Strategien
11. Dezember 2013

Freiräume schaffen

Wenn die Anlageexperten einer großen deutschen Stiftung, einer Sparkasse und traditionsreicher ­Altersvorsorgeeinrichtungen für die Dauer eines Fußball-Bundesligaspiels über Liquidität und Risikomanagement ­debattieren, bleibt es bis zum Schlusspfiff spannend. Zumal die Regulierung für enge Spielräume sorgt.

Die mageren Zinsen veranlassen immer mehr Sparkassenkunden dazu, sich bei der Geldanlage auf kürzere Laufzeiten zu fokussieren. Nach Angaben von Ronny Graupeter, Abteilungsleiter Treasury Handel bei der Sparkasse Mittelthüringen, stellen sie dem Finanzinstitut Gelder in erster Linie kurz- bis mittelfristig zur Verfügung. „Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass sich die Kunden aufgrund des niedrigen Zinsniveaus auf kürzere Laufzeiten fokussiert haben“, so Graupeter –nachzulesen im Interview, das Sie hier finden. Ähnliche Erfahrungen wie die größte Sparkasse in Thüringen, die es am Ende des vergangenen Geschäftsjahres auf eine Bilanzsumme von rund 3,8 ­Milliarden Euro gebracht hat, machen auch andere Vertreter aus dem Sparkassenlager. Gerhard Grandke, geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, ist deshalb überzeugt: „Die täglich fälligen Gelder werden auch in Zukunft zulegen.“

Im Gegensatz zu diesem risikoaversen Anlageverhalten wollen ­institutionelle Investoren, die ihre Cashquoten häufig mit Hilfe von Geldmarktfonds steuern, ihre liquiden Mittel auf ein ambitioniertes ­Mindestmaß reduzieren. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Im Niedrigzins­umfeld tun sich Geldmarktanlagen schwer, eine adäquate Rendite zu ­generieren. Die ­Rating-Agentur Scope hat vor diesem Hintergrund das Rendite-Kosten-Verhältnis von 89 Fonds der Kategorie „Geldmarkt Euro“ während des Kalenderjahres 2012 ­untersucht. Das frappierende Ergebnis: Bei ­vielen Geldmarktfonds zehren die Kosten einen Großteil der Performance auf. So lag die Rendite im Durchschnitt bei 1,1 Prozent, die durchschnittliche Gesamtkostenquote bei 0,5 Prozent. Das heißt, Geldmarktanlagen rentieren nach Kosten mit kaum mehr als ­einem ­halben Prozent. Größere Allokationen in Geldmarktfonds ergeben demnach keinen Sinn – es sei denn, der Investor ist auf ein erheb­liches Maß an Liquidität angewiesen.

Mitunter sorgen aber neben internen Anlagerichtlinien auch ­Regulierungsvorgaben dafür, dass die Liquidität unvermindert einen erheblichen, die Performance begrenzenden Stellenwert einnimmt. Wie eine Online-­Umfrage des deutschen Fondsverbandes BVI zu ­Beginn dieses Jahres unter 134 institutionellen Anlegern gezeigt hat, entfielen ­damals elf Prozent der Mittel von Spezialfonds auf kurz­fristige, liquide Gut­haben. Auf die hypothetische Frage des BVI „­Welchen Investitionsgrad würden Sie anstreben, wenn es die ­Regulierung (inklusiver interner Anlagerichtlinien) gestatten ­würde?“, kristallisierte sich ein Inves­titionsgrad von lediglich vier Prozent heraus. Das heißt, die befragten Spezialfondsinvestoren, die über­wiegend nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz reguliert sind, würden ihre Liquiditätspolster deutlich reduzieren. Im Gegenzug würden sie ­beispielsweise ihre Aktienquote auf 24 Prozent verdoppeln und auch in weniger ­liquide ­Assets wie Immobilien investieren.
 
Liquidität und Opportunitätskosten

Nach Angaben von Alexander Tannenbaum, der als Geschäftsführer für das Immobiliengeschäft von Universal-Investment verantwortlich zeichnet, sind institutionelle Investoren zunehmend bereit, ­zugunsten von zusätzlicher Rendite auf unterrentierliche Liquiditätsanlagen zu verzichten, um ihre Mindestverzinsungen zu erreichen.

Einen interessanten Ansatz für mehr Rendite erörterte Dr. Peter-Henrik Blum-Barth, seines Zeichens Abteilungsleiter Unternehmensplanung und Controlling bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK) und der Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte (VKPB)anlässlich der jüngsten portfolio-Gesprächsrunde: „Eines unserer wesentlichen Ziele besteht heute darin, die Liquidität auf unter ein Prozent der Kapitalanlagen zu senken.“ Zur Begründung sagte er: „Wir können uns üppige Liqui­ditätsbestände nicht mehr leisten und müssen unsere freien Mittel ­reduzieren, um über die Gesamtanlagen hinweg mehr Ertrag zu generieren. Jeder Basispunkt, den wir durch eine bessere Planung und Steuerung in der strategischen Kapitalanlage erzielen, ist ertragswirksam“, so Blum-Barth, der bei der Liquiditätsplanung unter anderem die monatlichen Rentenleistungen und den Cashflow aus Kapital­anlagen berücksichtigen muss.

