nach Kapitalstress. Bei jedem Asset schauen wir auf die Kapitalkosten. Wir optimieren sozusagen das Carry für das Kapital, das wir nach Solvency II bereithalten ­müssen.
Heute arbeiten wir noch mit einem Proxy für Solvency II, weil wir ­erwarten, dass Solvency II sich noch etwas ändert. Dieses Proxy ist restriktiver als das derzeitige Solvency II, da für uns Portugal doch ein anderes Kredit- und Liquiditätsprofil als Deutschland hat.

Aufsichtsarbitrage ist also in Form eines ­internen Modells und Verbriefungen geplant?

Kessler: Solvency II erhebt den Anspruch, das Underlying zu sehen. Wir könnten jetzt der Frage nachgehen, wie viel Financial-Engineering-Technologie benötigt wird, um Solvency II zu arbitrieren. Aber das ist nicht ­unser Spiel. Wir wollen das tatsächliche ­Investment, das Underlying, stressen.

Wann investieren Sie in Renewables?

Kessler: Wir sind ja schon durch unser Versicherungsgeschäft massiv engagiert. Die Gothaer Allgemeine versichert Anlagen­betreiber und -bauer. Unsere Mitarbeiter ­kennen die Sonneneinstrahlung in ­Spanien und die Windkraft der Nordsee. Auf der Anlage­seite sind wir hier aber noch in der Prüfphase.
Regulatorisch war es uns vor kurzem noch nicht erlaubt, Darlehen zu vergeben. Außerdem waren bestimmte Banken dominant bis sogar aggressiv als Finanziers unterwegs. Nun sehen wir aber, dass sich diese Banken aus dem Markt zurückgezogen haben und die Möglichkeit, dass über gemischte Sondervermögen das Kreditvergabeverbot aufgeweicht wird. Beteiligungen halten wir für weniger attraktiv, weil zu viel Rendite im Fonds hängen bleibt.

Der Einspeisevergütungszug ist aber schon abgefahren.

Kessler: Die Einspeisevergütung darf aber für einen Versicherer nicht die Grundlage sein. Renewables sind ein Langfristinvestment, und langfristig sollte man sich auf den Gesetzgeber als Subventionierer nicht verlassen. Grundsätzlich gehören alternative Energieanlagen künftig in ein Portfolio.

In den klassischen Alternatives ist die Gothaer schon lange engagiert. Wo liegt derzeit die Private-Equity-Quote, und wie viel läuft noch über das Spin-off Capiton?

Meisch: Unser Anteil an Private Equity im engen Sinne ist deutlich unter einem ­Prozent. Wenn man die direkten Finanzbeteiligungen hinzurechnet, kommen wir auf knapp zwei Prozent. 2010 haben wir ein paar neue Fonds gezeichnet und nach Branchen und Regionen diversifiziert. Für dieses Jahr prüfen wir eine weitere Diversifizierung nach Kapitalstrukturen, wie zum Beispiel Mezzanine. Zur Zielfondsselektion haben wir wie bei Real Estate ein internes Team.
Wir sind noch an einem Capiton-Fonds in der Auszahlungsphase beteiligt. Traditionell haben wir sehr viele Unternehmensdirekt­beteiligungen gemacht. Seit ich hier bin, ­gehen wir nur noch im Financial-Services-Sektor solche Beteiligungen ein. Wenn wir ein interessantes Geschäftsmodell sehen, das uns temporär strategisch weiterhilft, machen wir das. Ein gutes Beispiel ist hier Prime ­Capital. Natürlich wollen wir auch Gewinne erzielen. Mit ECM konnten wir einen sensationellen Buchgewinn einfahren. Ich hoffe, dass bald mal wieder ein großer Zahltag ­ansteht.

Wie lautet die Hedgefonds-Strategie?

Kessler: Bei Hedgefonds suchen wir keinen Carry, sondern direktionale Manager. Auf diese wollen wir uns künftig konzentrieren. Es ist aber nicht einfach, investierbare Manager mit gutem Track Rekord und ungesättigtem Risikoappetit zu finden. Bei vielen Hedgefonds hat sich durch die Stressjahre deren innovatives Risikoprofil derart reduziert, dass sie sich weit von dem entfernt haben, was wir uns unter einem Hedgefonds vorstellen.

Amaranth war sehr direktional, hat sich aber mit einseitigen „Gaswetten“ verspekuliert.

