Schwarzer Schwan
16. Dezember 2016

Finanzwissen für alle

Der letzte Schwarze Schwan des laufenden Jahres: Hier drängen sich die Kandidaten, anders als sonst, in rauen Mengen auf. Denn man könnte geneigt sein, einen Blick zurück zu werfen, auf die Highlights des Jahres.

Los geht es zunächst einmal mit Trumps Triumph. Und dann wäre da auch die unverhoffte Karriere von Boris Johnson: früher ulkiger Bürgermeister Londons, heute ulkiger Außenminister Großbritanniens. Oder Mario Draghi:Als Großinvestor bei Staats- und Unternehmensanleihenschnappt er das Material denen, die darauf angewiesen sind – das sind bekanntlich Sie, liebe Leser – vor der Nase weg. Immer wieder für einen Schwarzen Schwan gut sind auch die Lehrer in der kanadischen Provinz Ontario. Eben erst haben die nachhaltigkeitsgetreuen Pädagogen mit ihrem prall gefüllten Sparsäckeleinen Weinproduzenten übernommen, nun kam auch noch ein britisches Bestattungsunternehmen mit ins Portfolio. Wegen der stabilen Cashflows. Ganzjährig großes Kino boten auch die beiden Fußball-Investoren Michael Kühne (HSV) und Hasan Ismaik (1860 München). Seit langem liefern die beiden Traditionsvereine außerhalb des Spielfelds mehr Entertainment als auf dem Platz.

Doch was ist so ein Blick zurück schon wert, wenn man kurz vor dem Jahresende durch eine unerwartete Hausse beim Ölpreis, beim S&P 500 und beim Dax in Feierlaune kommt? „Kaum sind Konfetti und Luftschlangen der Trump-Anhänger zu Boden gefallen, da geht der amerikanische Markt auch schon auf Höhenflug“, freut sich Didier Le Menestrel, Chairman beim Asset Manager La Financière de l’Echiquier. Konfetti und der S&P 500 sind also negativ korreliert. „Die anfänglichen Zweifel sind rasch verschwunden und der besorgniserregende Kandidat Donald Trump hat sich zu einem marktfreundlichen Präsidenten gemausert.“ Seitdem jagt der Dow Jones einen Rekord nach dem anderen. Aber auch Standard & Poor’s, Nasdaq oder der kleine Börsenkapitalisierungen umfassende Russel 2000 klettern auf neue Höchststände“, so Didier Le Menestrel. Und das ist etwas Besonderes. 

In Zeiten wie diesen fällt es leicht, Aktien anzupreisen. So wie etwa der Fondsverband BVIdas gerade tut. Auf dessen Homepage heißt es nun: „Viele Großeltern wollen ihren Enkeln zu Weihnachten Dinge schenken, an denen sich die Kinder lange erfreuen. Aus Kleidern aber wachsen die Kinder schnell heraus. Auch Spielsachen stehen bei der Jugend nur für kurze Zeit hoch im Kurs. Meist gibt es daher Geldgeschenke aufs Konto. Doch sinnvoller als ein einmaliger Geldbetrag ist ein langfristiger Sparvertrag mit attraktiven Renditeaussichten, mit dem sich die Enkel später Wünsche erfüllen können.“ Einen Sparvertrag gebe es auch mit Investmentfonds, frohlockt jedenfalls die Aktion „Finanzwissen für alle“ der Fondsgesellschaften. 

Fonds unterm Weihnachtsbaum

Jesse Felder, Initiator des Finanzinformationsdienstes„The Felder Report“, ist da eher skeptisch. Denn nach der jüngsten Kurserholung liegt der Gesamtwert aller US-Aktien und US-Unternehmensanleihen in Relation zur Bruttowertschöpfung exakt auf dem Niveau des bisherigen Spitzenwerts, erreicht im ersten Quartal 2000. Damals platzte die Dotcom-Blase. Nun darf jeder für sich selbst entscheiden, was das für die Zukunft bedeutet. Und ob man ausgerechnet jetzt mit einem Sparplan für Investmentfonds anfangen sollte. 

