Statement
28. September 2020

Endet mit Corona der Immobilienhype?

Den Auswirkungen der Corona-Krise auf Wohnimmobilien geht Thomas Krützmann in einem Fachbeitrag und Interview nach.

Der Katalog eines Risikomanagers hat sich um eine Risikoart ­erweitert: das Auftreten einer Pandemie. Im Jahr 2012 hatte die Bundesregierung unter dem Eindruck der SARS-Epidemie 2002/2003 und fachlicher Federführung des Robert-Koch-Instituts die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi SARS“ erstellt. Darin gingen die Experten davon aus, dass eine solche alle 100 bis 1.000 Jahre auftreten dürfte. Wie wir wissen, kam es anders.

Einflüsse auf die Allokation

Institutionelle Investoren versuchen, sich auf die mittel- bis ­langfristigen Folgen und Auswirkungen einzustellen. Auch ­Immobilieninvestments als sehr verbreitete Asset-Klasse werden neu bewertet und die strategische und taktische Allokation angepasst. Die Bewertung der einzelnen Nutzungsarten ist dabei sehr unterschiedlich. Die letzten Investorenbefragungen zeigen, dass den Sektoren Wohn- und Logistikimmobilien höhere Stabilität zugeschrieben wird.

In den vergangenen Zäsuren blieb der Wohnimmobilienmarkt vergleichsweise stabil. In der Finanz- und Wirtschaftskrise veränderte sich das Mietniveau in Deutschland praktisch gar nicht und die Kaufpreise, nach einer kurzen Phase der Irritation, kaum. ­Natürlich können in präzedenzlosen Einschnitten Vergangenheitserfahrungen nur bedingt für Prognosen herangezogen werden. Trotzdem lassen sich hieraus in Kombination mit fundamentalen Faktoren und langfristigen Tendenzen Ableitungen für die Zukunft treffen.

Der Wohnimmobilienmarkt: Einflussfaktoren und Ausblick

„Den“ Wohnungsmarkt gibt es schon seit längerem nicht mehr. Der Sektor hat sich durch Wanderungsbewegungen regional stark ­ausdifferenziert und wird dies wohl infolge der Pandemie noch ­weiter tun. Jahrzehntelange mangelnde Neubautätigkeit hat in den Metropolregionen zu einer fundamentalen Angebotslücke geführt. Steigende Preise und Mieten waren unausbleiblich. In letzter Zeit strahlte dies auch zunehmend auf gut angeschlossene Lagen in den „Speckgürteln“ aus.

Diese „Suburbanisierung“ wird sich aus unserer Sicht verstärken. Das Arbeiten im Home Office wird sich – jenseits medialer Übertreibungen – für einige Bereiche langfristig etablieren, allerdings eher als Ergänzung, nicht als Ersatz. Besprechungen, Workshops oder allgemeines Netzwerken sind auf diese Weise nicht ersetzbar oder bei persönlicher Präsenz ungleich effizienter. Hybridlösungen mit festen Präsenztagen könnten hier eine organisatorische Option sein. Dass sich dadurch die Anforderungen an die Größe des ­Wohnraums massiv verändern, zum Beispiel durch eine deutliche Erhöhung der Wohn- und Nutzfläche, glauben wir nicht. Die ­zusätzlichen Miet- beziehungsweise Erwerbskosten sind dafür zu hoch. Eher wird es wohl um die intelligente Nutzung des vor­handenen Raumes gehen, die auch bei der Planung berücksichtigt werden kann.

In den vergangenen Jahren wurde wiederholt eine Blasenbildung des Marktes diskutiert. Durch die Corona-Krise hätten sich folglich die Marktpreise auf breiter Ebene reduzieren müssen. Das war ­bislang nicht der Fall. In einer ökonometrischen Analyse zu den Preiseffekten der Pandemie kommt das IW Köln zu dem Ergebnis, dass unter Heranziehung wesentlicher Indikatoren (Bautätigkeit, Kreditvergabe und kalkulatorische Wohnnutzerkosten) spekulative Übertreibungen nicht zu erkennen seien.

