Geldpolitische Divergenzen aktiv nutzen

Investitionen in Schwellenländer haben es seit der Finanzmarkt­krise geschafft, sich einen festen Platz in der Kapitalanlagestrategie von Versicherungsunternehmen zu sichern. Attraktive Renditen und eine niedrige Korrelation zu anderen Asset-Klassen trugen ­dazu bei. Der größte Faktor für die Reallokation von Kapital aus den Industrieländern in die lokalen Kapitalmärkte der Schwellenländer waren jedoch die historisch niedrigen Kapitalmarktrenditen in ­Europa und den USA. Dieser Trend ist seit 2020 gebrochen. Die Anhebung der Leitzinsen in den USA und durch die Europäische Zentralbank, bedingt durch das aktuelle inflationäre Umfeld, stellt diese Anlagestrategie nun in Frage.
Hier kommen die Zentralbanken der Schwellenländer ins Spiel. Diese haben sich seit der Finanzmarktkrise zu fähigen Gestaltern ihres eigenen Schicksals entwickelt. Durch Abschaffung der ­Währungsanbindung, Einführung einer Ausrichtung an Inflations­zielen und die Entwicklung von lokalen Kapitalmärkten haben sie für ihre Volkswirtschaften eine höhere Stabilität erreicht.
Die aktuelle Herausforderung besteht in der Umsetzung einer glaubhaften Politik der Bekämpfung der weltweit steigenden ­Inflation, der Verhinderung der Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale und der langfristigen Kontrolle der Inflationserwartungen. Unterschiede in der Vorgehensweise eröffnen Marktteilnehmern ­attraktive Investmentmöglichkeiten im Hinblick auf die ange­botene Realrendite.
Inflationsraten von zehn bis 20 Prozent, bedingt durch den hohen Anteil von Energie und Nahrungsmitteln im Warenkorb, führen ­ohne adäquate Zentralbankpolitik zu negativen Realrenditen und damit längerfristig zu Kapitalflucht. Wir bevorzugen hier Länder, die bereits letztes Jahr mit der Bekämpfung der Inflation begonnen haben und aufgrund ihrer aggressiven Zinserhöhungspolitik ­bereits auf fallende Inflationszahlen blicken können.
Insbesondere zu erwähnen ist hier Brasilien. Alternativ bieten sich Länder an, die aufgrund ihrer nationalen strukturellen und ­makroökonomischen Faktoren relativ gesehen weniger stark vom globalen Inflations­trend betroffen sind, zum Beispiel Südafrika. In beiden Fällen ist eine positive reale Rendite ex-ante Voraussetzung für ein Investment.
Auf der anderen Seite vermeiden wir Investitionen in Länder, die nicht bereit sind, den Preis der notwendigen Anpassungen zu ­zahlen und für Preisstabilität ein schwächeres Wirtschaftswachstum in Kauf zu nehmen. Für uns als Zinsinvestoren kommen ­daher ­Investments in Osteuropa mit negativen Realrenditen aktuell nicht in Frage.

Sabine Frühn, CFA, Senior Portfoliomanagerin,
Emerging Markets, MEAG

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