Didier Le Menestrel von La Financière de l’Echiquier warnt mit Blick auf die synchrone Entwicklung bei US-Aktien, dass eine solche Konstellation selten vorkommt – „zuletzt im Winter 1999, als die Börsentemperaturen deutlich über den saisonalen Durchschnittswerten lagen – gefolgt von einer unvergesslichen Schlappe!“ In den hohen Bewertungen des Marktes spiegelten sich aber auch eher strukturelle Unterschiede wider, wie zum Beispiel die längere Lebensdauer von Aktienbesitzern oder die Nachfrage nach amerikanischen Werten durch eine immer größere Zahl von Anlegern. „Sie könnten aber auch ganz einfach auf das knappe Angebot zurückzuführen sein: Die Zahl börsennotierter Werte geht in den USA seit 1996 stetig zurück – von 7.500 Ende der 1990er Jahre auf 3.700 heute. Der größte Index der USA – der Wilshire 5000 – hat seinen Namen eigentlich nicht mehr verdient: Er zählt heute nur noch 3.515 Werte“, erklärt Didier Le Menestrel. 

Erste Ursache für diesen Schwund: Immer mehr Unternehmen von erheblicher Größe finden Finanzierungen und Aktionäre, ohne organisierte Märkte in Anspruch zu nehmen. Der zweite Grund sei reine Mathematik: Die Anzahl der Kuchenstücke werde kleiner. So sei der Saldo aus an der Börse neu gelisteten Unternehmen minus der übernommenen Unternehmen minus der Anzahl der Titel, die Gegenstand von Aktienrückkäufen ihrer Muttergesellschaft sind, inzwischen schon seit 2010 negativ: Amerikanische Aktien werden immer teurer, weil es immer weniger hiervon gibt. 

Dann ist die Idee des BVI, für die lieben Kleinen regelmäßig ein paar Euro in einen langfristigen Sparvertrag mit attraktiven Renditeaussichten zu investieren, vielleicht doch keine so schrullige. Allerdings: Aktien werden auch in Zukunft zu Schwankungen neigen. Inwieweit man das seinem Nachwuchs zumuten möchte, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Zumal die Zinsen nicht ewig im Keller bleiben werden.

Fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem die Fed den ersten Zinsschritt nach oben vollführte, wagte sie nun einen zweiten. Das löste sogleich bei manch Investor Tendenzen zu Begeisterungsstürmen aus. „Das tiefste Tal der Zinsen (oder Tränen, Anmerkung der Redaktion) scheint damit hinter uns zu liegen“, meint Dr. Immo Querner, Finanzvorstand bei der Talanx. Das hat absoluten Seltenheitswert. Zu Notenbankentscheidungen haben zwar sämtliche Asset Manager Land auf und Land ab, ihren Senf dazu zu geben. Versicherungen halten sich hingegen aus derart politischen Kommentierungen raus. Die ungeliebte Notenbankpolitik muss der Talanx also ziemlich unter den Nägeln gebrannt haben, wenn sich ihr Finanzchef nun zu einem eigenen Kommentar hinreißen lässt. In diesem frohlockt er: „Wenn jetzt der Ölpreis steigt und damit die Inflationsrate, könnten auch die Zinsen in Europa wieder anziehen.“ Man kann hier förmlich einen Hauch von Optimismus spüren. Das tut zum Jahresende gut! 

Das Redaktionsteam von portfolio institutionell bedankt sich bei allen Leserinnen und Lesern für das große Interesse, das entgegengebrachte Vertrauen und die gute Zusammenarbeit. Für die kommenden Feiertage wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie eine schöne und friedliche Zeit sowie einen guten Start ins neue Jahr.

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert