Pension Management
19. April 2021

Existenzkampf gegen den Niedrigzins

Die Kapitalanlage betrieblicher Versorgungswerke stößt im ­andauernden Niedrigzinsumfeld an ihre Grenzen. Der Ruf nach drastischer Senkung der Garantien wird dabei lauter. Was die ­großen Versorgungswerke tun.

Die Lage ist ernst und für manche Versorgungswerke auch wenig hoffnungsvoll, angesichts niedrigster Zinsen die Garantiever­sprechen früherer Jahre weiter bedienen zu können. Die großen Branchenversorgungswerke haben der Zinskrise bislang ­erfolgreich getrotzt, allen voran die Metallrente. Bei dieser sind die Gewerkschaft IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall gleichberechtigte Alleingesellschafter. Inzwischen haben sich auch die Stahlindustrie und die Branchen Textil und Bekleidung, IT sowie Holz und Kunststoff der Metallrente angeschlossen. Ende 2020 ­organisierten knapp 48.000 Firmenkunden (+ 1.900) mit mehr als 823.000 Verträgen (+ 54.000) ihre bAV über die Metallrente GmbH. Trotz Corona-Krise gab es 64 Millionen Euro Neubeitrag (- 36 Millionen). Der Bestand der Verträge zur kapitalgedeckten ­Altersversorgung (neben bAV wird dazu noch die Riester-Vorsorge gezählt) sei 2020 um knapp fünf Prozent auf einen neuen Rekord von besagten 823.000 Verträgen angestiegen. Hinzu kommen knapp 130.000 Policen privater Absicherung der Arbeitskraft (BU, Erwerbsminderung, Grundfähigkeit), für den Pflegefall und Hinterbliebenenabsicherung. Somit ist die Metallrente mit gut 950.000 Versicherten „weiterhin das größte Branchenversorgungswerk Deutschlands“, betont Geschäftsführer Heribert Karch. Damit die Risiken eines so großen Kollektivs auf mehrere Schultern verteilt werden können, arbeitet das Versorgungswerk mit einem Konsor­tium an Versicherern zusammen. Die Bestände werden von den Konsorten Allianz, R+V, Swiss Life, Ergo und seit Sommer 2020 auch der Versicherungskammer Bayern (VKB) gemäß ihrer jeweiligen Beteiligung gemeinschaftlich getragen (VKB ist bislang nur für die Arbeitskraftabsicherung dabei, nicht für bAV und Riester).

Vertrieb und Kapitalanlage in Regie von Konsorten

Auch den überwiegenden Teil der Kapitalanlage übernehmen die Konsorten. Innerhalb der Kapitalanlage gibt es aber auch ein ­exklusiv für Metallrente von Allianz Global Investors aufgelegtes und verwaltetes Metallrente-Fondsportfolio. „Über die strategische Kapitalanlage wird zweimal jährlich in unserem Kapitalanlage­ausschuss, dem auch Vertreter von IG Metall und Gesamtmetall angehören, entschieden“, betont Laura Leithold, Leiterin Konsortial­management bei der Metallrente. Alle Entscheidungen, die den Pensionsfonds und das Fondsportfolio betreffen, „liegen ­vollständig bei uns und unseren Sozialpartnern“, so Leithold weiter.

Beim sicherheitsorientierten Direktversicherungstarif („Profil“) geht die Kapitalanlage zu 100 Prozent in das Sicherungsvermögen der Versicherungspartner von Metallrente ein. Für 2021 gilt eine Gesamtverzinsung von 2,75 Prozent – samt Beteiligung an den ­Bewertungsreserven und nicht garantierter Schlussüberschüsse am Ende der Laufzeit (2020: 3,15 Prozent). Beim ­kapitalmarktnahen Direktversicherungstarif („Chance“) fließt die Kapitalanlage ins ­Sicherungsvermögen der Versicherungspartner und bis zu 50 ­Prozent in Aktien und Anleihen (Metallrente-Fondsportfolio). Hier beträgt die Gesamtverzinsung 2021 mindestens 2,65 Prozent (2020: 3,05 Prozent); hinzu kämen die Renditechancen aus dem Metallrente-Fondsportfolio.

Gerade der Metall-Pensionsfonds überzeuge dank moderner ­Kapitalanlage mit guter Verzinsung. Unter dem Namen ­„Klinikrente im Metall-Pensionsfonds“ können ab sofort auch Beschäftigte im Gesundheitswesen mit dem Metall-Pensionsfonds vorsorgen, ­berichtet Metallrente-Vorstandschef Heribert Karch. Seit dem Start 2003 habe der Pensionsfonds durchschnittlich 5,4 Prozent Rendite pro Jahr erzielt und wuchs 2020 um 11.200 Verträge (2019: + 14.400). In der Kapitalanlage fährt der Metall-Pensionsfonds drei Strategien. Basis ist die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML). Dadurch müssen zu Rentenbeginn mindestens die eingezahlten Beiträge abzüglich der Beiträge für Risikobausteine zur Verfügung stehen. Die Rentenhöhe wird zum Zeitpunkt des ­Rentenbeginns ermittelt und dann garantiert. Die Anlage erfolgt im „Metallrente-Fondsportfolio“, in Rentenpapieren und im Sicher­ungsprodukt der Allianz Leben. Dennoch wird hinterfragt, ob in der langfristigen Niedrigzinsphase bei einer BZML weiterhin 100 Prozent Beitragsgarantie darstellbar sind. „Die Absenkung der ­Garantien auf zum Beispiel 80 Prozent wäre bedenklich, weil die Anbieter dies sofort als Aufforderung zur vollen Absenkung ver­stehen würden“, warnte BMAS-Staatssekretär Rolf ­Schmachtenberg kürzlich auf der virtuellen Fachtagung „5. Berliner bAV-­Auftakt“, organisiert von Mathias Ulbrich, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Schmalkalden. Die reine Beitragszusage wäre in dieser Situation ein guter Ausweg, so Schmachtenberg.