Die Kreditvergabe der Banken wird durch das Auftreten kon­junkturbedingter Risiken bei gleichzeitiger Verschärfung der ­Regulierung (unter anderem Eigenkapitalunterlegung nach CRR II) restriktiver werden. Wir gehen aber davon aus, dass Wohnungskäufer auch weiter bereit sein werden, das erforderliche Eigen­kapital einzusetzen, um sich dauerhaft niedrige Darlehenszinsen zu sichern. Die Liquidität ist mangels Anlagealternativen vorhanden und Wohnungseigentum als Form der Zukunftssicherung in breiten Kreisen nach wie vor gefragt. Dies spricht aus unserer Sicht gegen eine ­Blasenbildung.

In den vergangenen Jahren haben sich die Baukosten kontinuierlich erhöht und die Bauzeiten – oft erheblich – verlängert. Für die ­Ausschreibung mancher Gewerke erhielten wir selbst als großer Projektentwickler kaum Resonanz. Durch nachlassende Bau­tätigkeit im Gewerbebau werden wieder Kapazitäten in der Bau­industrie und im Handwerk frei. Dies sollte zu einer Normalisierung beitragen. Wir hatten die Sorge, dass in Folge der Pandemie die Bauausführung stark beeinträchtigt werden könnte. Dies trat erfreulicherweise nicht ein. Auf unseren Baustellen ging selbst im Lockdown die Bautätigkeit weiter, wenn auch langsamer.
In unserem Portfolio hat sich die Zahl der Wohnungsverkäufe zwar in den vergangenen Monaten reduziert. Die Anfragen liegen aber schon fast wieder auf Vorjahresniveau. Bislang waren auch keine Preiszugeständnisse erforderlich. Wir erwarten, dass ein fort­bestehend niedriges Zinsniveau diese Entwicklung unterstützt.

Bezüglich des Mietniveaus in den Metropolregionen sehen wir – ähnlich der Erfahrungen aus vergangenen Krisen – keinen ­relevanten Rückgang. Die fundamentalen Ungleichgewichte ­zwischen Angebot und Nachfrage sind dort schlichtweg zu groß. Wir gehen aber bei stagnierenden oder gar sinkenden Haushalts­einkommen temporär von einer gedämpften weiteren Mietentwicklung aus. Regionale politische Eingriffe wie Mietpreisbremsen oder -deckel verstärken diesen Effekt. Auch wenn sie derzeit teilweise einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterliegen, werden sie uns doch in der Zukunft in unterschiedlichen Formen begegnen. Zwar wird zurecht von vielen Ökonomen eingewendet, dass derlei ­Eingriffe für die langfristige Schließung einer Angebotslücke eher kontraproduktiv wirken. So oder so ist ein Fondsmanager aber gut beraten, etwaige Effekte in seine Kalkulation einzubeziehen. Neuer Wohnraum ist aber zumindest für die ersten Jahre von den ­geplanten Beschränkungen größtenteils ausgenommen und wird zudem ­häufig noch gefördert. Die Zeit der aggressiven Mietstrategien mit allen daraus erwachsenden Problemfeldern scheint uns jedenfalls vorerst vorbei zu sein.

Für den Investmentmarkt erwarten wir nach den vorliegenden ­Befragungen und aufgrund unserer eigenen Gespräche eine weiterhin lebhafte Nachfrage für die Asset-Klasse Wohnen. Das bisher im Vergleich gute Krisenmanagement Deutschlands wird auch ­weiterhin internationale Investoren wie auch qualifizierte ­Zuwanderer anziehen. Dem wird allerdings ein begrenztes Angebot gegenüberstehen. Wer über Bestände verfügt, wird diese wohl nur unter Handlungsdruck abgeben. So gehen wir auch weiterhin von hohen Preisen und entsprechend niedrigen Spreads aus. Aufgrund ihrer Verhandlungsmacht werden Verkäufer versuchen, Objekt­risiken tendenziell auf den Erwerber abzuwälzen.

