Strategien
26. Februar 2024

Finanzanalyse mit Humor

Deutschlands bekanntester Finanzanalytiker setzt sich zur Ruhe. Die Kolumnen von Volker Looman haben die FAZ geadelt – mit klarem Sachverstand und humoriger Betrachtungsweise. Zu Ostern endet seine Zeitreise als Lohnschreiber. Hier einige Kolumnen-Highlights zur Betriebsrente und anderer Altersvorsorge.

Volker Looman, Deutschlands wohl bekanntester Finanzanalytiker und kurz nach Ostern 69 Jahre jung, kündigt nun öffentlich an, dass am 26. März Schluss ist mit seinen wöchentlichen Kolumnen in der FAZ. Dann wird er seit 1999 auf 1.240 Artikel in dieser Rubrik gekommen sein und wendet sich vom Lohnschreiben ab. „Alles hat seine Zeit“, so Looman gewohnt unprätentiös. Nebenbei hat er jahrelang gutbetuchten Privatanlegern das Vermögen strukturiert, die Finanzen geordnet sowie Renditen verglichen.

Einen schreibenden Rechenknecht hat er sich mal selbst genannt und damit sein Licht unter den Scheffel gestellt. Ein Beispiel für seine unverwechselbare Art, dröge Finanzmaterie verständlich zu machen und aufzulockern: In der FAZ gab er einmal Ehegattinnen mittels Barwertberechnungen Hilfestellung zur Strukturierung ihres ganz persönlichen Humankapitals: „Nehmen Sie an, dass Ihr Gatte zehn Jahre arbeiten geht und jährlich 75.000 Euro verdient. Nach Abzügen bleiben jährlich 53.000 Euro. Der Barwert dieser Zahl­ungen, die jährlich um ein Prozent steigen, liegt bei etwa 408.000 Euro, wenn die Einkommen wie bei den Aktien mit jeweils sechs Prozent abgezinst werden.“

Dieser Betrag ist quasi der Marktwert des Ehepartners beziehungsweise der Preis, zu welchem dieser über den Tisch gehen könnte, wenn er nicht mehr in ihr Portfolio passt. Gleichzeitig wären die 408.000 Euro der Benchmark, den die Dame an mögliche neue Ehe-Assets anlegen kann.

Selten verlässt der FAZ-Kolumnist die Privatanleger-Perspektive, aber wenn, dann mit Karacho. So auch beim Thema Betriebsrente. Wie das angesparte Vermögen zu Rentenbeginn sinnvoll ausgezahlt werden sollte, dafür sieht er drei Optionen und exerziert es an einem Beispiel durch. Das bAV-Versorgungskonto eines verheirateten Ingenieurs (67) weist zum Rentenstart 200.000 Euro auf. Der Mann wurde von seinem Konzern-Arbeitgeber vor die Wahl ­gestellt, sich lebenslang für 986 Euro Monatsrente zu entscheiden oder stattdessen eine oder mehrere größere Teilauszahlungen plus „Kleinrenten“ zu wählen – entweder einmalig 132.500 Euro plus 269 ­Euro lebenslange Monatsrente oder 20 Jahresraten à 6.625 Euro plus 269 Euro lebenslange Monatsrente.

Looman tut in solchen Fällen, was er nach eigener Aussage am besten kann: Er rechnet nach. Ausgangspunkt ist eine Rentendauer von 23 Jahren, „weil der Mann der guten Hoffnung ist, wie seine Vorfahren rund 90 Jahre alt zu werden“, schreibt Looman. Wie fällt der Vergleich aus?

Bei der lebenslangen Betriebsrente fallen bei rund 25.000 Euro ­gesetzlicher Altersrente in der Familie 2.772 Euro Einkommensteuer plus monatlich 127 Euro für die Krankenkasse sowie 30 Euro für die Pflegekasse an. Macht nach Looman 598 Euro monatlich netto. Rendite bis zum 90. Geburtstag: minus 1,36 Prozent.

Wählt der Ingenieur die hohe Einmalzahlung von 132.500 Euro, führt das zu 48.410 Euro Steuerzahlung. Die Krankenkasse verteilt die Einmalzahlung auf zehn Jahre und verlangt dafür 120 Beiträge à 187 Euro, die Pflegekasse 120 Beiträge à 42 Euro. Die restlichen 269 Euro lebenslange Monatsrente sinkt durch dieselben Abgaben auf 244 Euro. Rendite bis zum 90. Geburtstag: minus 7,66 Prozent. „Das sind rund 81.000 Euro weniger als bei der reinen Verrentung, man kommt vom Regen in die Traufe“, sagt Looman.

Wählt der Mann die dritte Option, sei dies „die Mitte des Rentenschmerzes“, so der Finanzanalytiker. Die Monatsrente von 269 Euro und die jährlichen Extraleistungen von 6.625 Euro führen in den nächsten 20 Jahren zu Steuern von jeweils 2.268 Euro.

Danach wird der Fiskus noch drei Jahre lang je 666 Euro fordern – falls der Mann noch länger lebt, auch in den Jahren danach. Die Monatsrente sinkt nach SV-Abgaben wiederum auf 244 Euro. Rendite bis zum 90. ­Geburtstag: minus 3,39 Prozent. Das macht 55.000 Euro weniger als bei der reinen Verrentung. Bei allem Ärger über die teils heftigen Abzüge mahnt Looman zu Demut: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul und die Betriebsrenten großer Konzerne sind ein Geschenk des Himmels.“ Looman hat dem Mann übrigens zur lebenslangen Rente geraten, weil der „Schaden“ da am geringsten ist, wenn der Rentner mindestens 90 Jahre alt wird.

In einem anderen Fall stellt eine gutverdienende Frau (50) fest, dass sie mit 67 wohl 1.000 Euro weniger gesetzliche Altersrente bekommt als sie zum Leben braucht. „Da helfen nur zwei Dinge: Arbeiten und sparen“, bringt es Looman gewohnt trocken auf den Punkt. Er rät, ab sofort jeden Monat mindestens 1.000 Euro zur ­Seite zu legen und rechnet Optionen durch. Als erstes kommt eine klassische Rentenversicherung bei einem Direktversicherer in Betracht. Bei 1.000 Euro monatlicher Sparrate stehen nach 17 Jahren womöglich 220.000 Euro zu Buche. Der Gewinn ist zur Hälfte zu versteuern. Rendite nach Steuern: rund 0,7 Prozent. Samt Inflation droht eine negative reale Verzinsung.

Als zweites wird bei demselben Direktversicherer eine Mischung aus ETF und Rentenversicherung geboten. Bei einer 6,0-Prozent-Verzinsung vor Kosten und Steuern wird das Endguthaben in 17 Jahren rund 343.000 Euro betragen – ohne Garantie. Rendite nach Steuern: 4,84 Prozent „Indexfonds im Mantel der Rentenversicherung sagen mir trotzdem nicht zu, weil die Police überflüssig ist“, so der Finanzanalytiker.

Damit kommt die dritte Lösung ins Spiel: die reine Anlage in ETF, als Mix aus Renten und Aktien. Mit einem preisgünstigen Depot bei einer Direktbank liegt das Endergebnis bei 5,29 Prozent pro Jahr nach Steuern, weil mehr Geld als im Versicherungsmantel zur Altersvorsorge arbeiten kann. Fazit: Letztlich ist die Wahl eine persönliche Entscheidung, so Looman. Wichtig sei nur die Einsicht, selbst etwas tun zu müssen und sich nicht auf andere zu verlassen.

Ob denn neben ETFs auch semipassive Varianten wie gleichgewichtete ETFs oder ETFs mit Style Bias, die ein paar Basispunkte mehr kosten, interessant seien, wollte portfolio institutionell im persönlichen Gespräch mit Looman wissen. Seine lapidare ­Antwort: „Alles grober Unfug, modischer Schnickschnack.“ Sein Motto: Keep it simple and stupid. „Zu einem kostengünstigen Weltportfolio gibt es einfach keine Alternativen.“ Häufig wird er auch von Mittdreißigern gefragt, ob der Kauf eines Eigenheims noch lohnt. Es gebe auch ein Leben ohne Eigenheim. „Häufig ist es besser, zur Miete zu wohnen und nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds zu investieren – in Aktien, Anleihen und Immobilien“, schlägt Looman vor.

Der Staatsfonds hat seit seiner Auflage 1998 im Mittel 6,0 Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaftet. Baut ein Privatanleger den Staatsfonds mit Hilfe von ETFs nach, in die monatlich 1.500 Euro fließen, so muss er mit Kosten von 30 Basispunkten rechnen. Von der verbleibenden Rendite sind 70 Prozent zu versteuern. Somit bleiben nach Looman 4,65 Prozent Nettorendite pro Jahr und nach 25 Jahren 839.000 Euro Guthaben. „Besitz ist aber kein Lebenszweck“, meint Looman und empfiehlt, „vier Fünftel des Kapitals bis zum 90. Geburtstag mit beiden Händen auszugeben“. Der Rest ist als Notgroschen ausreichend.

Die eigenen Kinder und Enkel sollten zunächst einmal für sich selbst sorgen lernen, empfiehlt der vierfache Vater. Solange man kein verbissener Work-Life-Balancer ist, gesund bleibt und die Ehe nicht in die Brüche geht, sei finanziell vieles möglich. „Größtes Kapital ist die eigene Arbeitskraft“, betont Looman. Die Kombination mit Arbeiten, Leben und Anlegen in kleinen Schritten favorisiert er seit Jahren.

Ein letztes Beispiel: Wie lösen Häuslebauer das Problem mit der Kreditprolongation bei gestiegenen Zinsen? Looman: „Wenn die gestiegenen Zinsen tatsächlich ein Problem sind, muss die Finanzierung von Anfang an auf Kante genäht worden sein. Sollte der Kreditzins zum Beispiel von 1,0 auf 3,0 Prozent gestiegen sein, gibt’s in meinen Augen zwei Möglichkeiten. Erstens: Den privaten Konsum einschränken, beispielsweise Urlaub aussetzen. Zweitens: Standardtilgung zurückfahren, Sondertilgungen vereinbaren, Einkommen steigern, Sondertilgungen leisten!“

Weiter will portfolio institutionell wissen, ob die Eigenbedarfskündigung für Private der Joker ist, den Institutionelle nicht haben? „In der Regel nicht, weil die meisten Eigentümer zwei Immobilien besitzen: Die eine zur Eigennutzung, die andere zur Vermietung“, antwortet Looman.

Loomans rechnerisch belegte Lebensweisheiten werden den FAZ-Lesern schmerzlich fehlen. Da fügt es sich gut, dass der ­Finanzanalytiker bald mit einem wöchentlichen Digitalmagazin für Millionäre starten will, das ganz einfach „Volker Looman“ heißt.

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