Pension Management
14. November 2016

„Erster tatsächlicher Versuch, die bAV nachhaltig zu stärken“

Das Bundesarbeits- und das Bundesfinanzministerium haben am 4. November den Referentenentwurf für das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz vorgelegt. Die Meinungen der Adressaten darüber sind weitgehend positiv. Für manche geht der Entwurf nicht weit genug.

Der Gesetzentwurf thematisiert unter anderem das sogenannte Sozialpartnermodell, um das nach Angaben der Berater von Mercer fast zwei Jahre lang gerungen wurde: Den ursprünglichen Diskussionsentwürfen folgend gibt der aktuelle Gesetzentwurf den Arbeitgebern die Möglichkeit, eine betriebliche Altersversorgung ohne Subsidiärhaftung anzubieten. Haftungsfragen wurden laut Mercer als Hemmnis für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung angesehen, und mit einer haftungsfreien Altersversorgung sollen nun mehr Arbeitgeber ins Boot geholt werden. Möglich werde diese sogenannte Beitragszusage, bei der die Verpflichtung des Arbeitgebers lediglich in der Beitragszahlung besteht, allerdings nur, wenn ihr eine tarifliche Regelung zugrunde liegt. 
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen, also für sie im Falle der Tarifbindung geltenden, Tarifverträge vereinbaren und sich somit ebenfalls den entsprechenden Versorgungswerken anschließen, sofern diese sich dafür öffnen. Außerdem ist beim Wechsel eines Arbeitnehmers von einem Tarif in einen anderen eine Übertragung der Anwartschaften möglich. 
In der Versorgungsregelung selbst wird, anders als bei den heute gängigen Systemen, kein bestimmtes Versorgungsniveau garantiert, betont Mercer. Vielmehr solle nur eine erwartete Rente (Zielrente) in Aussicht gestellt werden. Die Versorgungshöhe kann durch Kapitalmarktentwicklungen steigen, aber auch sinken. Dies gilt auch für die schon laufende Rente, die konsequenterweise steigen und fallen kann. Das Modell enthalte somit Chancen und Risiken. Die bisherigen Garantiemodelle hätten den Nachteil, dass eine Mindestrendite notwendig ist, um die garantierten Leistungen sicherzustellen. Diese Mindestrendite bedinge aber eine so restriktive Kapitalanlage, dass im Hinblick auf die gegenwärtige Niedrigzinspolitik eine Überschreitung dieser niedrigen Mindestrendite kaum noch zu erreichen ist (mehr dazu hier). 
Der Referentenentwurf räumt auch Hemmnisse beiseite, die einer Verbreitung der bAV bislang entgegenstehen: Dazu zählt die Doppelverbeitragung für die Riester-bAV sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Rentenbezugsphase. Sie wird beseitigt. Außerdem wurde die Anrechnung von Zahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf die Grundsicherung reduziert, die gerade Niedrigverdiener davon abhalten kann, aus dem ohnehin knappen Einkommen noch eine betriebliche Altersversorgung zu finanzieren. 
Ebenfalls geregelt wurde laut Mercer eine schon seit langem diskutierte Änderung zur Insolvenzsicherung versicherungsgebundener Versorgungszusagen. Künftig soll der Versorgungsberechtigte im Falle der Insolvenz an Stelle der Leistungen durch den PSV die Übernahme und Fortführung der Rückdeckungsversicherung wählen können. 
Weitere Statements aus der Praxis 
Der Verband der Firmenpensionskassen (VFPK) wertet die Grundkonzeption des vorliegenden Referentenentwurfs zum Betriebsrentenstärkungsgesetz als ersten tatsächlichen Versuch, die betriebliche Altersvorsorge nachhaltig zu stärken. In der Zentrale in Berlin begrüßt man das Vorhaben der Bundesregierung, die Haftungsbefreiung der Arbeitgeber an den Verzicht auf Garantiezusagen der Versorgungseinrichtung zu koppeln. Damit sei der Weg frei für bAV-Produkte, die den Gegebenheiten des Niedrigzinsumfelds gerecht werden, so der VFPK. Zugleich stelle diese Regelung sicher, dass die betriebliche Altersversorgung weiterhin nicht unter das Solvency II Regime fällt. 
