Anbieter
29. April 2024

Energieeffizienz als Risikofaktor

Gutes Risikomanagement wird vor allem aus der Klimaperspektive für Immobilieninvestoren zunehmend wichtiger. Aber auch soziale Aspekte gewinnen an Bedeutung. Wie ESG-Kriterien den Immobilienmarkt derzeit umkrempeln und wie Immobilieninvestoren sich dazu positionieren.

Im März hat die EU für den Immobilienmarkt wieder neue ­Weichen gestellt, insbesondere für institutionelle Immobilieninvestoren, die vorwiegend Gewerbeimmobilien besitzen. Die Novelle der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) hat das EU-Parlament passiert, die verschiedene neue Pflichten speziell für Eigentümer von Gewerbeimmobilien vorsieht. Wo institutionelle Immobilieninvestoren derzeit Klimapfade ihrer Immobilien berechnen, CO₂-Emissionen messen und prüfen, wie sie die Energieeffizienz ihrer Gebäude verbessern können, erscheint die Regulierung als Unsicherheitsfaktor, denn in nationale Gesetze gegossen sind viele EU-Vorgaben noch nicht. Auch eine Entwicklung des CO₂-Preises auf längere Sicht ist unklar, obwohl das ein wichtiger Indikator für die Immobilienbranche ist. Schließlich führt dieser unter anderem dazu, dass sich fossile Energieträger wie Gas oder Öl schrittweise verteuern und somit Heizkosten deutlich steigen.

Wo vor bald zwei Jahren die Zinswende begann, wirkten zunächst die Inflationsrisiken und das damit verbundene Zinsänderungsrisiko sich stark auf Immobilienpreise und schließlich auch auf die Bewertungen aus. Doch auch Nachhaltigkeitsrisiken und strukturelle Marktänderungen spielen aktuell eine immer bedeutendere Rolle für das Risikomanagement von Immobilien. Für Jörg Homann, Gründungspartner und Geschäftsführer der auf den Immobilienmarkt spezialisierten Master-KVG und Beratungsgesellschaft Institutional Investment Partners, 2IP, hat der Zinsanstieg zunächst einmal zur relativen Stärkung von Opportunitätsanlagen wie Anleihen und Aktien geführt und den Kapitalfluss in Immobilienthemen somit deutlich reduziert.

Gleichauf mit den Zinsrisiken sieht Homann jedoch auch Risiken in Verbindung mit Nachhaltigkeits- und CO₂-Themen als schlagend an, ebenso wie strukturelle Marktveränderungen, wie sie bereits am Markt für Büroimmobilien zu beobachten sind, wo es zu veränderten Nutzungsanforderungen kommt. „Im Zyklus vor der Zinswende waren Immobilien die Asset-Klasse, die am meisten nachgefragt wurde. Die Negativzinsen haben viele Risiken verschleiert und die Renditen waren extrem weit heruntergekommen. Durch den Zinsanstieg kommen viele dieser Risiken zum Vorschein und im Moment befinden wir uns immer noch im Prozess der Anpassung, der sich 2024 noch fortsetzen wird“, zieht Homann Bilanz. „Ab 2025 werden wir dann einen neuen Zyklus sehen“, prognostiziert er.

Der Zinsanstieg mit seinen Auswirkungen auf die Anlagestrategien der institutionellen Investoren hatte auch zur Folge, dass die Investoren mit vollen Immobilienquoten sich vorerst aus dem Marktgeschehen zurückzogen. Zudem trat im vergangenen Jahr die Regulierung auf den Plan, zum Beispiel mit dem vielgeschmähten deutschen „Heizungsgesetz“, dem Gebäudeenergiegesetz. Manage-to-Green-Strategien, die „vor dem Zinsanstieg ein heißes Thema“ waren, so Homann, erführen derzeit wenig Schub, da Regulierungsfragen in Deutschland, wie die Frage nach der kommunalen Wärmeplanung, noch nicht geklärt sind.

Und damit ist beispielsweise bis auf Weiteres nicht klar, in welchen Kommunen künftig ein Anschluss an die Fernwärme möglich wird – für Immobilienanleger ein wichtiger Aspekt, denn ein Heizungstausch ist mit hohen Kosten verbunden. Investoren warteten daher mit manchen Investitionen eher ab. „Die Regulierung ist für die institutionellen Investoren, die ihre Immobilien in Sachen ESG nach vorne bringen wollen, im Augenblick das Hauptrisiko“, resümiert Homann. So mache der Einbau einer Wärmepumpe zum Beispiel keinen Sinn, wenn letztendlich am Standort Fernwärme verfügbar wird, die dann in der Zukunft klimaneutral hergestellt werden soll, wenn zum Beispiel die Kommune eine Großwärmepumpe plant. Dabei gilt der Juni 2026 als die Frist für Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern, kleinere Gemeindegebiete haben Zeit bis maximal zum Juni 2028. Für die Einwohnerzahl gilt der 1. Januar 2024 als Stichtag.