ESG-Kriterien: Bedeutung nimmt weiter zu

Wie in anderen Asset-Klassen wird auch im Wohnsegment die ­Bedeutung von ESG-Kriterien steigen. Es ist erklärtes Ziel der EU, große Kapitalströme institutioneller Anleger in nachhaltige ­Investments zu lenken. Entsprechend werden nach und nach alle Investorengruppen verpflichtet, über ihre Nachhaltigkeitsstrategie auch im Bereich der Kapitalanlage zu berichten.

Für Fondsmanager sollen noch in diesem Jahr drei Verordnungen (Benchmark, Offenlegung, Taxonomie) veröffentlicht werden. Sie bilden zunächst nur ein Regelwerk für Kapitalanlagen, die als ­nachhaltig bezeichnet werden. Wie man aus Brüssel hört, ist dies aber nur ein vorbereitender Schritt zu einer universelleren Anwendung. Um Investoren die Orientierung zu erleichtern, sind schon heute eine Vielzahl von Bewertungsstandards (unter anderen DNK, GRESB, PRI) in Gebrauch. Hier werden sich in den nächsten ­Jahren einige Marktstandards herausbilden.

Die Erfüllung von ESG-Kriterien bei Wohnimmobilien kann ­abhängig von Objektalter, Zustand und Ausstattung mit großem Aufwand verbunden sein. Im Bereich des Neubaus bildet die Orientierung an vorhandenen und praxisnahen Standards wie KfW-55 eine gute Grundlage für den Nachweis der Erfüllung ökologischer Kriterien. Gleichzeitig können damit auch aktuelle Finanzierungsprogramme genutzt werden, die teils mit sehr attraktiven Tilgungszuschüssen arbeiten.

Auch im sozialen Bereich lassen sich in der Neubauvermietung ­aufgrund der Mieterstruktur und durch die Bindung an eine ­Sozialcharta Nachhaltigkeitskriterien einfacher erfüllen als im ­Bestandserwerb mit heterogeneren Mieterstrukturen und etwaigem Modernisierungsbedarf. Jenseits aller regulatorischen Vorgaben handeln institutionelle Investoren hier auch aus eigenem Interesse. Wer auf ein positives Öffentlichkeitsbild angewiesen ist, wird sozial oder ökologisch problematische Investments vermeiden.

 

Neubau bietet Chancen, hat aber auch Risiken

Interview mit Thomas Krützmann, Senior Director Institutional Sales, Project Investments

Sie entwickeln vor allem Wohnungsportfolios. Wie unterscheiden sich die (Cash-)Renditen beim Kauf eines Neubaus und einer Projektentwicklung? Ab wann „fließen“ Cash-Renditen und wie lange ist die Projektdauer?

Der Cashflow-Verlauf bei einer klassischen Projektentwicklung gleicht der „J-Curve“, die man von Private Equity Investments kennt. In der Regel dauert eine Projektentwicklung mit Abverkauf der Eigentums­wohnungen drei bis fünf Jahre.
Eine interessante Alternative ist unser neues Konzept mit einer Develop-and-Hold-­Strategie als Kombination aus Projekt­entwicklung für den Portfolioaufbau und anschließender Bestandshaltung. Ein moder­ner und diversifizierter Mietwohnungs-Neubaubestand wird durch eigene Immobilien­entwicklungen aufgebaut und dann durch Vermietung langfristig bewirtschaftet. Aufgrund des frühen Einstiegs und der Realisierung der Projektentwicklungsmarge zugunsten der Investoren im Fonds ergeben sich in der Haltephase sehr gute Einstandspreise und überdurchschnittliche langfristige Cashflows, beginnend nach etwa 24 Monaten.