Darüber hinaus betont der Verband der Firmenpensionskassen, dass die Abschaffung der Anrechnung der bAV auf die Grundsicherung gerade für Geringverdiener ein zentrales Hemmnis beseitigt, an einer bAV teilzunehmen. Dass diese Neuerungen an die Bedingung geknüpft sind, dass das über die bAV angesparte Vermögen als lebenslange Rente ausgezahlt werden muss, erscheine sinnvoll. Schließlich soll die bAV die gesetzliche Rente ergänzen und dazu beitragen, dass Arbeitnehmer künftig auch als Rentner ihren Lebensstandard finanziell absichern können, argumentiert der VFPK. „Der völlige Verzicht auf Garantien auch seitens der Einrichtungen und die verpflichtende Zahlung als Rente sind angesichts der Aufgaben und Herausforderungen der kapitalgedeckten Altersversorgung aufsichtsrechtlich und sozialpolitisch konsequent und folgerichtig“ betont VFPK-Vorstand Dr. Helmut Aden. Darüber hinaus betont er, dass auch bei einem Wegfall der Garantien zusätzliche Leistungen der bAV, wie zum Beispiel Leistungen der Invaliden- und Hinterbliebenenrente, weiterhin möglich sind. Diese können auch in dem vorgeschlagenen Modell auf gleiche Art abgebildet werden wie die entsprechende Altersrente. 
Positiv bewertet der Verband zudem die Abschaffung der Doppelverbeitragung für Riester-Renten, die über Pensionskassen bezogen werden. Allerdings wäre es nur konsequent, so der VFPK, die doppelte Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – wie bei der Riester-Rente und der Direktversicherung – auch bei Pensionskassenleistungen aus privat fortgeführten Beitragszahlungen abzuschaffen. Dadurch würden Arbeitnehmer, die selbst für das Alter vorsorgen, nicht länger nachträglich bestraft werden. 
Aba: Änderungen an insgesamt 14 Gesetzen und Verordnungen
„Wirklich Überraschendes findet sich in dem Text nicht. Die grobe Linie wurde bereits im Dialog Alterssicherung vorgezeichnet“, sagte beispielsweise Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (Aba) mit Blick auf die Grundkonzeption des vorliegenden Referentenentwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz. Eine Ausweitung des Dotierungsrahmens für die externen Durchführungswege, ein neues Förderkonzept, die Einführung der reinen Beitragszusage, ein Anrechnungsfreibetrag im Bereich der Grundsicherung, ein Sozialpartnermodell: All dies sei bereits auf vielen Tagungen intensiv diskutiert worden. Nun gehe es darum, sich mit den Details des 68 Seiten umfassenden Entwurfs und den Änderungen an insgesamt 14 Gesetzen und Verordnungen zu beschäftigen und bis zum 24. November  Stellung zu nehmen. 
Der Köder muss dem Fisch schmecken – und nicht dem Angler 
„Mit dem Entwurf möchte der Gesetzgeber insbesondere mit verbesserten steuerlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Tarifpartner eine stärkere Verbreitung der bAV – vor allem im Hinblick auf Kleinunternehmen und Geringverdiener – erreichen“, kommentierte Uwe Buchem, Betriebsrentenexperte bei Mercer. Der Fisch müsse aber dem Köder und nicht dem Angler schmecken. „Ob die Tarifparteien die Chancen des neuen Gesetzes tatsächlich nutzen werden, bleibt abzuwarten. Um der Verbreitung der bAV einen stärkeren Impuls zu geben, wäre eine Ausweitung der neuen Möglichkeiten für alle Arbeitgeber, also auch für jene ohne Tarifvertrag, notwendig“, so Buchem. Die reine Beitragszusage als neue Zusageform, die den Tarifvertragsparteien vorbehalten ist, führe zu Kostensicherheit und zum Wegfall der Haftung für Arbeitgeber. Gleichzeitig biete die Möglichkeit einer flexibleren Kapitalanlage die Chance, höhere Renten für die Arbeitnehmer zu erzielen. 
portfolio institutionell newsflash 10. November 2016/Kerstin Bendix, Tobias Bürger
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