Viel Bewegung gibt es derzeit jedoch Homann zufolge beim ­Thema Photovoltaik, vor allem bei Big-Box-Immobilien wie großen Logistikparks. „Das Thema Photovoltaik hat bei Investoren derzeit Priorität. Das hat mit dem Wachstumschancengesetz zu tun, nachdem in Spezial-Investmentfonds nun bis zu 20 Prozent aller Einnahmen aus Photovoltaik und Windkraft kommen dürfen.“ Wenn es um Freiflächen geht, so müssten diese mit der betreffenden Immobilie verbunden sein. „Steuerrechtlich sind 20 Prozent der Einnahmen aus ­Erneuerbaren Energien erlaubt. Aber es ist leider noch nicht abschließend geklärt, wie sich die Bafin insbesondere in der für viele Anleger wichtigen aufsichtsrechtlichen Fragestellung positioniert, ob die Erneuerbare-Energien-Anlagen bei überwiegender oder vollständiger Netzeinspeisung zulässig und der Immobilienquote zuzuordnen sind.“ Homann zufolge haben Rechtsberater derzeit noch unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage.

Dass Photovoltaik derzeit beliebt bei Investoren ist, könnte schon ein Vorwegnehmen der kommenden EU-Regulierung sein. Zum Beispiel ist in der vom EU-Parlament am 12. März verabschiedeten Novelle der Gebäudeenergieeffizienzrichtline (EPBD) eine Solarpflicht unter anderem für Gewerbeimmobilien vorgesehen, die schrittweise bis zum Jahr 2030 greifen soll. „Die Richtline sieht vor, dass in einem ersten Schritt eine Solarpflicht direkt für neue öffentliche Gebäude und neue, große Nicht-Wohngebäude ab einer Nutzfläche von mehr als 250 Quadratmetern gilt“, erläutert Dr. Nils Ipsen, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Lindenpartners. „In einem zweiten Schritt wird diese auf alle bestehenden öffentlichen und bestehenden Nicht-Wohngebäude, die größer als 500 Quadratmeter sind, ausgedehnt, wenn dort eine Renovierung geplant ist. Bis 2030 dann sollen in einem letzten Schritt auch alle neuen Wohngebäude und überdachten Parkplätze von der Solarpflicht erfasst werden“, so Ipsen.

Die Richtlinie muss zwar noch in deutsches Recht umgesetzt werden, doch dieser Zeitplan gelte auf jeden Fall. „Die Nationalstaaten müssen die Richtlinie binnen 24 Monaten ab der Veröffentlichung im Amtsblatt in nationales Recht umsetzen, dennoch hat dies keine aufschiebende Wirkung für die in der Richtlinie bereits genannten Fristen“, erklärt Ipsen und verweist auf den sehr engen Zeitrahmen. Der könnte ähnlich knapp werden, wie der der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), für deren Umsetzung in deutsches Recht am 22. März der entsprechende Referentenentwurf vorgelegt wurde und nach der die ersten Unternehmen in 2025 berichten müssen.

Ausnahmen schützen nicht vor hohen Betriebskosten

Noch muss die EPBD formal noch vom Rat angenommen werden. Mehrheiten können auf der Zielgerade noch kippen. Rechtsanwalt Ipsen geht jedoch davon aus, dass der Rat die Richtlinie „eher kurzfristig, und mit ziemlicher Sicherheit noch vor den Europawahlen“, annehmen wird. Auch soll es Ausnahmen geben. Für denkmal­geschützte Immobilien, Gebäude mit besonderem architektonischem oder historischem Wert oder Kirchengebäude und andere Gotteshäuser sollen die Nationalstaaten Ausnahmen von der Sanierungspflicht vorsehen können. Allerdings gibt Ipsen zu Bedenken: „In den kommenden Jahren wird aber auch die CO₂-Preis-Regulierung scharfgeschaltet werden, daher ist die Frage, ob die Ausnahmen den Immobilienhaltern hier viel nützen, da das Beheizen dieser Gebäude dann sehr teuer wird“, so Ipsen.

