29. November 2013

Die vier Grundelemente und ihr ewiger Kreislauf

VAG-Anleger schätzen Erneuerbare Energien als Fixed-Income-Ersatz und Family Offices als Real Asset. Diese ­unterschiedlichen Sichtweisen führen zu unterschiedlichen Vorgehensweisen. Das „Weshalb“ und „Wie“ eines Family Offices im Vergleich zu einem regulierten Investor lässt sich am Beispiel der Recycling-Dynastie Schoeller studieren.

Erneuerbare Energien sind des institutionellen Investors Liebling. Auch Historikern ist unbekannt, wann regulierte Anleger in Deutschland, die eher als abwartend bekannt sind, zuletzt auf ein neues ­Investmentthema so angesprungen sind. Die Gründe, von der ­sonstigen Die-zweite-Maus-bekommt-den-Käse-Strategie abzu­wei­chen, dürfen im Anlagenotstand, in dem mit Infrastruktur assoziierten ­attraktiven Rendite-Risiko- und Cashflow-Profil vermutet werden. Wie ­Umfragen ergeben, schätzen Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke an Solarparks und Windparks in erster Linie die den Rechnungszins übersteigenden Renditen, eine zur Verpflichtungsseite passende Duration, stetige Cashflows und das Diversifika­tionselement zum restlichen Portfolio.
Bei deutschen Parks ist zudem die Rechtssicherheit, die das EEG – bislang – bietet, äußerst ­attraktiv. Anders ausgedrückt: Geschätzt werden Eigenschaften, die der Asset-Klasse Fixed-Income etwas verloren gegangen sind. Was jedoch nicht verloren gegangen ist (und eben zu Renewables geführt hat), sind die Denkstrukturen der in der Credit-Welt verhafteten regulierten ­Anleger. Diese sind durch Bonitäten, Durationen und Ausschüttungen geprägt. Aus dieser Perspektive mag es überraschen, dass auch ein Family ­Office aus seiner völlig anders geprägten Erlebniswelt zu den gleichen Erneuerbaren-Energien-Assets kommt. Dabei ist die Ableitung des ­Investment Case mindestens genauso konsequent wie bei VAG-Anlegern; Unterschiede zeigen sich jedoch in der Umsetzung.

Allgemein steht für Family Offices der reale Kapitalerhalt im Vordergrund. Naheliegend sind darum, insbesondere für eine Anlegergruppe, die alle Anlagefreiheiten genießt, Real Assets. Family Offices denken aber nicht nur in Inflationsschutz-Assets, sondern suchen bei Real Assets auch den Schutz vor Systemzusammenbrüchen, um das Vermögen an kommende Familiengenerationen weitergeben zu ­können. „Strom ist neben Wasser, Luft und Nahrung für die Menschheit ein Grundelement geworden.
Da Sonne und Wind, anders als Kohle und Gas, nichts kostet, sind Wind- und Solarparks Real Assets, die auf Dauer attraktiv sind und die auch im Systemzusammenbruch weiter betrieben werden können“, argumentiert Frank Trauboth, ­Partner der Schoeller Clean Power GmbH & KGaA, eine Gründung des Family Offices der Unternehmerfamilie Schoeller. Als Beispiel für die Grundelementthese verweist Trauboth auf Griechenland, wo Staatsanleihen zwar einem Hair Cut unterzogen wurden, Windkraftwerke dort jedoch seit 2003 eine 50-prozentige Wertsteigerung durch Strompreiserhöhungen aufwiesen. Der Spruch „Der Letzte macht das Licht aus“ bekommt somit einen neuen Dreh. 

