Strategien
16. März 2016

Fintech-Unternehmen ziehen Investorengelder an

Die weltweiten Investitionen in Startup-Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich, die sogenannten Fintechs, sind im Jahr 2015 mit 19,1 Milliarden US-Dollar um 56 Prozent auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Im Jahr zuvor flossen Fintechs immerhin 12,2 Milliarden US-Dollar zu.

Nach Angaben der Wirtschaftsprüfung- und Beratungsgesellschaft KMPG stammt der Löwenanteil der Investitionen des vergangenen Jahres mit 13,8 Milliarden US-Dollar von Venture-Capital-Firmen (um genau zu sein: 73 Prozent). Im Vergleich zu 2014 sei dies eine massive Steigerung: Damals betrugen die VC-Investitionen 6,7 Milliarden US-Dollar und machten 55 Prozent aller weltweiten Fintech-Investments aus. Die Zahlen stammen aus einer neuen Studie von KPMG und CB Insights. Sie trägt den Titel „The Pulse of Fintech, 2015 in Review“. Für die Untersuchung wurden die weltweiten Venture-Capital-Investitionen in Fintechs analysiert.
Wie KPMG mitteilt, stieg die Gesamtzahl aller Fintech-Deals von 933 (im Jahr 2014) auf 1.162 im vergangenen Turnus. Auch die Zahl der Megadeals, damit sind Investitionen von jeweils mehr als 50 Millionen US-Dollar gemeint, hat 2015 mit 63 ein neues Hoch erreicht (2014: 40 Megadeals). Weltweit gibt es inzwischen 19 Fintech-„Unicorns“, also Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Sven Korschinowski, Partner bei KPMG, erläutert die dynamische Entwicklung mit folgenden Worten: „2015 war ein sehr erfolgreiches Jahr für Fintechs. Die digital immer versierteren Kunden schaffen permanent neue Nachfrage nach innovativen Lösungen rund um den Banken- und Versicherungsbereich. Dazu kommen noch die zunehmenden regulatorischen Kosten auf Seiten der etablierten Anbieter. Investoren beobachten diese Entwicklung sehr aufmerksam und sind willig, hier viel Geld in die Hand zu nehmen.“ 
Blockchain und Bitcoin  
Vor allem bei Start-ups, die sich mit Lösungen im Bereich Blockchain-Technologie und Bitcoin beschäftigen, sei das Investitionsvolumen 2015 stark angestiegen. Hier flossen insgesamt 474,4 Millionen US-Dollar Venture Capital, das waren rund 59 Prozent mehr als noch 2014 (299,1 Millionen US-Dollar). Zunehmend engagierten sich auch etablierte Unternehmen bei der Finanzierung von Startup-Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich: Sie waren in den vergangenen neun Monaten des Jahres 2015 an rund 25 Prozent der Investments beteiligt. Am höchsten war dabei die Quote in Asien, am geringsten in Europa.
Die regionalen Unterschiede hat KMPG genauer unter die Lupe genommen. In Nordamerika war das Investitionsverhalten durch einige Mega-Deals gekennzeichnet, die das Gesamtvolumen auf 7,6 Milliarden US-Dollar (bei 378 Deals) trieben. In Europa stieg die Summe Venture-Capital-basierter Investitionen in Fintechs von 1,1 Milliarden US-Dollar (2014) auf 1,5 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr an. Dabei habe die Zahl der Deals um 30 Prozent zugenommen. In Deutschland nahm die Zahl VC-basierter Investments von 15 (2014) auf 21 (2015) zu, die Investitionssumme kletterte von 101 Millionen auf 193 Millionen US-Dollar. In Asien sei das Investoreninteresse an Fintechs förmlich explodiert, konstatiert KPMG. Insgesamt wurden hier bei 130 Deals 4,5 Milliarden US-Dollar eingesammelt – mehr als insgesamt in den vier Jahren zuvor. Über die Hälfte der Summe floss nach China. 
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Fintechs krempeln die klassische Finanzbranche um