Das Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz, das die CO₂-Bepreisung im Gebäudesektor regelt, könnte auch dazu beitragen, dass Immobilienbewertungen in den Portfolien der Investoren weiter fallen, glaubt Daniel Wolbert. Der ehemalige Leiter Kapitalanlagen des Verka-Verbunds, dort zuletzt als Leiter Controlling, Nachhaltigkeit, Back-­Office tätig, ist im vergangenen Jahr zum Placement-Agenten Ready 4 Impact gewechselt. Dort beschäftigt er sich als Institutional Partner mit Impact-Strategien aus den Bereichen Real Estate, Infrastruktur, Private Equity und Private Debt. „Immobilien, bei denen ESG-Risiken nicht hinreichend berücksichtigt sind, die zum Beispiel nicht dem KfW-Effizienzhaus-Stufe 40 oder vergleichbaren Standards entsprechen, fallen in ihrer Bewertung bereits heute merklich hinter zertifizierten Gebäuden zurück. Diese Entwicklung dürfte sich weiter verstärken“, so Wolbert.

Neben den Klima- und Umweltaspekten sollten aber auch soziale Faktoren für institutionelle Investoren eine Rolle spielen, findet Wolbert. „So nimmt die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum noch immer stetig zu. Variable Gemeinschaftsnutzflächen bis hin zu generationenübergreifenden Wohnanlagen mit kombinierten betreuten Pflegewohneinheiten sowie Mikro-Apartments für Berufspendler und Studenten werden den Markt der kommenden Jahre vermutlich zunehmend dominieren“, glaubt Wolbert. Immobilien, die hingegen nicht hinreichend flexibel konzipiert seien, drohten deutliche Bewertungsverluste.

Dekarbonisierungspfade, die mögliche stranded assets auch für die Zukunft aufdecken, und fehlende Zertifizierungen können als Warnzeichen am Immobilienmarkt gelten, wenn Investoren dort nach ­geeigneten Ankaufsobjekten suchen. Doch wie können Manage-to-Green-Strategien im Bestand ermöglicht werden und was ist dafür nötig? „Zunächst muss ich mir als Investor die Frage stellen: Will ich meinen Altbestand so weit wie möglich erhalten und bin ich bereit, Geld zu investieren, um durch Sanierung auf ein angemessenes „grünes“ Level zu kommen?“, fragt Wolbert. „Oder will ich den ‚nicht-ESG-konformen‘ Altbestand reduzieren zugunsten des Aufbaus eines Neubau-Portfolios, das von vornherein den Nachhaltigkeitsanforderungen entspricht?“

Im aktuellen Marktumfeld rät Wolbert jedoch von Verkäufen eher ab. „Investoren ­sollten die aktuelle Marktanpassung eher abwarten und überprüfen, was sie in ihrem Bestand verbessern können“, rät der Placement-Agent und erfahrende Immobilienanleger. Auch er verweist auf Photovoltaik, vor allem für den gewerblichen Bereich. Zudem seien die Investitionskosten mit der künftigen Kostenersparnis gegenzurechnen, und Effekte auf die Bewertungen auch durch den steigenden CO₂-Preis einzubeziehen.

Modulares Bauen mit Kostenvorteil

Für den Bestand hält Wolbert Bewertungsunterschiede von um die zwanzig Prozent zwischen zertifizierten Bestandsgebäuden und solchen ohne Zertifizierung für realistisch. „Jedoch ist im Bestand der weitaus größte Teil nicht zertifiziert, und ein Zertifikat erhalten Sie nur, wenn Sie sanieren.“ Im besten Fall sei künftig ein Mix aus strategischen Zukäufen, Verkäufen von nicht-energieeffizienten Gebäuden und Investitionen in den Bestand in Form von Manage-to-green-Strategien sinnvoll. Wolbert favorisiert auch das modulare Bauen als zukunftsfähige Strategie, die in Deutschland jedoch noch mit relativ hohen Hürden belegt sei. „Der Vorteil des modularen Bauens liegt in den reduzierten Kosten, der Energieeffizienz und der Recyclingfähigkeit.“ So könnten Baumaterialien, die in 50 oder 60 Jahren zurückgebaut werden, recycelt und die Gebäude an neue Anforderungen angepasst werden.

Als Bestandsinvestor mit Impact-Wirkung kann der kanadische Immobilieninvestor Ivanhoé Cambridge gelten. Er ist der Immobilieninvestmentarm der Caisse de dépôt et placement du Québec (CDPQ), des zweitgrößten Pensionsfonds Kanadas mit Sitz in Montreal. Ivanhoé Cambridge investiert vorwiegend opportunistisch in Bestandsimmobilien und kauft diese Objekte gezielt an, um sie in einem „brown-to-green“-Prozess nachhaltig zu gestalten und mit Gewinn wieder zu veräußern. „Wir investieren grundsätzlich in alle Segmente, viel jedoch auch im Bereich Logistik in Europa, wo wir die Gebäude aufbereiten und energieeffizienter machen“, konstatiert Stéphane Villemain, Head of Sustainable Investment bei Ivanhoé Cambridge.

