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4. Februar 2020

First Mover aus dem Norden

Von skandinavischen Ländern lässt sich nicht nur in puncto ­Bildungssystem und Wohlfahrtsstaat etwas lernen, sondern auch in Sachen Nachhaltigkeit der Kapitalanlagen. Ein Überblick über die europäischen ESG-Schrittmacher.

Doch im Fokus ist längst nicht nur der liquide Bereich. Als besonders innovationsfreudig zeigen sich hier dänische Investoren. So wurde auf Initiative von PensionDanmark 2012 die auf Energie­infrastruktur spezialisierte Investmentgesellschaft Copenhagen ­Infrastructure Partners ins Leben gerufen. Mittlerweile managt das Unternehmen in fünf Fonds 7,8 Milliarden Euro von ­verschiedenen institutionellen Investoren. Auch der Pensionsfonds PKA hat mit SustainSolutions ein Unternehmen ins Leben gerufen, um ­Energieeffizienzmaßnahmen im Immobilienbereich voranzu­treiben. Auch in Schweden gründeten die Pensionsfonds AP1, AP3 und AP4 Polhem Infra, um Infrastrukturinvestments in ­ungelistete nachhaltige schwedische Infrastrukturunternehmen tätigen zu können. Weitere Beispiele mit ambitionierten Zielen im illiquiden Bereich: Der größte niederländische Pensionsfonds ABP hat sich das Ziel gesetzt, bis 2020 58 Milliarden Euro in „High ­Sustainability Assets“, darunter nachhaltige Immobilien und Infrastruktur, zu ­investieren und damit deren Anteil gegenüber 2015 zu verdoppeln. PGGM will rund 20 Milliarden Euro der 200 Milliarden AuM in Impact-Investments anlegen.

Dekarbonisierung und Impact Investments können ­Veränderungen anstoßen und das Portfolio resilienter machen, lassen aber den breiten Markt mitunter unberührt. Abhilfe kann Engagement schaffen, zumindest wenn es konsequent umgesetzt wird, was nicht immer der Fall ist. „Engagement muss effizienter werden“, so Uhlenbruch von Share Action. Gerade weil so viele Investoren und Asset Manager mittlerweile behaupten, dass sie Engagement ­betreiben, sei es schwer herauszufinden, was tatsächlich getan wird. Wichtig ist es dabei, eine genau definierte und in einer Timeline explizierte Eskalationsstrategie zu haben, an deren Ende die Perspektive eines Divestments steht. „Dies kann mit einem Brief an das Management beginnen, sich dann über Abstimmungen ­gegen das Management hin zu Shareholder Resolutions ­entwickeln.“ Wenn auch das nichts helfe, müsse die Reißleine gezogen werden. „Wie sollen Unternehmen einen ernstnehmen, wenn die Forderungen nicht ernst gemeint sind.“

Ernst zu nehmen scheint es der schwedische Pensionsfonds AP7, welcher sich mit der Church of England und dem Australian Local Government Super zusammengetan hat. Eine Case Study von ­Exxon Mobil verdeutlicht, wie eng Engagement und Divestment bei AP7 verzahnt sind. So brachte AP7 nach dem Prinzip Active ­Ownership gemeinsam mit anderen Investoren klimabezogene ­Resolutionen bei den Hauptversammlungen von Exxon Mobil 2016 und 2017 ein, welche erfolglos blieben. Vielmehr wurde AP7 deutlich, dass das Management des Ölkonzerns hinsichtlich des Pariser Klimaabkommens nicht die gleichen Intentionen teilte, weshalb sich AP7 zu einem Blacklisting entschloss. Die Botschaft an das Management ist so klar und dürfte von diesem auch verstanden werden. „Manche der Investoren, mit denen wir gesprochen haben, konnten uns davon berichten, dass sich Unternehmen deutlich ­gesprächsbereiter zeigten, nachdem sie temporär divestiert haben“, so Kuhn von Share Action. Engagement und die Drohung eines ­Divestments gehören unmittelbar zusammen.

Doch was, wenn man primär passiv investiert ist und die Drohung eines Divestments nicht erfüllt werden kann? Zumindest die Stimmrechte sollte man auch dann nicht aufgeben, wie der japanische Pensions-Gigant GPIF erkannt hat. So verzichtet dieser bei seinen passiven Equity-Investments auf das im passiven Bereich übliche Stock Lending und lässt sich dies ein paar Basispunkte ­kosten. Das größere Gewicht liegt bei passiven Investoren jedoch in der Asset Allokation, weshalb Investoren hier gemeinsam mit Asset Managern und Index-Providern neue Wege gegangen sind. Ein Beispiel eines – zumindest für niederländische Verhältnisse – ehemaligen Nachzüglers, der nun rasch auf einen Nachhaltigkeitskurs umgeschwenkt ist, ist der niederländische Pensionsfonds ­Detailhandel. Anstoß gab hier eine gemeinsam mit der Universität Maastricht durchgeführte repräsentative Mitgliederumfrage, die zu deutlichen Ergebnissen führte: Genau zwei Drittel wünschten sich, dass Detailhandel nachhaltiger als bislang investiert, nur 10,3 Prozent waren dagegen. Bei Ausschlusskriterien wie Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit zeigten sich sogar Zustimmungswerte von über 80 Prozent. In Konsequenz wurde mit FTSE ­Russell eine neue, auf Klimaziele, Menschenrechtsfragen und Arbeits­bedingungen Gewicht legende passive Aktienstrategie entwickelt, welche das Anlageuniversum stark verkleinerte: 500 der 1.600 ­Unternehmensbeteiligungen wurden verkauft. Das CO₂-Exposure des passiv von Blackrock gemanagten, 5,8 Milliarden Euro ­schweren Portfolios soll dadurch um die Hälfte gesenkt werden und das Exposure zu Umsätzen mit grünen Aktivitäten soll um zehn Prozent steigen. Die Entwicklung eines eigenen Indizes bot insbesondere Vorteile bei der Customization, so Head of Investment Henk Groot gegenüber portfolio institutionell: „Wir haben versucht, einen Weg zu finden, unsere spezifischen vier SDGs in ein passives Portfolio zu integrieren, ohne unsere passive Überzeugung und das niedrige Risikoprofil eines breit gestreuten Aktienportfolios zu verlieren.“

Von Risiken zu Impact

Die ESG-Vorreiter läuten derweil die nächste Stufe ein. Die erste Stufe sei gewesen, den finanziellen Impact von ESG ­anzuerkennen, so Kuhn von Share Action. Dies würden – mit Ausnahme einiger Nachzügler – inzwischen auch die meisten tun. Der nächste Schritt sei dann, den Impact des Finanzsektors auf Umwelt und ­Gesellschaft anzuerkennen und messbar zu machen. Anders sei ein so systemisches Problem wie der Klimawandel nicht lösbar. Ein Blick auf Ölkonzerne verdeutlicht die Unterschiede. So mag auch nach Berücksichtigung von ESG-Risiken aus finanzieller Perspektive angesichts einer Dividendenrendite von über vier Prozent und zögerlichen Regulierungsbemühungen der Staaten ein Investment in ExxonMobil gerechtfertigt sein. Den für Mensch und Natur desaströsen Impact werden Investoren in Zukunft trotzdem ausweisen müssen.

Dies geht nur über mehr Transparenz. So veröffentlichten einige Investoren in Finnland neben Informationen über ihre Holdings von Aktien, Private Equity, Bonds und Infrastruktur auch beispielsweise die Haltedauer von Wertpapieren, die Gesamtanzahl von ­Aktien und Anleihen und deren Wert. Dies stellt auch eine Antwort auf eine kritische Öffentlichkeit dar, welche zunehmend genauer die Wirkung des eigenen Geldes hinterfragt. In Australien reichte ein 24-Jähriger auf der Grundlage, dass sein Pensionsfonds, der Retail Employees Superannuation Trust, Klimarisiken nicht hinreichend berücksichtige, eine Klage vor dem Federal Court gegen ­diesen ein. Auch deutsche Altersvorsorgeeinrichtungen werden sich in Zukunft mehr Fragen gefallen lassen müssen, ob denn die Erwirtschaftung von Returns zulasten der ökologischen Stabilität des Planeten eine sinnvolle Altersvorsorge darstellt. Europäische Vorreiter zeigen, dass sich entschiedene Schritte gehen lassen, ­ohne seine treuhänderischen Pflichten in den Wind zu blasen. Wer nicht einmal die ersten Schritte geht, tut dies zweifelsohne.

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