Investoren
21. Dezember 2022

Elfen, Trolle, Währungsrisiken

Das isländische Rentensystem schneidet im OECD-Vergleich mit Bestnote ab, doch die Anlagestrategie bereitet Probleme. Größenbedingt müssen die Pensionsfonds international investieren – bescheren Island damit aber Währungsschwankungen. Derzeit sind die Altersvorsorgeeinrichtungen wieder auf Einkaufstour.

Ein sicheres Einkommen im Ruhestand ist zu einem gewissen Grad ein Glücksspiel, je nachdem ob man in den Niederlanden oder in Argentinien geboren ist, stehen die Chancen auf einen Ruhestand ohne finanzielle Sorgen besser oder schlechter. Und wenn man das Glück hat, wie 370.000 andere Menschen in Island geboren worden zu sein, stehen sie scheinbar besonders gut. Die Isländer glauben nämlich nicht nur an Elfen und Trolle, sondern auch an eine kapitalgedeckte Altersvorsorge. Diese funktioniert im Nordatlantik offenbar besonders gut: Laut Mercer’s aktuellem Global Pension Index handelt es such um das weltbeste Altersvorsorgesystem. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Niederlande und Dänemark. Deutschland rangiert auf Platz 17.

Laut der Studie schneiden die Isländer in den Kategorien Nachhaltigkeit der Finanzierungsstrategie, Kapital-Adäquanz sowie politischer und regulatorischer Integrität hervorragend ab. Neben idyllischen Gletschern und den Nordlichtern hat die Inselnation auch ein gut finanziertes Altersvorsorgesystem zu bieten. Doch die Anlagestrategie bereitet Probleme.

Warum schneidet Island so gut ab?

Ausschlaggebend für Islands Bestnoten war unter anderem die umfangreiche Abdeckung des isländischen Systems. Neben der staatlichen Altersvorsorge, einer Zusatzrente und obligatorischer beruflicher Altersvorsorge besitzen mehr als 80 Prozent aller Isländer eine private Rente, so Mercer. Dadurch haben die Isländer auch eine besonders hohe Sparquote, das Gesamtvermögen in Altersvorsorgeprodukten entspricht mehr als 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zum Vergleich: Das Gesamtvermögen deutscher Altersvorsorgeprodukte beträgt laut OECD nur knapp über 20 Prozent. Dabei dürfte es auch helfen, dass Island von allen OECD-Ländern den höchsten Gewerkschaftsgrad und die niedrigste Armutsrate hat. Im Schnitt bezogen die Nordmänner und Nordfrauen im vergangenen Jahr ein monatliches Bruttogehalt von umgerechnet 5.171 Euro.

Der Großteil des isländischen Rentenvermögens, 6,7 Billionen Isländische Krona (45,25 Milliarden Euro), ist in obligatorischen Rentenfonds an gelegt, zudem besitzen die Isländer auch umgerechnet 4,7 Milliarden Euro in ergänzenden Sparprodukten laut der Interessenvertretung der Isländischen Pensionskassen Landssamtök lífeyrissjóða. Insgesamt gibt es auf Island immerhin 21 Pensionsfonds. In Deutschland sind laut Bafin 34 Pensionsfonds zugelassen. Allerdings sind Pensionsfonds hierzulande nur einer von insgesamt fünf Durchführungswegen.

Wie investieren die Isländer?

Nach außen hin ist Island also das perfekte Beispiel eines gesunden Rentensystems. Doch unter der idyllischen Oberfläche brodelt es und Grund sind nicht die Thermalquellen, sondern die Anlagestrategie. Island ist dabei ein klassisches Opfer seines eigenen Erfolgs. Mit einem verwalteten Vermögen, das doppelt so hoch ist wie das Bruttoinlandsprodukt, könnte man glauben, Island ist an erster Stelle ein riesiger Rentenfonds und nebenher auch noch eine Inselnation. Gleichzeitig hat die Insel eine eigenständige Währung, das heißt im Gegensatz zu beispielsweise den Niederlanden, die der Eurozone angehören, hat hier jede Anlageentscheidung der Pensionsfonds dramatische Folgen für den Wechselkurs und das volkswirtschaftliche Gleichgewicht.

Verglichen mit anderen Nationen ist die isländische Pensionsbranche stark international orientiert. Knapp die Hälfte des Vermögens ist in isländischen Anleihen angelegt, der zweitgrößte Posten sind mit 15,5 Milliarden Euro globale Aktien, isländische Aktienanlagen kommen nur auf 7,7 Milliarden Euro laut Landssamtök lífeyrissjóða. Diese globale Ausrichtung der Anlagen liegt zum größten Teil an den Begrenzungen des isländischen Finanzmarktes, dieser ist schlicht nicht groß genug, um entsprechende Anlagenvolumina zu absorbieren. Gleichzeitig birgt ein international ausgerichteter Wirtschaftssektor aber auch Risiken.

Weshalb zieht es Islands Investoren ins Ausland?

Das zeigte sich auch in der Finanzkrise als isländische Banken unter ihrer Schuldenlast zusammenbrachen. Zwischen 2006 und 2008 sank das verwaltete Gesamtvermögen isländischer Pensionsfonds von 20 auf 17 Milliarden Euro. Die Isländer litten dabei vor allem unter Wertverlusten der nationalen Aktien. Deren Wert implodierte von 4,8 auf 1,4 Milliarden Euro. Gerade aufgrund dieser Erfahrung versuchen isländische Anleger, zunehmend global zu diversifizieren. Dabei treffen sie aber auf eine enorme Einschränkung. Laut ihrer Gesetzgebung dürfen Pensionsfonds maximal 50 Prozent ihres Vermögens in Fremdwährungen anlegen. Diese Einschränkung wurde nach der Finanzkrise eingeführt, um die Stabilität der Währung und der Handelsbilanz zu gewährleisten. Ein starker Anstieg an Auslandsinvestitionen würde den Wert der Krona senken und die Handelsbilanz verschlechtern.

Somit hängt die Stabilität der isländischen Volkswirtschaft an den Anlageentscheidungen der dortigen Pensionsfonds. „Innerhalb der letzten Jahre hat Island sich von einem Kapitalimporteur mit einem permanenten Handelsbilanzdefizit zu einem Kapitalexporteur gewandelt. Dies ist größtenteils den Ersparnissen der Pensionskassen zu verdanken, die innerhalb der letzten Jahre die makroökonomische Stabilität unseres Landes gewährleistet haben“, so Ásgeir Jónsson, Gouverneur der isländischen Zentralbank.

Die Partnerschaft zwischen Pensionsfonds und Zentralbankern funktionierte gut, solange die Wirtschaft wuchs. Doch momentan befindet sich der Konsens auf dünnem Eis. Grund sind fallende Einnahmen. 2021 buchten die isländischen Pensionsfonds im Schnitt noch mehr als zehn Prozent Profite auf ihre Anlagen, so die Landssamtök lífeyrissjóða. Doch im ersten Halbjahr 2022 verschlechterte sich die globale Wirtschaftslage und damit auch die Einkünfte der Pensionsfonds. Diese gingen laut der Zentralbank im ersten Halbjahr um mehr als fünf Prozent zurück. Schuld waren die ausländischen Anlagen, die im Schnitt um 14 Prozent fielen, während einheimische Anlagen relativ stabil blieben.

Trotzdem sehen die Pensionsfonds dies als Grund, sich für eine Lockerung der Anlageregelungen einzusetzen. So fordert die Landssamtök lífeyrissjóða, dass die Obergrenze für Fremdwährungen im Portfolio aufgehoben oder zumindest auf 65 Prozent angehoben werden sollte. Darüber debattiert nun das isländische Parlament. Denn einige isländische Fonds kommen jetzt schon an ihre Grenzen. LSR, der größte Pensionsfonds, hat insgesamt knapp 40 Prozent seines Gesamtvermögens von neun Milliarden Euro in ausländischen Titeln angelegt. Glidi, mit einem Vermögen von sechs Milliarden Euro der drittgrößte Pensionsfonds, hat mehr als die Hälfte seines Portfolios in globalen Aktien angelegt.

Der Wertverlust an den globalen Aktienmärkten hat den Pensionsfonds dabei teilweise geholfen, dadurch reduzierte sich der Anteil ausländischer Vermögenswerte im Portfolio von 38 auf 35 Prozent wodurch die Fonds etwas mehr Spielraum haben im Ausland einzukaufen, so die isländische Zentralbank in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht. Dahinter birgt sich allerdings ein Dilemma. Denn je mehr die Pensionsfonds im Ausland einkaufen, desto mehr riskieren sie auch, dass die isländische Währung entwertet wird und ihre Kaufkraft damit sinkt. Seit dem Beginn der Debatte zur Auflösung der Fremdwährungsobergrenze haben die Pensionsfonds begonnen, die Verkäufe von Fremdwährungen zu reduzieren und stattdessen auf globalen Währungsmärkten eingekauft, so die isländische Zentralbank. Das deutet darauf hin, dass die Pensionsfonds die Gunst der Stunde nutzen wollen.

Trotz dieser Probleme gibt es ein (Nord)licht am Ende des Zinstunnels. So ist das Zinsdifferential zwischen Island und langlaufenden deutschen Bunds auf beinahe fünf Prozent gestiegen und auch im Vergleich zu US-Treasuries bieten isländische Anleihen höhere Rendite. Viele Anleger bleiben dem Markt immer noch fern, da sie die isländische Schuldenkrise noch gut in Erinnerung haben. Jedoch hat sich das Volumen der isländischen Staatschulden seit 2011 dramatisch reduziert, von 156 des Bruttoinlandsproduktes auf 99 Prozent im Jahr 2020 laut Weltbank-Daten. In Zukunft könnten sich die Isländer, wie auch viele andere Pensionsfonds, also wieder mehr an Anleihen orientieren. Und bei einem Zinsdifferential von knapp fünf Prozent könnten selbst deutsche Anleger wieder Anlagemöglichkeiten sehen.

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