Stiftungen
13. August 2012

Doppelte Wirkung durch zweckbezogene Investments

Laut einer Studie könnte der deutsche Stiftungssektor um 300 Prozent wirksamer sein, wenn nur drei Prozent des geschätzten Gesamtvermögens zweckbezogen angelegt würde. Allerdings tun dies bislang nur acht Prozent.

Das anhaltende Niedrigzinsumfeld führt Stiftungen zu einem Umdenken in ihrer Anlagestrategie. Zu diesem Fazit kommt die neue Studie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor. Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (BDS) und der Impact in Motion GmbH, für die die 200 kapitalstärksten Stiftungen Deutschlands befragt und zusätzlich rund 20 Interviews mit Stiftungsvorständen geführt wurden.
Immerhin 77 Prozent der antwortenden Stiftungen gaben an, ihr Vermögen ganz oder teilweise im Einklang mit ihrem Stiftungszweck zu investieren. Dieser hohe Anteil war für die Studienautoren überraschend und musste etwas relativiert werden. Denn einige der Befragten dürften unter der Formulierung „im Einklang mit dem gemeinnützigen Stiftungszweck“ verstanden haben, dass die Renditeerwartung im Einklang mit den Förderverpflichtungen steht. Diese Annahme bestätigt sich nicht zuletzt darin, dass über 70 Prozent der Stiftungen angeben, null Prozent ihres Kapitals unter Berücksichtigung von sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien anzulegen. Allerdings wollen 45 Prozent künftig soziale, ökologische und ethische Kriterien in ihre Anlageentscheidung einbeziehen. 
In Deutschland stellt der gesetzliche Rahmen für Stiftungen den Kapitalerhalt in den Vordergrund, was angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes und geringer gewordener Renditen zunehmend schwierig ist. „In einer Zeit negativer Realverzinsung müssen sich die Stiftungen neu orientieren. Wer Stiftungsvermögen, Erträge und Stiftungszweck als Einheit denkt, kann die Wirkung einer Stiftung um ein Vielfaches steigern. So kann eine Sozialstiftung für den Ausbau eines Pflegeheims ein Darlehen geben oder sich an der Gründung eines Sozialunternehmens beteiligen“, sagt Dr. Hermann Falk, stellvertretender Generalsekretär im BDS.
Laut der Studie könnte der deutsche Stiftungssektor um 300 Prozent wirksamer sein, wenn die Stiftungen nur drei Prozent ihres geschätzten Gesamtvermögens von 100 Milliarden Euro zweckbezogen anlegen würden. „Die Hebelwirkung liegt darin, dass die Stiftung ihr Kapital doppelt wirken lassen kann: Zum einen erzielt sie eine marktübliche Verzinsung und zum zweiten eine Gemeinwohlwirkung etwa in Form von zusätzlichen Pflegeplätzen oder Studiendarlehen“, ergänzt Melinda Weber, Studienautorin und Managing Partner der Impact in Motion GmbH. 
40-mal mehr Wirkung und 4,4 Prozent Rendite
Wie groß die Hebelwirkung sein kann, hat Gerhard Bissinger, Stifter der Hamburger Social Business Stiftung, bereits selbst feststellen können: „Unsere Fördermittel reichen, um an 30 Menschen einen Mikrokredit zu vergeben, damit diese aus eigener Kraft eine Existenz aufbauen können. Durch den Einsatz unseres Kapitalstocks können wir das Gleiche für 1.200 Menschen tun. 40-mal mehr Wirkung, und dies bei einer jährlichen Rendite von 4,4 Prozent, spricht für Mission Investing.“ Mit seiner Einstellung steht er in Deutschland jedoch noch relativ allein. Als Anlagestrategie wird Mission Investing – zu Deutsch: zweckbezogenes Investieren – im Moment nur von acht Prozent der Stiftungen genutzt. Zu diesen gehört auch die Schweisfurth-Stiftung, die rund 35 Prozent ihrer elf Millionen Euro umfassenden Kapitalanlage in sogenannte Impact Investments steckt. Unter anderem werden partiarische Darlehen an Betriebe vergeben, die zum Stiftungszweck beitragen, also zum Beispiel an Biomolkereien oder -saftereien. 
Rechtlich bestehen keine Bedenken für Mission Investments
Aus rechtlicher Sicht gibt es für Mission Investments grundsätzlich keine Hindernisse, wenngleich die Studienautorinnen Melinda Weber und Antje Schneeweiß eine sorgfältige stiftungs- und steuerrechtliche Prüfung, insbesondere bei Darlehen und Beteiligungen, empfehlen. Die Stiftungsvertreter, mit denen in der Studie gesprochen wurden, sehen jedoch eine Reihe anderer Hürden. Befürchtet werde unter anderem, dass der Prüfungsaufwand zu hoch, die Anlagen zu riskant und die Renditeerwartungen zu schlecht seien. Ein weiteres Problem, das in der Studie nicht explizit angesprochen wurde, aber nicht außer Acht zu lassen ist: Das Klumpenrisiko ist recht hoch.
Außerdem herrscht unter den befragten Stiftungen eine gewisse Unsicherheit darüber, wie die Aufsichtsbehörden die neue Anlageform beurteilen werden und ob externe Berater kompetent genug sind. So stellt beispielsweise Udo Zippel, kaufmännischer Direktor der Stiftung Eben-Ezer, fest: „Es gibt einige spezialisierte Finanzdienstleister, die sich über die Jahre ein beachtliches Know-how zu nachhaltigen Geldanlagen aufgebaut haben. Viele große Institute hinken heute hinterher und sind sehr weit von dem Wissensstand der Vorreiter entfernt.“ Die Stiftung Eben-Ezer legt ihr Vermögen von rund 3,1 Millionen Euro weitgehend nach ethischen Anlagekriterien an, die sich am Ethikfilter der kirchlichen KD-Bank orientieren. Impact Investments hat die Stiftung bislang nicht getätigt. 
Impact Investments stecken noch in den Kinderschuhen
Wie die Studienautorinnen anmerken, sind in Deutschland die Hürden für Impact Investments, die den Stiftungszweck besonders gut fördern können, deutlich höher als für zweckkonforme Anlagen, die sich allein durch ein Portfolio-Screening umsetzen lassen. Der Grund: Der Markt von Impact Investments steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt kaum standardisierte Angebote, zum Beispiel in Form von Beteiligungsfonds mit spezieller ökologischer oder sozialer Ausrichtung, die für Stiftungen konzipiert sind. Ein weiteres Problem sei, dass Stiftungen die Anlage in Darlehen und unternehmerisch geprägte Beteiligungen meist fremd ist. Laut der Studie haben sie keine Erfahrungen mit dem Risiko dieser Anlagen und daher Sorge, mit solchen Investitionen ihrer treuhänderischen Pflicht nicht nachzukommen.
Angesichts dessen überrascht es nicht, dass der Einstieg in Impact Investing nur vorsichtig vollzogen wird. „Fast immer werden zunächst Investitionen in Institutionen durchgeführt, zu denen aufgrund der Fördertätigkeit eine gewisse Nähe gegeben ist und zu denen ein persönlicher Kontakt besteht“, erklären Weber und Schneeweiß. Ungeachtet dessen gehen die beiden Studienautorinnen davon aus, dass der Anteil von Impact Investments steigen wird. Unterstützt werde die Entwicklung durch die Entstehung eines gemeinwohlorientierten Impact-Investment-Marktes, dessen Volumen laut eines Research-Papiers von JP Morgan innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 1.000 Milliarden US-Dollar wachsen soll. 
portfolio institutionell newsflash 13.08.2012/kbe
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