Immobilien
28. Oktober 2022

ESG teilt den Markt für Gewerbeimmobilien

RICS-Umfrage: Preisabschläge für nicht-nachhaltige Gewerbeimmobilien. Hürden bei der CO2-Bilanzierung, wenige Nachhaltigkeitsanalysen bei Projekten.

Die Nachfrage nach grünen Gebäuden im Gewerbeimmobiliensektor nimmt generell weiter zu. Das ist eins der Ergebnisse des Nachhaltigkeitsberichts der Royal Institution of Chartered Surveyors, RICS. Der Branchenverband hat dazu rund 4.000 Immobilienexperten weltweit und 2.000 aus Europa zum Thema ESG befragt. Die Umfrage zeigt, dass im vergangenen Jahr einige Verbesserungen beim Thema Nachhaltigkeit und Gewerbeimmobilien erzielt wurden, dies vor allem getrieben durch die gestiegene Nachfrage.

42 Prozent sagen, Klimabilanz spiele bei Projekten keine Rolle

Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass es in einigen wichtigen Bereichen in den vergangenen zwölf Monaten kaum oder gar keine Veränderungen gegeben hat. So äußerte sich im Bauwesen ein erheblicher Anteil von 42 Prozent der Befragten dahingehend, dass die CO2-Emissionen von Projekten, sowohl in Europa als auch in Deutschland, nicht gemessen werden.

87 Prozent der Befragten fordern mehr Nachhaltigkeit

Auch der Anstieg der Investorennachfrage ist in Europa stärker ausgeprägt als auf globaler Ebene. Rund 80 Prozent der Befragten in der Region sehen einen Anstieg der Investorennachfrage nach nachhaltigen Immobilien. Für Deutschland fällt das Ergebnis noch markanter aus. Hier verzeichnen sogar 87 Prozent der Befragten eine starke Investorennachfrage nach nachhaltigen Immobilien (38 Prozent leichter Anstieg und 49 Prozent deutlicher Anstieg). 45 Prozent der Befragten sehen in Europa (global: 40 Prozent) einen leichten Anstieg und 35 Prozent (global: 17 Prozent) einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien.

Digitalisierung noch zu wenig genutzt

Im Bauwesen werde damit begonnen, digitale Werkzeuge und Technologien zur Durchführung von Nachhaltigkeitsanalysen für Bauprojekte zu nutzen. Das spielt vor allem bei der Bewertung des Energiebedarfs und der Kosten eine Rolle. Weniger werden diese Werkzeuge zur Reduzierung des gebundenen Kohlenstoffs oder zur Messung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt genutzt. 42 Prozent der Befragten in Europa und auch in Deutschland gaben an, dass sie bei weniger als der Hälfte oder gar keinem ihrer Projekte digitale Werkzeuge und Verfahren zur Durchführung von Nachhaltigkeitsanalysen einsetzen.

Klimarisiken werden stärker analysiert

Ein weiteres Signal dafür, dass die Branche nachhaltigeren Immobilien mehr Aufmerksamkeit schenkt, ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Befragten in Europa (73 Prozent) einen Anstieg der Klimarisikobewertungen von Investoren für ihre Immobilien feststellte (global: 57 Prozent). In Deutschland liegt die Zahl höher als in ganz Europa bei 79 Prozent.

„Brauner Rabatt“ für nicht ESG-konforme Gebäude

Die europaweit steigende Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden wirkt sich sowohl auf die Mieten als auch auf die Preise aus.  So gibt ein erheblicher Anteil der Befragten an, dass eine Marktprämie für nachhaltige Gebäude gezahlt wird und dass nicht-grüne Immobilien einem „braunen Rabatt“ unterliegen. Bei den Gebäuden, die nicht als grün oder nachhaltig eingestuft werden, stellten 58 Prozent der Befragten einen Mietrückgang fest. 61 Prozent stellten auch einen Rückgang der Verkaufspreise fest.

Auch bei Mietverträgen häufig Abschläge

Damit ist Europa im weltweiten Vergleich führend, denn nur 45 Prozent der Befragten weltweit haben eine Senkung der Mieten und 47 Prozent eine Senkung der Verkaufspreise festgestellt. In Deutschland gaben 57 Prozent der Umfrageteilnehmer an, einen „brauen Mietrabatt“ zu sehen. Bei den Preisen waren es sogar 60 Prozent, die einen Abschlag für nicht-nachhaltige Immobilien feststellten.

Klimabilanz von Gebäuden wird noch wenig erfasst

Die Ergebnisse zeigen auch, dass es bei der Messung von Kohlenstoffemissionen noch viel Raum für Verbesserungen gibt. 76 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie keine operativen Messungen der Kohlenstoffemissionen bei Projekten vornehmen (global: 72 Prozent,  Deutschland: 71 Prozent). 47 Prozent der Befragten äußerten zudem, dass sie den in den Baumaterialien enthaltenen Kohlenstoff nicht messen (global: 49 Prozent, Deutschland: 58 Prozent), und selbst von denjenigen, die dies tun, verwenden nur elf Prozent (global: 16 Prozent,  Deutschland: acht Prozent) diesen Wert, um die Materialien auszuwählen, die sie in ihrem Projekt verwenden.

Hindernisse für die CO2-Bilanzierung

Bei der Frage nach den Hindernissen für die Verringerung der Kohlenstoffemissionen nannte mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) das Fehlen etablierter und verwendeter Normen, Leitlinien und Instrumente als das wichtigste Problem. In Deutschland lag die Zahl bei 53 Prozent der Umfrageteilnehmer. Daneben werden auch die hohen Kosten bzw. die geringe Verfügbarkeit von kohlenstoffarmen Produkten (Europa: 39 Prozent, Deutschland: 47 Prozent) sowie kulturelle Fragen und etablierte Praktiken (Europa: 40 Prozent, Deutschland: 27 Prozent) als Herausforderungen genannt.

Fehlende Standards für Messung

Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS in Deutschland, kommentiert: „Es ist erforderlich, Klimastrategien weiter zu entwickeln und etablieren, denn wir müssen dringend die klimagefährdenden Auswirkungen der gebauten Umwelt reduzieren. Verhaltensänderungen sind zwar zu beobachten, wie die höhere Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien oder der Anstieg der Klimarisikobewertungen von Investoren für ihre Assets. Aber auch die Messung aller Formen von Kohlenstoff ist entscheidend für die Veränderungen, die wir in der bebauten Umwelt erwirken müssen. Jedoch muss offen gesagt werden, dass die Branche die vorhandenen Instrumente und Standards auch einsetzen muss, und dass sie die Kohlenstoffbewertung und das Kohlenstoffmanagement zu einem integralen Bestandteil der Geschäftspraxis.

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