Recht, Steuer & IT
12. Juli 2023

Europäische ESG-Reporting-Standards ESRS in der Kritik

GDV begrüßt geplante European Sustainability Reporting Standards, kritisiert aber unter anderem fehlende Proportionalität. BAI äußert schwere Bedenken: Verwässerung der Datengrundlage erschwere Erfüllung der Offenlegungspflichten.

Die Europäischen Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen nehmen Gestalt an und wichtige Akteure der Finanzwirtschaft äußern sich dazu. So hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Montag seine Stellungnahme zum Entwurf der europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards (ESRS)) veröffentlicht. In der vergangenen Woche endete die Konsultation für die ESRS. Laut GDV wird damit gerechnet, dass die EU-Kommission ihren endgültigen Vorschlag für das erste Set der ESRS noch im Juli veröffentlicht.

Der Verband begrüßt die neuen ESRS-Regeln und erkenne die Bemühungen der EU-Kommission, damit ein praktikables und gut anwendbares Regelwerk zu schaffen, an. Das gelte insbesondere für den Materialitätsansatz, die Flexibilität bei einigen freiwilligen Veröffentlichungen sowie die Möglichkeit des „Phase-In“. Die Europäische Union kommt damit auf dem Weg zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft ein gutes Stück weiter. Insgesamt müsse die Nachhaltigkeitsberichterstattung aber leistbar bleiben.

Kommissionspräsidentin will Vorschriften um ein Viertel kürzen

Würden die Anforderungen zu komplex, kann sich auch ein gut gemeinter Ansatz leicht ins Gegenteil verkehren. Vor diesem Hintergrund begrüßt der GDV auch „sehr die Initiative von Kommissionspräsidentin von der Leyen, die Berichtsanforderungen übergreifend um 25 Prozent zu reduzieren“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands zur Stellungnahme.

Im Einzelnen spricht sich der Verband statt für ein „mehr“ für eine bessere und konsistentere Berichterstattung aus. Die Offenlegung nach den Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung solle unter anderem die Grundlage dafür schaffen, dass Versicherer vergleichbare und verlässliche Daten zu anderen nachhaltigkeitsbezogenen Informationspflichten haben. Werden etwa die für die Taxonomie-Verordnung oder Offenlegungsverordnung relevanten Daten in den Berichten weggelassen, sollte dies für die Nutzer der Berichte klar ersichtlich sein.

Scope 3 „äußerst komplex“

Zudem fordert der GDV, dass bei der Berichterstattung entlang der gesamten Wertschöpfungskette beachtet wird, dass die verbreiteten Konzepte aus der Realwirtschaft stammen und auf die Finanzwirtschaft nur mittelbar anwendbar sind. Da Versicherer Kapitalanlagen verwalten und Versicherungsverträge im Bestand haben, wäre die Berichterstattung über einzelne Anlagetitel oder Versicherungsverträge äußerst komplex. Informationen daraus wären „nicht mehr zu verarbeiten. Das Konzept der Wertschöpfungskette muss daher praxistauglich an die Wertschöpfung des Versicherungssektors angeglichen werden“, fordert der GDV.

Proportionalität nicht berücksichtigt

Ein weiteres Problem aus Sicht der Versicherungswirtschaft sind fehlende Vorgaben zur Proportionalität. So müsse ein mittelständischer Versicherer mit regionalem Geschäft die gleichen Berichtspflichten erfüllen wie ein globaler Konzern. Versicherern mit bis zu 250 Beschäftigten sollte die Nutzung von vereinfachten Standards erlaubt sein, fordert der Branchenverband. Außerdem sei die internationale Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren und eine doppelte Berichterstattung nach europäischen und internationalen ISSB (International Sustainability Standards Board)-Standards zu vermeiden.

Der Verband benennt in seiner Stellungnahme konkrete Inkonsistenzen zwischen der Offenlegungsverordnung (SFDR) und der Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und wie diese gelöst werden könnten. Die vollständige Stellungnahme auf Englisch finden Interessierte hier.

BAI spricht von „schweren Bedenken“

Anders als der GDV sieht der Bundesverband Alternative Investments (BAI) die vorgelegten, geplanten Nachhaltigkeitsstandards der EU sehr kritisch. In einer Mitteilung vom Mittwoch erhebt er schwere Bedenken („severe concerns“) gegen den aktuellen Entwurf der EU-Kommission. In Bezug auf die ESRS betont der BAI, dass die Daten der Unternehmen, die der CSRD unterliegen, von enormer Bedeutung für die Anleger und Vermögensverwalter seien, die in diese Unternehmen investieren. „Aufgrund der erheblichen Änderungen in den ESRS-Entwürfen zwischen den Versionen der EFRAG vom November 2022 und denen der EU-Kommission, die seit dem 9. Juni 2023 konsultiert werden, würden die von den Unternehmen nach CSRD/ESRS zu veröffentlichenden Daten zum Nachteil der Finanz- und Fondsindustrie drastisch geschwächt werden.“

Verwässerung durch ESRS

„Da die Regeln und Vorschriften der Sustainable Finance Iniative so eng miteinander verbunden und gegenseitig voneinander abhängig sind“, kommentiert Frank Dornseifer in seiner Stellungnahme in englischer Sprache sinngemäß, „gefährdet eine Verwässerung der Datengranularität unter dem ESRS die Fähigkeit der Marktteilnehmer, ihre Offenlegungspflichten gemäß der SFDR effektiv zu erfüllen. Die ESRS sollten sich am EFRAG-Entwurf orientieren, wenn es um mehr obligatorische Datenpunkte geht, während die Wesentlichkeitsanalyse abgeschafft oder zumindest für alle Bereiche, die unter der SFDR berichtspflichtig sind, neu überdacht werden sollte.“ Zum Hintergrund: Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) ist das Beratungsgremium, welches die Standards ursprünglich ausgearbeitet hatte. Die vollständige Stellungnahme des BAI finden Interessierte hier.

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