Schwarzer Schwan
15. April 2016

Feuer und Flamme

Rauchen gefährdet die Gesundheit, nicht in Zigaretten zu investieren die Rendite.

Investieren Sie eigentlich (noch) in Alkohol-, Tabak- und Glücksspielfirmen? Oder ist das ein absolutes Tabu für Sie? Während die einen sagen, dass ESG, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility auf jeden Fall Performance kosten sowie ertragloser Aufwand, Augenwischerei und Gutmenschentum sind, meinen die anderen: Der Business Case für verantwortliches Investieren sei belegbar. ESG bringe Alpha. Die Fronten sind, wie sollte es bei so einem heiklen Thema auch anders sein, verhärtet. Laut dem „Lexikon der Nachhaltigkeit“ steht beispielsweise die industrielle Tabakherstellung bei ethisch orientierten Anlegern oft auf dem Index, da sie mitunter nicht ökologisch erfolgt. Und Rauchen gefährdet ja auch die Gesundheit. 
Bereits seit den 1970er Jahren haben sich mehr als 2.200 empirische Untersuchungen mit Fragen zum Zusammenhang von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) und der Finanzperformance beschäftigt. Geht es nach der Deutschen Asset Management und der Universität Hamburg ist nun ein für allemal Schluss mit der Debatte. Ihrer soeben veröffentlichten Meta-Studie „ESG & Corporate Financial Performance: Mapping the Global Landscape” zufolge ist der Business Case für verantwortliches Investieren klar belegbar. 
Ethisch sauber 
Christliche Investoren schließen Unternehmen aus der Rüstungsgüterbranche kategorisch aus ihrem Anlageuniversum aus. Bei Alkohol drücken sie bisweilen aber ein Auge zu. Schließlich unterhalten Kirchen und Klöster Weinberge und Brauereien. Für manchen anderen Großanleger sind die sogenannten Sünden-Aktien dagegen ein absolutes Tabu. Dabei gibt es für einen Investmentmanager keine schöneren Industrien, auch wenn Sex, Alkohol und Glückspiel stark korrelieren. Denn alle drei Sektoren werfen eine nachhaltige Outperformance ab, wie eine im Journal of Portfolio Management von den US-Professoren Fabozzi, Ma und Oliphant präsentierte Studie ergab. Wertpapiere mit einer Verbindung zu Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Porno, Waffen und Biotechnologie überzeugen darin mit einer jährlichen Rendite von 19 Prozent. Dagegen rentierte der allgemeine Aktienmarkt im Schnitt mit knapp acht Prozent. In die Untersuchung gingen 267 „Sin Stocks“ aus 21 Staaten im Zeitraum von Januar 1970 bis Juni 2007 ein.
Dass Sin Stocks Charme versprühen, mussten zuletzt auch die Anlageexperten beim California Public Employees’ Retirement System (Calpers) feststellen. Der laut dem Fachmagazin Pensions & Investments größte Anbieter von Leistungszusagen in den USA hat sich im Jahr 2001 aus Investments rund um das Thema „Tabak“ zurückgezogen. Wie sich nun herausgestellt hat, sind dem Altersvorsorgevehikel für Angestellte des Bundesstaats Kalifornien dadurch in der Zwischenzeit Investmenterträge in Milliardenhöhe durch die Lappen gegangen. Der Investment Consultant Wilshire Associates hat ausgerechnet, dass Calpers nach der Verbannung seiner Tabak-Beteiligungen und anderer Branchen zwischen 2001 und Ende 2014 nicht weniger als 3,037 Milliarden US-Dollar entgangen sind. 
Sich über den entgangenen Geldregen zu ärgern, bringt eigentlich nichts. Zumal auch andere namhafte Großanleger, wie Harvard Management und Stanford Management – das sind diejenigen, die die Milliarden der gleichnamigen US-Universitätsstiftungen verwalten –, bei Tabak-Aktien auf Entzug gegangen sind. Aus diesem Blickwinkel heraus ließe sich der Schmerz der Abstinenz vielleicht ertragen. Oder etwa doch nicht? 
Fluppen gegen den Stress
Bei den Kaliforniern scheinen die Gedanken heute um nichts anders als den verpassten Gewinn zu kreisen. Wie sonst lässt es sich erklären, dass man im Hauptquartier in Sacramento Feuer und Flamme ist für den Gedanken, nun doch wieder in Tabakfirmen zu investieren. Wenn sich am 18. April das Investment-Komitee trifft, steht dieser Punkt laut Pensions & Investments auf der Agenda. Es ist demnach gut möglich, dass die mit fast 300 Milliarden US-Dollar hantierende Pensionseinrichtung wieder zur Zigarette greift, um in Zeiten niedrigster Zinsen jede sich bietende Gelegenheit für den Renditekick auszukosten. Zumal die alternde Bevölkerung den Druck auf auskömmliche Renditen noch steigert. 
Dass in Zeiten niedriger Zinsen nachhaltige Kapitalanlagen bei manchem Investor ein wenig zu kurz kommen, nun, daran muss man sich wohl gewöhnen. Das Problem bei Calpers besteht jedoch darin, dass die Kalifornier auch ein Anbieter von Gesundheitsleistungen sind. Die im Juni 2016 abtretende Chefin Anne Stausboll sagte rückblickend auf sieben erfolgreiche Jahre an der Spitze bei Calpers: „Es war eine Ehre und ein Privileg, Calpers, unserem Board, den Mitarbeitern und den Bediensteten des Bundesstaats Kalifornien, zu dienen“. Die von den Medien sogenannte 300-Milliarden-Dollar-Frau ziert dieses Schwarzen Schwan mit ihrem Konterfei und meint: „Zusammen haben wir Calpers zu einer stärkeren Organisation gemacht, die gut positioniert ist, Altersvorsorge und Gesundheitsschutz für künftige Generationen anzubieten. Ich bin stolz auf unseren Fortschritt und bereit, das nächste Kapitel meines Lebens anzugehen.“ 
Wenn in Sacramento nun bald tatsächlich wieder in Tabak investiert würde, dann wäre das mindestens so paradox, wie das Beispiel der Bill und Melinda Gates Foundation. Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda wollen ja bekanntermaßen den Klimawandel bekämpfen und saubere Energien fördern. Dabei hat die Vermögensverwaltung ihrer Stiftung im Jahr 2013 allein 1,4 Milliarden Dollar in Firmen investiert, die Öl, Gas oder Kohle fördern. Da hat die Compliance-Abteilung wohl geschlafen. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein erholsames Wochenende. *hust* 
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