Auch physische Klimarisiken bezieht der Immobilieninvestor mit ein, zum Beispiel durch die Umstellung von Gebäuden auf Ventilation und Kühlung, wo es durch den fortschreitenden Klimawandel nötig erscheint. „Auch soziale Aspekte, wie zum Beispiel die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, örtliche Einzelhandelsangebote und eine ­Offenheit der Raumkonzepte, insbesondere bei Büroimmobilien, zeigen sich bereits im aktuellen Flight-to-Quality“, so Villemain. Ivanhoé Cambrigde hat zudem ein neues Instrument für das Risikomanagement in Bezug auf die transitorischen Risiken entwickelt, die sogenannte Green Internal Rate of Return (Green IRR).

Die Metrik berücksichtigt die kohlenstoffbezogenen Betriebskosten sowie ein Green-Premium oder einen Brown-Discount auf die Assets des Portfolios, basierend auf ihrer Umwelt- und Kohlenstoffeffizienz“, so Villemain. „Erstens internalisiert diese Metrik die Kohlenstoffkosten, die proportional zum Kohlenstoffemissionsprofil des Assets während unserer Haltedauer sind, darunter werden auch die im Lauf der Zeit steigenden CO₂-Preise erfasst.“ Zweitens fließen ein Green Premium oder ein Brown Discount in den erwartbaren Verkaufspreis im Falle eines Exits ein. „Zu diesem Zweck verwenden wir das CRREM-Tool (CRREM steht für: Carbon Risk Real Estate Monitor), um den Grad der Anpassung der Kohlenstoffeffizienz unserer Assets an ein 1,5°Grad-Grenzwertszenario zu bestimmen und unsere Assets von dunkelbraun bis dunkelgrün zu kategorisieren.“ Derzeit decke die Green IRR die Scope-1- und Scope-2-Kohlenstoffemissionen sowie die mieterbezogenen Scope-3-Emissionen ab.

Die Green IRR wurde Ende 2023 entwickelt, wird bei Neuankäufen bereits eingesetzt und für das Bestandsportfolio sukzessive umgesetzt. Ivanhoé Cambridge hielt Ende 2023 ein Immobilienvermögen von umgerechnet rund 53 Milliarden Euro. Man investiert im Einzelfall auch mit anderen institutionellen Investoren zusammen, etwa in Joint Ventures oder Club Deals, so Villemain.

„Manage to green“ ist auch vorherrschendes Thema für die Real IS AG, den Immobilienmanager der Bayerischen Landesbank (Bayern-LB). Die Tochtergesellschaft verwaltet aktuell ein Immobilienvermögen von rund 13 Milliarden Euro. Dr. Christine Bernhofer, seit vergangenem Herbst im Vorstand der Real IS AG und dort unter anderem zuständig für das institutionelle Neugeschäft, sieht den Energieverbrauch und die Emissionen als das Hauptthema für Bestandsimmobilien an. „Erste Stellschrauben sind hier das Reduzieren des Stromverbrauchs auf den Allgemeinflächen, welches man durch KI-basierte Techniken erzielen kann sowie eine Erneuerung der Außen- und Innenbeleuchtung oder eine Dachbegrünung, durch die Regenwasser genutzt werden kann“, so Bernhofer.

Durch alle diese kleineren Maßnahmen seien bereits 20 Prozent Energieeinsparung möglich. Größere Investitionen wie der Austausch der fossilen Heizungsanlagen wollen wohlüberlegt sein. „Der Heizungstausch ist der größte Posten“, gibt Bernhofer zu. „Wo es möglich und sinnvoll ist, werden wir daher auf Fernwärme gehen.“ Ein aktuelles Beispiel für den „Manage to green“-Ansatz der Real IS ist das Forum Steglitz in Berlin, ein Einkaufszentrum, welches die Real IS durch eine umfassende Modernisierung auf eine Leed-Gold-Zertifizierung gebracht hat. „Gegenüber einem Abriss und im Vergleich zum Neubau haben wir eine Einsparung von mehr als 30.000 Tonnen an CO₂-Emissionen erreicht, die sonst durch graue Emissionen entstanden wären“, sagt Bernhofer.

Autoren:

Schlagworte: | | | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert