Corporates
19. Dezember 2022

Diversity als fester Bestandteil von ESG

Investoren verstehen den Nachhaltigkeitsdreiklang ESG immer stärker als elementaren Teil des Engagement-Prozesses mit Unternehmen. Das Thema Diversity gewinnt hierbei an Bedeutung, zeigt Kay Bommer vom Deutschen Investor Relations Verband.

Investoren verstehen ESG immer stärker als elementaren Teil des Engagement-Prozesses mit Unternehmen. Aktuell beeinflussen zwei Trends diese Entwicklung rasant: die Präferenzen von jungen Generationen, die ihr Geld in nachhaltige Anlagen investieren wollen, und zum anderen eine absehbare Welle regulatorischer Vorgaben, die neue Standards in der Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen bringen werden.

In diesem Kontext rückt auch das Thema Diversity als Bestandteil von Human Capital Management (HCM) immer stärker in das Blickfeld von Investoren. Deren Sicht wird dabei grundsätzlich von Aspekten der Risikovermeidung getragen, beispielsweise ob gesichert diskriminierungsfreie Personalprozesse und Gehaltsstrukturen gegeben sind. Aber auch die Frage der Werttreiber steht im Raum: Wie kann ein vorbildlicher Diversity-Ansatz den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen?

Der CEO des weltgrößten institutionellen Investors Blackrock, Larry Fink, hat sich und sein Unternehmen in dieser Hinsicht als Vorreiter klar positioniert und ambitionierte Forderungen an Investments gestellt. So widmet er in einem Brief aus dem Januar 2022 an „seine“ CEOs einen ganzen Abschnitt der Beziehung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen: „ … How are you ensuring that employees of all backgrounds feel safe enough to maximize their creativity, innovation, and productivity? How are you ensuring your board has the right oversight of these critical issues? … How is your company’s culture adapting to this new world?”. Aber auch der Ruf der breiteren Investoren-Landschaft nach belastbaren Informationen in diesem Themenfeld ist deutlich hörbar. Und längst gibt es Anbieter, die für Investoren unternehmensspezifische Informationen zu Workforce-Themen erheben und nicht zuletzt auch entsprechende Defizite im Bereich Diversity öffentlich machen.

Ungeachtet dieser neuen Fokussierung gibt es noch keine einheitliche Sicht auf Diversity, wenngleich diese im anglo-sächsischen Wirtschaftsraum traditionell breiter ist als im kontinentalen Europa, wo vor allem geschlechtliche Diversität im Mittelpunkt steht. Dennoch: Die Anforderungen an Diversity sind dies- wie jenseits des Atlantiks alles andere als einheitlich. Entsprechend inhomogen und lückenhaft erweist sich auch die Berichtspraxis börsennotierter Unternehmen in dieser Thematik, wie eine Studie der auf strategisches HR-Management und Corporate Governance spezialisierten Unternehmensberatung hkp/// group in einer gemeinsamen Studie unter anderem mit dem DIRK gezeigt hat. Die als HCM Monitor DAX 2021 veröffentlichte Analyse hat die Geschäfts-, Nachhaltigkeits- und Personalberichte von 28 DAX-Unternehmen auf ihre Angaben zu Human Capital Management (HCM) ausgewertet.

Die Studie zeigt: Fast alle Geschäftsberichte enthalten Beschreibungen zu Diversität und den relevanten Prozessen beziehungsweise Maßnahmen. Oft wird das unternehmensspezifische Verständnis erläutert, etwa dass Diversität nur im Sinne von Geschlechtervielfalt verstanden wird oder dass weitere Aspekte wie Ethnie, Nationalität, sexuelle Orientierung, Behinderung oder Religion eine Rolle spielen. Diversität in Bezug auf das Geschlecht ist dabei eines der häufigsten qualitativen Themen, wobei Angaben zum Anteil von Frauen in Führungspositionen dominieren. Darstellungen, die die Inklusion von Menschen mit Behinderung oder die Vielfalt an Nationalitäten einsetzen, sind eher die Ausnahme.

Nur wenige Unternehmen haben in ihren Geschäftsberichten konkrete Diversitätsziele und -standards in entsprechenden Richtlinien verankert und Verantwortlichkeiten benannt. Weit häufiger finden sich allgemeine Statements. Nachhaltigkeitsberichte gehen ausführlicher auf Diversität und Chancengleichheit ein. Es werden mehr Statements und weiterführende Details zu Prozessen beziehungsweise Maßnahmen sowie KPIs veröffentlicht. Auch in den Personalberichten geht es vor allem um Geschlechtervielfalt. Hier werden oft, wenngleich meist auch nur kurz, weitere Diversitätsaspekte genannt. Beispiele sind der Blick auf das demographische Risiko einer alternden Belegschaft oder die Herausforderung, Talente zu gewinnen. Selten finden sich Angaben zu Besetzungsprozessen, etwa wie divers die Long- und Shortlists für bestimmte Ebenen und kritische Funktionen besetzt sind. Aus Stakeholder-Sicht interessant, aber absolute Ausnahmen sind Informationen zur Zusammensetzung des Betriebsrats oder etwa zum Internationalisierungsgrad des Top-Managements. Zu kurz kommen auch entsprechende Ländervergleiche.

Diese relativ ernüchternde Gesamteinschätzung wird angesichts des hohen Aufmerksamkeitsgrades von Investoren wie auch der breiteren Gesellschaft und dem absehbaren regulatorischen Druck eher kurz- als langfristig positiver ausfallen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir schon in der kommenden Berichtssaison deutliche Verbesserungen in den entsprechenden Dokumentationen sehen. Angesichts der heterogenen Forderungen der Investoren-Seite und noch fehlender generell akzeptierter Berichtsstandards wird das Bild dabei zwar vielfältiger und umfassender, aber es wird wohl unübersichtlich bleiben. Einfach viel und viel Beliebiges zu veröffentlichen, ist falsch verstandene Exzellenz in puncto Transparenz. Diese braucht vielmehr verbindliche Standards und darauf aufbauend eine klare Systematik der Berichterstattung. Im Ergebnis wird sich dann ein deutliches Mehr an Vergleichbarkeit ergeben – zum Nutzen von Investoren wie auch allen anderen Stakeholdern eines Unternehmens.

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