Banken
23. November 2023

EZB sieht Risiken ausgehend vom Gewerbeimmobiliensektor

Aussichten für die Finanzmarktstabilität im Euroraum nach wie vor „fragil“. Bundesbank: Institute haben Zinswende bisher gut verkraftet.

Der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge ist die Wirkung der strafferen Geldpolitik und damit der gestiegenen Finanzierungskosten und strengeren Finanzierungskonditionen noch nicht in Gänze in der Realwirtschaft angekommen. Die Aussichten für die Finanzstabilität im Euroraum seien nach wie vor „fragil“. Das teilte die EZB anlässlich ihres am Mittwoch vorgelegten Finanzstabilitätsberichts für November 2023 mit.

Demnach rechnet die EZB damit, dass sich die strengeren finanziellen Bedingungen in einem Umfeld schwachen Wachstums, hoher Inflation und verstärkter geopolitischer Spannungen zunehmend auf die Realwirtschaft auswirken. Die Banken im Euroraum profitierten zwar einerseits von den höheren Zinssätzen, sähen sich auf der anderen Seite aber mit mehr Gegenwind durch höhere Refinanzierungskosten, eine schlechtere Qualität der Aktiva und geringeres Kreditvolumen konfrontiert. Das gesamte Ausmaß der höheren Finanzierungskosten sei in der Realwirtschaft noch nicht vollständig spürbar. „Die schwachen Wirtschaftsaussichten und die Folgen der hohen Inflation belasten die Fähigkeit von Menschen, Unternehmen und Regierungen, ihre Schulden zu bedienen“, so EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. Von „entscheidender Bedeutung“ sei es für die Währungshüter, „weiterhin wachsam zu sein, während sich die Wirtschaft auf ein Umfeld höherer Zinssätze in Verbindung mit wachsenden Unsicherheiten und geopolitischen Spannungen einstellt.“

Immobilienunternehmen anfällig für Verluste

Außerdem sehen die Währungshüter besondere Risiken ausgehend vom Gewerbeimmobilienmarkt. Angesichts des anhaltenden Abschwungs in diesem Sektor des Euroraums seien Immobilienunternehmen besonders anfällig für Verluste. In einem Umfeld verschärfter Finanzierungsbedingungen und erhöhter makrofinanzieller Unsicherheit seien die Preise für Gewerbeimmobilien bis zum zweiten Quartal 2023 weiter gesunken, wobei die gedämpfte Marktaktivität die Preisfindung erschwere.

ESG-Bedenken dämpfen Nachfrage bei Büros

Die Auswirkungen der höheren Zinssätze seien durch die strukturell geringere Nachfrage nach einigen gewerblichen Immobilienobjekten nach der Pandemie noch verstärkt worden. Tatsächlich habe sich die Nachfrage nach Büroflächen im zweiten Quartal 2023 deutlich verschlechtert, insbesondere im Non-Prime-Segment, in dem Bedenken über den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden eine wichtigere Rolle spielten.

Herausforderungen für einzelne Banken steigen

Diese Mischung aus konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen habe dazu geführt, dass Immobilienunternehmen in den vergangenen Monaten erhebliche Rating-Herabstufungen hinnehmen mussten. Besonders schwierig seien die Bedingungen für Immobilienentwickler gewesen, die mit sinkenden Verkaufspreisen, schrumpfenden Auftragsbeständen und steigenden Inputkosten konfrontiert sind.

Die EZB sieht hier zwar keine akute Gefahr für das Bankensystem, warnt aber in ihrem Bericht vor höheren Risiken für in diesem Sektor stärker engagierte Banken: „Aus der Perspektive des Systemrisikos ist es unwahrscheinlich, dass ungünstige Ergebnisse am Gewerbeimmobilien-Markt für sich genommen Verluste verursachen, die den Bankensektor des Euroraums unter die Mindesteigenkapitalanforderungen drücken würden, aber eine signifikante Verschlechterung der Qualität von Gewerbeimmobilien-Aktiva könnte einige Banken, die stärker in Gewerbeimmobilien-Krediten engagiert sind, vor Herausforderungen stellen.“

Bundesbank: Kernkapitalquote der Banken bei 18 Prozent

Auch die Bundesbank sieht erhöhte Kreditrisiken im Bereich der Gewerbeimmobilien, da relativ kurze Zinsbindungen eine schnelle Weitergabe höherer Zinsen an die Kreditnehmer ermöglichen. Kreditrisiken aus der Finanzierung von Wohnimmobilien seien angesichts einer stabilen Arbeitsmarktlage und festen Zinsbindungen mittelfristig zwar noch begrenzt, sollten aber ebenfalls im Fokus von Instituten und Aufsicht bleiben, so die Bundesbank.

Etwas positiver fällt die Gesamtbeurteilung der Bankenlandschaft durch die Bundesbank aus: Die aktuell gute Gewinnlage ermögliche es den Instituten, ihr Kapital und damit ihre Resilienz gegenüber negativen Entwicklungen weiter zu stärken, sagte Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, anlässlich der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2023. Auch in negativen Szenarien sollten die Institute ausreichend kapitalisiert und liquide sein, um Schocks aus eigener Kraft abfedern zu können. Resilienz erfordere zudem Investitionen in die IT-Infrastruktur, um auch gegen Cyberrisiken gewappnet zu sein.

Viele Institute profitierten von den gestiegenen Zinsen und verzeichnen aktuell höhere Gewinne. So sei die Kernkapitalquote der Banken ist zuletzt weiter gestiegen und betrage derzeit rund 18 Prozent. Mittelfristig könnten die Zinsmargen allerdings unter Druck geraten, denn bislang seien höhere Zinsen nur unvollständig an die Einleger weitergegeben worden. Die Kreditnachfrage sei schwach und begrenze die Möglichkeiten der Banken, ihre Zinserträge zu steigern. Als Reaktion auf gestiegene Kreditrisiken strafften die Banken ihre Vergabestandards. Darüber hinaus hätten die Banken in erheblichem Maße stille Reserven abgebaut, um Marktpreisverluste ihrer Aktiva abzufedern. Gleichzeitig seien die stillen Lasten bei Banken und Versicherern gestiegen.

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