Ab wann steigt Project bei diesem Konzept in eine Entwicklung ein? Schon vor der Baugenehmigung?

Wir steigen erst bei gesichertem Baurecht ein. Idealerweise liegen Baugenehmigungen oder Bauvorbescheide vor, mindestens sind aber die Voraussetzungen einer Umge­bungsbebauung nach den Paragrafen 34 ff. BauGB gegeben.

Was sind die Risiken des Develop-and-Hold-Konzepts? Wie ist es konkret um Insolvenzen von Partnerunternehmen, harte Winter oder auch fehlendes Interesse von potenziellen Mietern oder Käufern bestellt?

Als wesentliche Risiken würden wir in der Entwicklungsphase Verzögerungen in Genehmigungsprozessen und Bauausführung sowie steigende Baukosten nennen. Im ­Genehmigungsprozess hilft der Verzicht auf B-Planverfahren, also ein später Einstieg mit Baugenehmigung und Bauvoranfrage oder die intensive Vorabstimmung mit den ­zuständigen Ämtern vor Ankauf des Grundstückes bei Projekten, bei denen die Paragrafen 34 ff. BauGB zum Tragen kommen. Da wir die meisten Prozesse im Bau von der Ausschreibung der Gewerke über die Ver­gabe der Bauleistungen bis zur Bauleitung vor Ort selbst durchführen, können wir das Projekt sehr eng steuern und im Bedarfsfall schnell handeln.
Auch wir sind nicht vollständig vor zum ­Beispiel Insolvenz einzelner am Bau beauftragter Unternehmen und Nachtragsver­langen gefeit. Eine höhere Rendite ist nun einmal ohne Risiken nicht zu haben.
Bei der Vermietung befinden wir uns aus Marktsicht in einer komfortablen Situation, da Wohnraum in den Metropolregionen, in denen wir investieren, massiv fehlt. ­Schwieriger sind politische Eingriffe, wie zum Beispiel der Mietendeckel in Berlin. Der Neubau ist dort zwar zunächst ausge­schlossen, wird aber irgendwann auch ­betroffen sein. Daher investieren wir ­beispielsweise aktuell für den Miet­wohn­ungsbau in Berlin im Speckgürtel der Hauptstadt. Innerhalb der Stadtgrenzen ­investieren wir derzeit nicht.

Sind Zinsbewegungen ein Risiko?

Für die Nachfrage im Mietwohnungsbau ist die Zinsentwicklung nicht entscheidend. Wir nutzen für die Projekte im Fonds überwiegend günstige KfW-Förderkonditionen mit langfristiger Zinsbindung und attraktiven Tilgungszuschüssen.

Wäre es nicht – gerade aus ökologischen Gesichtspunkten – sinnvoller, Altbestände zu sanieren als neu zu bauen?

Wir konzentrieren uns bewusst auf Neubau, denn dieser ist in den Metropolregionen dringend nötig. So wird voraussichtlich von 2016 bis (erwartet) 2020 nur rund 71 ­Prozent des jeweiligen Bedarfs in den Top-7-Städten gedeckt werden. Aus diesem Grund werden auch Neubauten von Regulierungsmaßnahmen wie Mietpreisbremse und Mietpreisdeckel ausgenommen.
Wir bauen grundsätzlich nach KfW-55-Standard. Damit sind unsere Objekte ­ökologisch effizient und weisen geringe ­Nebenkosten aus. Wohnungsgrundrisse und Ausstattung sind zeitgemäß und wir haben weniger soziale Konfliktfelder als im ­Bestandsbereich.
Insgesamt schaffen wir modernen und ­nachhaltigen Wohnraum mit langer Nutzungsdauer. Das ist attraktiv für ­Investor und Endnutzer, das ist aber auch im Sinne der Gesellschaft.

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