Auch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hat sich in einer neuen Studie „Blurred Lines: How Fintech is shaping Financial Services“ mit den jungen und innovativen Finanztechnologieunternehmen befasst und dafür 544 Führungskräfte aus dem Bereich Financial Services in 46 Ländern befragt. Die Haupterkenntnis: Die weltweit rasch wachsende Gruppe von Fintechs sorgt zunehmend für Umbrüche in der klassischen Finanzbranche. Rund 83 Prozent der etablierten Finanzdienstleister befürchtet mittlerweile den Verlust von Teilen ihres Geschäfts an Fintech-Unternehmen. Bei den Banken beläuft sich der Anteil sogar auf 95 Prozent. 
Sollte das rasante Entwicklungstempo im Bereich Finanztechnologien anhalten, sehen die etablierten Institute gut 23 Prozent ihres Geschäfts in Gefahr. Befragte aus Fintech-Unternehmen erwarten, dass sie den traditionellen Anbietern ein Drittel ihres Geschäfts abstreiten können. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass zwei Drittel der befragten Finanzdienstleister durch den Wettbewerb zu Fintechs Belastungen für ihre Gewinnmargen befürchten. Mehr als die Hälfte geht außerdem davon aus, dass sie Marktanteile verlieren werden. Der größte Druck laste dabei auf Zahlungsdienstleistern und Banken, die in den nächsten fünf Jahren einen Rückgang ihrer Marktanteile von bis zu 28 beziehungsweise 24 Prozent für möglich halten. Im Asset und Wealth Management liegt der erwartete Rückgang der Marktanteile mit 22 Prozent und bei Versicherern mit 21 Prozent etwas niedriger. 
Auf der anderen Seite bieten sich durch Fintech-Entwicklungen auch Potenziale, die genutzt werden können. So können Fintech-Anwendungen auch zu deutlichen operativen Einsparungen oder einer Optimierung der Service-Leistung beitragen. Immerhin 73 Prozent nennen das Sparpotenzial als Hauptvorteil von Fintech-Innovationen. Im Bereich Asset Management und Versicherung gewinnt laut PwC die moderne Datenanalyse an Bedeutung. Entwicklungspotenziale ergeben sich hier unter anderem für das Risikomanagement. 
Die Mehrzahl der Befragten (60 Prozent) berücksichtigen das Thema Fintech bereits als Kernelement in ihrer Strategie. Rund 13 Prozent aller Befragten gaben allerdings an, dass es noch nicht zu den strategischen Kernpunkten zähle, was sich angesichts des wachsenden Wettbewerbs durch branchenfremde Marktteilnehmer langfristig zum Geschäftsrisiko entwickeln könnte. Bei der Betrachtung der einzelnen Segmente ergibt sich ein unterschiedliches Bild:  Während mehr als 80 Prozent der Transfer- und Zahlungsdienstleister Fintech zum wesentlichen Bestandteil der Strategie erklärten, beläuft sich dieser Anteil bei den Banken auf 56 Prozent. Im Asset und Wealth Management sowie bei Versicherungen beträgt er lediglich 45 beziehungsweise 43 Prozent.
Auch als Arbeitgeber attraktiv 
Fintechs erfreuen sich nicht nur bei Investoren zunehmender Beliebtheit, sondern auch als Arbeitgeber. Wie vor kurzem bekannt wurde, ist Jörg Asmussen neues Mitglied des Aufsichtsrats der internationalen Kreditplattform Funding Circle und damit nun Teil der Fintech-Welt. Nach seinem kurzen Intermezzo als Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium sollte der ehemalige EZB-Direktor eigentlich zur KfW wechseln. Das Vorhaben schlug jedoch fehl. Laut Medienberichten scheiterte eine Einigung an nichts profanerem als unterschiedlichen Vorstellungen über den Arbeitsstandort.
Asmussen ist jedoch nicht der einzige, den es in die Fintech-Welt zieht. Für die noch junge Branche arbeiten schon mehrere ehemals hochrangige Banker, wie unter anderem die FAZ zu berichten weiß. Darunter der frühere Morgan-Stanley-Chef John Mack, der ehemalige Citigroup-Boss Vikram Pandit und der Ex-Co-Vorstandschef der Deutschen Bank, Anshu Jain.
portfolio institutionell newsflash 16.03.2016/Tobias Bürger, Kerstin Bendix 
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