Interessanterweise sind die KZVK und die VKPB als Organ­gemeinschaft organisiert. Das heißt, es gibt zwei getrennte Aufsichtsräte. Die Vorstände sowie die Querschnittsabteilungen arbeiten dagegen in Personalunion für beide Kassen. Den Nutzen aus diesem Konstrukt sieht Blum-Barth in einer höheren Effizienz, etwa durch eine günstigere Relation zwischen Management/Overhead und den Assets under Management. Auch die bessere Verhandlungsposition gegenüber externen Kapitalanlagegesellschaften durch größere Volumina streicht er in diesem Zusammenhang heraus. Wenn man sich allerdings vor Augen führt, dass die VKPB eine Einrichtung innerhalb der ersten Säule der deutschen Altersversorgung ist, während die KZVK der zweiten Säule angehört, kann man erahnen, welche Heraus­forderungen in dem Verwaltungsmodell bestehen.
 
Limitierte Performance kann nicht das Ziel sein

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sowohl die KZVK als auch die VKPB in diesem Jahr bei den portfolio Awards siegreich waren. So ­gewann die Gemeinsame Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchen­beamte mit einem Kapitalanlagebestand von rund 2,3 Milliarden Euro den Award in der Kategorie „Bestes Versorgungswerk“, während die Kirchliche Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (Anlage­volumen über sechs Milliarden Euro) in der Kategorie „Beste Pensions­kasse/Zusatzversorgungskasse“ das Teilnehmerfeld dominierte. Um ein Gespür für die absolute Höhe des angestrebten Liquiditätspolsters zu gewinnen, muss man wissen, dass sich der Marktwert der Kapitalanlagen von KZVK und VKPB zum Jahresende 2013 voraussichtlich auf neun Milliarden Euro summieren werden. Blum-Barth zufolge ist der Liquiditätsabbau eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Er vertritt den Standpunkt, dass besonders kurzfristige, liquide Anlagen die Performance limitieren.

In eine ähnliche Kerbe wie Peter-Henrik Blum-Barth schlägt Jens Güldner, der das Vermögensmanagement beim Evangelischen Johannes­stift (EJS) in Berlin leitet: „Beim Thema Liquiditätsmanagement muss eine Stiftung aktuell besonders aufpassen, weil die Ertragslage sehr angespannt ist.“ Das 1858 gegründete Johannesstift zählt zu den größten und traditionsreichsten diakonischen Einrichtungen in ­Berlin. Das Vermögen wird von Immobilienvermögen in Spandau dominiert, wo die Stiftung seit etwa 100 Jahren ihren Sitz hat. Wie Güldner, der das Johannesstift im vergangenen Jahr bei den portfolio Awards zum Sieg in der Kategorie „Bester nachhaltiger ­Investor“ geführt hat, betont, seien „die zu erzielenden ordentlichen Nettoerträge mit dem Risikobudget, wie wir es vorgegeben haben“, sehr ­gering. In diesem Jahr liegen die zu erzielenden Nettoerträge bei zwei bis zweieinhalb Prozent. „Wenn ich unseren Haushalt für die Kern­stiftung und unsere Förderprojekte betrachte, besteht in der Kapital­anlage eine sehr ambitionierte Aufgabe“, gibt Güldner zu ­bedenken. Das Ziel des Vermögensmanagements beim Evangelischen Johannesstift besteht in der Erwirtschaftung stabiler nachhaltiger ­Erträge. Demnach strebt die Einrichtung eine lang­fristige, reale Vermögenssicherung an und ist heute mehr denn je ­bestrebt, die ­sogenannte Sockel­liquidität zu reduzieren. Dazu Güldner: „Alle Mittel, die wir länger­fristig nicht benötigen, legen wir in die strategischen Anlagen, um die Ertrags­ziele zu erreichen.“ Dabei greift das Johannes­stift auf den EJS-Stiftungsfonds zurück, ein von ­externer Seite ­gemanagter Spezialfonds, dessen Anlagephilosophie im ­Johannesstift entstanden ist. Wie der Stiftungsexperte hervorhob, ist der Fonds in das strategische ­Liquiditätsmanagement eingebettet. Sollten also Investitions­entscheidungen, etwa für Gebäudeerweiterungen, ­anstehen, stellt der Asset Manager die Liquidität zur Verfügung.

Während Jens Güldner und Peter-Henrik Blum-Barth im Hinblick auf den Liquiditätsbedarf ihrer Unternehmen auf langfristige Planungen bauen können, weiß Sparkassen-Treasurer Ronny Graupeter im Vorfeld nie exakt, wann die Kunden Gelder umdisponieren möchten. Im Hinblick auf die ­Anlage freier liquider Mittel muss das Institut deshalb antizipieren, inwiefern Sparer über ihre Gelder verfügen könnten. „Wir haben in der 1,9 Milliarden Euro großen Eigenanlage ­eine Struktur etabliert, die ausschließlich in der Liquiditätsreserve ­gehalten wird“, so Graupeter mit Blick auf die kundenspezifischen Unwägbarkeiten. ­Konfrontiert mit der Frage, wie man als Sparkassen-Treasurer entscheidet, ob man ­einem Kunden Kredit gibt oder Gelder stattdessen am Kapitalmarkt anlegt, erwidert er: „Hier sind wir mit der betriebs­wirtschaftlichen Überlegung konfrontiert, wo legt man bei welchem Risiko zu ­welchem Preis Geld an?“ Bei der Abwägung greift das ­Finanzinstitut auf ein ­sogenanntes Liquiditätstransfer-Pricing ­zurück. Auf den Punkt gebracht ist die Frage der Liquiditätsbindung im Kredit­geschäft – sofern Mindestliquiditätsschwellen (Höhe der Liquiditäts­reserve) eingehalten bleiben – demnach identisch mit der Vorgehensweise, wie man sie vom Kapitalmarkt her kennt.

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2013

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