Risikomanagement trifft auf grüne Blase

Trotz der Marktkorrekturen bleibt das grundsätzliche Bild: Es gibt eine Verzerrung der Bewertungen zugunsten von Unternehmen mit gutem ESG-Rating. Zwar belegen Studien, dass Nachhaltigkeit das Risiko-Rendite-Profil von Unternehmen verbessern kann. Es bleibt aber die Frage, ob dies die hohen Bewertungen fundamental rechtfertigt. Wenn sich die allein aus politischem Gestaltungsdrang aufbauenden Niveaus nicht fundamental bestätigen, dürfte schnell die Luft aus Aktienkursen entweichen, deren Bewertung vor allem auf dem ESG-Momentum beruht.
Wesentlich für diese Fehlentwicklung ist das von vielen Nachhaltigkeitsfonds überbetonte „E“ im ESG-Dreiklang. Sie achten vor allem auf ­Klimawandel und CO₂-Reduzierung. ­Infolge dieser ein­seitigen Umwelt-Fokussierung kommt es in mehrfacher Sicht zur Kapital-Fehlallokation. Mindestens vier Fälle tauchen immer wieder auf:
Fall 1: Die Allokation erfolgt allein aufgrund der „richtigen“ ­Branche oder Produktgruppe. Und voilà: Der auf Flaschen-Rückgabeautomaten spezialisierte Maschinenbauer wird zu einem doppelt so ­hohen KGV gehandelt wie einer, der Verpackungsmaschinen herstellt. Fall 2: Die Allokation erfolgt allein aufgrund eines attraktiven ESG-Ratings, weil ein Fondsmanager sein bestehendes Portfolio „grüner“ machen möchte oder muss. Fall 3: Die Allokation erfolgt allein aufgrund eines „grünen Anstrichs“, wenn sich ­Unternehmen formieren, um mit ihrem grünen Image Geld aufzunehmen, ohne über ein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell zu verfügen. Fall 4: Die Allokation bleibt allein aufgrund der Zugehörigkeit zur „falschen“ Branche aus und es entsteht ein umgekehrtes ESG-Momentum nach unten. Manche Unternehmen entgehen diesem Nachteil, indem sie sich entsprechender Geschäftsfelder durch Verkauf ent­ledigen. Damit steigt ihre Attraktivität an der ESG-getriebenen ­Börse, während der umweltbelastende Teil unter neuem ­Eigentümer unverändert weiter produziert. Er wird dem Einfluss der Investoren entzogen und ihr Druck auf „grüne“ Innovation entfällt.
Für den Aufbau eines ESG-konformen Portfolios ist es daher wenig zielführend, sich von Aktien blenden zu lassen, die ihre Performance hauptsächlich dem ESG-Momentum verdanken. Vielmehr müssen alle drei ESG-Faktoren gleichermaßen eine Rolle spielen. Zudem gilt es, bei der Titelauswahl die Chancen neuer ­Technologien zur Effizienzsteigerung von Ressourcen zu nutzen. Die klassische Fundamentalanalyse, umgesetzt in einem aktiven Management­ansatz, der neben den finanziellen auch ESG-Kriterien berücksichtigt, verspricht hier die besten Ergebnisse.

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