Weniger Garantien sind mehr

Derweil haben sich einige Anbieter aus der BZML zurückgezogen, während sich die Metallrente nun vollständig auf diese Zusageart konzentriert. „Für Arbeitnehmer ist die BZML äußerst attraktiv und stellt die aktuelle Benchmark dar“, so Karch. Für Unruhe hatte kürzlich Marktführer Allianz gesorgt, der bei mehreren kapitalmarktnahen Tarifen die Rentenfaktoren senkte, darunter auch für die BZML des Allianz Pensionsfonds sowie die entsprechenden ­Tarife (Riester, Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) innerhalb der Metallrente. „Tatsächlich ist nur ein kleiner Teil ­unserer Verträge im Tarif „Chance“ – rund 50.000 – von einer ­Absenkung auf Basis der sogenannten Treuhänder-Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen betroffen“, sagt Leithold. Die Mindestrente bleibe weiter garantiert und entspreche ­genau der Höhe, die zu Vertragsbeginn zugesagt wurde, ergänzt die Expertin. Kostenabzüge seien weiter nur zulässig, sofern ­Bausteine zur Absicherung biometrischer Risiken eingeschlossen wurden, für deren Leistung Beitragsanteile verbraucht wurden. Leithold: „Arbeitgeber müssen nicht damit rechnen, Geld nachzuschießen, solange den Beschäftigten nicht mehr versprochen ­wurde als im Versicherungsvertrag vereinbart ist.“

Das sieht auch die Allianz selbst so. „Bei Anpassung des Rentenfaktors bleiben garantierte Leistungen in vollem Umfang erhalten“, betonte Erika Biedlingmeier, Leiterin des Rechtsfragenreferats im Bereich Firmen-Vertrieb-Beratung der Allianz Leben, auf besagter Fachtagung. Allerdings klappt das nur, wenn die Regelung zum Rentenfaktor und die Kürzungsmöglichkeit durch die Treuhänderklausel zum Inhalt der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage ­geworden ist. Bei der inzwischen häufiger genutzten beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ) gebe es dagegen überhaupt keine gesetzlichen Vorgaben für eine Mindestleistung. „Das Bundes­arbeitsgericht gibt lediglich vor, dass der BoLZ-Beitrag unmittelbar zu einer Leistung führen und dem Arbeitnehmer möglichst genau erklärt werden muss“, so Biedlingmeier. Alles andere bestimme die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

„Eine BoLZ mit geringerer Garantie ist besser als die bisherige Welt, denn im Niedrigzinsumfeld benötigen alle Risikobudgets“, benennt Metallrente-Chef Karch die angespannten Rahmen­bedingungen. Die Zukunft sieht Karch aber in der reinen Beitragszusage, mit der viele noch fremdeln. Deren Hauptstärke liege in den vorteilhafteren Rechnungsgrundlagen und perspektivisch in der höheren Unabhängigkeit von der Zinspolitik der Notenbanken.

Auch Klinikrente setzt auf kapitalmarktnahe Produkte

Auch das Versorgungswerk Klinikrente meldete 2020 Zuwachs. Rund 14.300 Menschen aus der Gesundheitsbranche kamen neu hinzu (2019: + 16.600). Insgesamt 360 weitere Unternehmen stießen hinzu (2019: +480), sodass nun rund 4.700 Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen im Versorgungswerk sind (2019: 4.400). Ende 2020 verzeichnete die Klinikrente einen Bestand von 102.900 versicherten Personen, davon 76.000 in der bAV.

Auch bei der Klinikrente agiert ein ähnlich zusammengesetztes Konsortium im Hintergrund bei Kapitalanlage und Vertrieb, ­berichtet Geschäftsführer Hubertus Mund. Risikoträger sind ­Allianz, Condor, Deutsche Ärzteversicherung, R+V und Swiss Life. Den Niedrigzinsen wartet die Klinikrente in den Durchführungswegen klassischer Direktversicherung und U-Kasse mit vergleichsweise guter Gesamtverzinsung „von bis zu 3,0 Prozent“ auch 2021 auf (2020: bis 3,15 Prozent). Geboten werden nach dem Vorbild der Allianz Leben auch modernere Anlagekonzepte: „Perspektive“ (neue Klassik) und „Komfort Dynamik“.

Den Trend zu mehr kapitalmarktnahen Produkten gibt es in weiten Teilen der versicherungsförmigen bAV. „Die 100-Prozent-Beitragsgarantie bei Riester und der BZML sollte der Gesetzgeber rasch kippen”, fordert Guido Bader, Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) und Vorstand der Stuttgarter Leben. Der Grund: „Mittlerweile sind die Zinsen so niedrig, dass der Beitragserhalt nur mit Mühe versicherungsförmig garantiert werden kann“, ­beobachtet Friedemann Lucius, Vorstandschef des DAV-Zweig­vereins IVS. Das Arbeitsrecht müsse dringend geändert werden, damit dem Arbeitgeber nicht Garantien aufgebürdet werden, die ein aufsichtsrechtlich regulierter Versorgungsträger so nicht mehr übernehmen kann.

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