Bei der Familie Schoeller hat das Interesse an Renewables-Kraftwerken aber auch noch einen speziellen Hintergrund. Der in Pullach ansässige Familienzweig ist stark im Recycling-Geschäft (Schoeller Plast Industries) engagiert. Das Denken in Kreisläufen mit einem ­großen Fokus auf die Ressourcenschonung spielt auch bei Erneuerbaren Energien eine große Rolle. „Mein Bruder und ich sind seit 30 Jahren im Recycling-Geschäft und haben dabei immer die Umwelt in den Vordergrund gestellt. Umwelt und Mehrweg haben eine gemeinsame Schnittmenge“, erklärt „Patron“ Martin Schoeller, zu dessen „Umwelt-Erweckungserlebnissen“ eine Grönland-Visite zählen sowie eine ­Rede von Al Gore, den Schoeller 2005 in Davos kennenlernte.
Die ­Ursprünge der Familie Schoeller gehen auf die Firmen Gebrüder Schoeller, ­Düren, gegründet 1799, und Alexander Schoeller & Co., Jülich, ­gegründet 1880, zurück. Heute wird die Schoeller-Gruppe von Martin und Christoph Schoeller sowie deren Familien gehalten, die die ­Gruppe in der siebten Generation führen. Ein Teil des Familienvermögens liegt beispielsweise auch in vier Photovoltaik-Solarkraftwerken in Italien. 2010 investierten die Schoellers in Solarparks mit insgesamt vier Megawatt in Apulien und den Abruzzen. „Im Vorfeld musste ein sehr komplizierter administrativer Aufwand betrieben werden“, beschreibt Schoeller seine Italien-Erfahrungen. „Dafür erlösen die Parks nun im laufenden Betrieb mehr als geplant.“ Diese Solarparks – und seit kurzem sechs weitere Kraftwerke von dritten Investoren – werden operativ durch Schoeller in einer eigenen Leitwarte betrieben.

Nicht deckungsgleich ist bei regulierten Anlegern und Family ­Offices im Allgemeinen auch die Wahrnehmung von politischen Risiken. Regulierte Anleger schätzen aus dieser Perspektive die Rechts­sicherheit der Bundesrepublik – insbesondere nach spanischen „Abenteuern“. Darum ist auch zu verstehen, dass die Überlegungen des Bundesumweltministers, die Einspeisevergütung des EEG auch rückwirkend zu ändern, den Investoren spanisch vorkamen und bis auf ­weiteres zu einem Investitionsstopp geführt haben. Family Offices sind zwar sehr heterogen, neigen aber eher dazu, politischen Risiken generell und nicht nur außerhalb Deutschlands zu misstrauen. Dies ist auch bei Schoeller der Fall. „Wenn heute ein neues Kraftwerk ­gebaut wird, dann handelt es sich zu 90 Prozent um ein Gaskraftwerk oder um Renewables“, so Trauboth. „Bei Gas bestehen aber neben ­Währungsrisiken auch hohe politische Risiken.“ Diese zeigten sich zuletzt sogar in einem Land wie Norwegen.
Dort stellte Anfang dieses Jahres das Ministry of Petroleum and Energy den Investoren des Gasnetzwerks Gassled, unter anderem die Allianz und Adia (Abu Dhabi ­Investment Authority), eine Tarifreduzierung von 90 Prozent in ­Aussicht. Politisch-regulatorische Risiken bestehen aber, wie in Spa­nien oder Tschechien gesehen, auch bei Erneuerbaren Energien. Um sich jedoch von staatlichen Versprechen unabhängig zu machen, versteht sich Schoeller nicht als Subventionsjäger, sondern verfolgt einen unternehmerisch geprägten Ansatz, den man eher mit der Asset-Klasse Private Equity verbindet – allerdings ohne Financial Engineering.

Das „Ausschüttungselement“ von Erneuerbaren Energien schätzen nicht nur VAG-Anleger, sondern es kommt auch manchen ­Family Offices, die ebenfalls ihre Liabilities beziehungsweise Ausgaben bedienen müssen, zupass. Denn allgemein gilt: Family Offices sind zwar reich, haben aber oft kein Geld. Die Unternehmerfamilie Schoeller hat wiederum einen großen Teil ihres Vermögens in volatile Unternehmen investiert – und da sind regelmäßige Ausschüttungen umso mehr willkommen.

Die strategische Ausrichtung der Kapitalanlagen von Family Offices ist sehr unterschiedlich. Von einer kompletten Allokation in Staatsanleihen bis hin zu 100 Prozent Hedgefonds ist alles gegeben. Die oft einzige Konstante: Solange der Gründervater noch dabei ist, ist eine sehr unternehmerische, zu Direktbeteiligungen führende Prägung erkennbar. Den Schoellers scheint das Unternehmer-Gen in den vergangenen Jahrhunderten nie verloren gegangen zu sein. Demzufolge werden auch Kraftwerke wie ein Industrieunternehmen betrachtet und entsprechend gemanagt. Wo kaufmännisch und technisch sinnvoll, führt man eigenen Angaben zufolge Leistungssteigerungen, Modernisierungen und Laufzeitverlängerungen durch oder kauft und verkauft Kraftwerke, um Portfoliowertsteigerungen zu heben. „Wir sind kein Asset Manager, sondern Kraftwerksbetreiber, unser Team ist auf Kraftwerksbetrieb und Markt-Knowhow ausgelegt, nicht auf Projektfinanzierung“, so Trauboth, der noch einmal hinzufügt, dass man an Kraftwerke unternehmerisch herangehen muss.
Der IRR spielt trotzdem keine unmittelbare Rolle – Trauboth hält diese Kennzahl für ­Kraftwerke für unpassend –, da im Fokus die laufenden Ausschüttungen stehen. Technisch optimieren lässt sich laut Trauboth eine Menge, und nennt zum Beispiel richtig verschaltete und ausgerichtete Module und ­eingestellte Wechselrichter. Letztere sind mittlerweile auch schon so robust und tendenziell günstiger, dass es für Trauboth Sinn hat, statt Versicherungen zu bezahlen lieber Rückstellungen zu bilden. Diese lassen sich im Idealfall dann wieder renditesteigernd auflösen.

Bei Renewables hat Schoeller nun ein weiteres Feld für unternehmerisches Engagement entdeckt. Schoeller Clean Power will den Unter­nehmeransatz auch institutionellen Drittinvestoren anbieten und legte dafür – neben der Möglichkeit für individualisierte Direkt­investments über Managed Accounts – mit Unterstützung von Avana Invest einen Sicav-Sif-Umbrella-Fonds auf, der maßgeschneiderte, ­individuelle Zugänge und Beteiligungsmöglichkeiten für Solar- und Windkraftwerke in Europa bieten soll. Das First Closing des ersten Teilfonds erfolgte bereits. Doch warum nimmt man Dritte an Bord, wenn interessante Parks knapp sind? Schoeller kann im Ausland ­einen Asset-Engpass nicht erkennen, und Trauboth erklärt, dass man zu 100 Prozent mit Eigenkapital kauft und als langfristiger industrieller Partner ein Sweet Spot für Verkäufer, wie zum Beispiel Hersteller und Generalunternehmer, sei. An Bieterverfahren beteilige man sich nicht. Später ist als Fremdkapital aber im Einzelfall auch ein Schuldschein über circa 35 Prozent im Kraftwerk denkbar. Trauboth sieht aufgrund des eigenen Ansatzes vortreffliche Einkaufskonditionen von operativen Kraftwerken in zum Beispiel England, Polen und Italien.

Mit „Unternehmertum“ und „Renewables“ verbindet man in der Öffentlichkeit eigentlich Versorgungsunsicherheit und gestiegene Stromkosten. Recycling-Unternehmer Schoeller tickt jedoch anders: „Diese Panik kann ich nicht teilen. Gaskraftwerke sorgen im Notfall für Netzstabilität, und aus Unternehmersicht ist es eine ­Fehlkalkulation, hier Kosten statt Zukunftsinvestitionen zu sehen. Künftig wird Strom wieder billiger. Außerdem investieren wir hier für kommende Generationen, denen wir nicht nur Schulden hinterlassen wollen.“  

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2013

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