Kessler: Wir kontrollieren die Hedgefonds, suchen den Dialog und kennen deren Hebel. Außerdem liegt es an uns, über Stile und Manager zu streuen. Wenn jeder Hedgefonds aber so tut, als wäre er unser Gesamtportfolio, legen wir unser Geld besser dort an, wo die Renditeerwartung gleich, die Eigen­kapitalunterlegung aber niedriger ist.

Würden Aktien auch eher direktional gestaltet werden?

Kessler: Ja. Eine höhere strategische Quote ist vorstellbar. Ich hätte gerne noch etwas mehr direktionales Kapital, wenn wir mit den Carry-Anlagen unsere Nettoverzinsung ­abdecken können. Die Eigenkapitalanforderungen sind aber für Aktien hoch, und man muss sich sicher sein, dass man nicht bei ­ungünstigen zyklischen Momenten durch die Gesetzgebung und die Eigenkapitalanforderungen ausgebremst wird. Solche Strategien sollte man aber auch lange halten können. Im Moment lernen wir noch, wie viel Aktien wir wie lang halten können.

Schöne Carrys bringen Schwellenländer­anleihen. Wie lässt sich aber ein fairer Hugo-Chavez-Spread berechnen?

Kessler: In dieser Anlageklasse beschäftigen wir drei Manager, von denen zwei in Venezuela investiert sind. Denen habe ich diese Frage auch gestellt. Sie sagten mir, dass sie das technisch machen und ­ volkswirtschaft­liche Daten berücksichtigen. Für mich als Direkt­investor ist aber allein die Willkür eines Präsidenten wie Chavez ein K.O.-Kriterium. Unser Emerging-Markets-Gesamtport­folio haben wir fast um die Hälfte reduziert. Gründe sind die aufkommenden Kapitalverkehrskontrollen und weil das Portfolio im Schnitt in den Investmentgrade hineinkam. Wir haben uns aber ähnlich wie bei den Hedgefonds ein anderes Risikoprofil vorgestellt. Nun gestalten wir das Portfolio so um, dass es wieder der Ursprungsidee entspricht. Local Currency ist uns von der Kapitalunter­legung zu teuer und von der Duration der Bonds zu kurz. Nicht jede Währung ist auch liquide, und falls der Euro steigt, würde der Anstieg in der Regel gegenüber vielen EM-Währungen erfolgen.

Wie werden die Investments administriert?

Meisch: Wir haben nun drei KAGen, von denen zwei nach dem Master-KAG-Prinzip arbeiten. Eine Master-KAG administriert die Gothaer Leben, die andere den Rest. Derzeit ist es interessant zu sehen, wie die arbeiten und wo die Unterschiede liegen. Eines Tages könnte eine Konsolidierung anstehen.

Welche Aufgaben erfüllt die Gothaer Asset Management?

Kessler: Wir managen die europäischen Credits im Investmentgrade und selektieren die Asset Manager für die Segmente, die wir auslagern. Wenn wir Spezialitäten, wie zum Beispiel ABS, selbst machen würden, wäre der Aufwand durch das Volumen nicht gerechtfertigt. Wir managen ebenfalls unser Zins­risiko und ­managen Private Equity und ­Immobilien ­gemeinsam mit externen Asset Managern. Es ist ein Vorteil, in einer Asset-Klasse gut zu sein, weil das auch hilft, andere Asset ­Manager einschätzen zu können. Wenn draußen ein für uns interessanter Ansatz auftaucht, nehmen wir den hinzu. Nach 20 ­Jahren als Asset ­Manager genieße ich es geradezu, nun auf der anderen Seite des Tisches zu sitzen.

Mittlerweile bietet die Gothaer auch Publikumsfonds an. Sind die auch einmal für ­andere Versicherer gedacht?

Kessler: Mit unserem Angebot wollen wir den Anlageprofilen unserer Kunden entsprechen. Wir vertreiben auch Publikumsfonds anderer Anbieter, haben aber vor drei Jahren unser Portfolio, das bislang aus Renten-, ­Aktien- und Sachfonds bestand, um drei vermögensverwaltende Fonds erweitert. Über diese Fonds können unsere Kunden direkt von unserer Expertise als Kapitalanleger profitieren.
Der Verkauf der Publikumsfonds erfolgt durch unseren Außendienst, Makler und Banken direkt oder auch als Teil unserer fondsgebundenen Produkte. Für institutionelle Investoren sind die Fonds aber nicht ­gedacht.

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