Versicherungen
28. Mai 2014

Gothaer: Jagd auf den laufenden Ertrag

Vor zehn Jahren fand die Versicherung den Weg von Aktienrisiken zu Investments in Credits. Sie geht damit einen Weg, der bei US-Versicherern schon lange Gang und Gäbe ist.

Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Nach diesem Motto richtet die Gothaer Versicherung ihre rund 25 Milliarden Euro schwere Kapitalanlage aus. Der Spatz ist dabei der mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielbare laufende Ertrag, die Taube steht für die Hoffnung auf einen möglichen Kurszuwachs. Diese Strategie hat sich bewährt. Bewährt hat sich in den vergangenen Jahren auch Jürgen Meisch als Finanzvorstand. Im Doppelinterview mit ihm und seinem Nachfolger Harald Epple warf portfolio institutionell einen Blick zurück und voraus. 
Herr Meisch, Sie waren exakt zehn Jahre bei der Gothaer. Was waren in dieser Dekade die größten Änderungen?
Jürgen Meisch: Für die Branche würde ich es erstens auf die Themen „Credit“ und „Schuldenkrise“ verdichten. Zweitens sind die Zinsen von acht Prozent Anfang des Jahrtausends auf nun unter zwei Prozent gefallen, was sich natürlich auf Lebensversicherungen auswirkt. Drittes großes Thema ist für mich die „Re-Regulierung“, die nach der Aktienkrise erfolgte. Damals mussten die Versicherer erkennen, dass sie ihre Risiken nicht im Griff haben. 2014 sind die Versicherer viel umfassender und schärfer reguliert als 2004. Die Gothaer musste damals als Gesamtunternehmen nach schweren Verlusten einen massiven Turn-around managen. Wir haben dann ab 2004 die Kapitalanlage komplett gedreht. Heute dominieren Strategien, die auf laufenden „Income“ und nicht Wertzuwächse abzielen. 
Vor zehn Jahren hatte die Gothaer noch knapp 30 Prozent Aktien. Auch Private Equity spielte eine sehr bedeutende Rolle.
Meisch: Damals war die Gothaer in der Asset-Allokation in der Tat sehr aktienlastig aufgestellt. Es ist keineswegs so, dass ich persönlich Credits besser finde als Aktien. Zu unserer Asset-Allokation ab 2004 gab es keine Alternative, wenn man weiter Versicherungsgeschäft betreiben wollte und dafür laufende Erträge brauchte. Risikofrei anzulegen hätte den Fortbestand des Versicherungsgeschäfts aber auch gefährdet. Darum musste man weiterhin Risiken für die nötigen Zusatzerträge suchen. Diese haben wir dann aber bei Credits und Immobilienstrategien gefunden. Das dafür notwendige Risikokapital haben wir dadurch generiert, dass wir unsere Aktienquote nahezu auf null gesetzt haben.
Harald Epple: Um einen Sprung in die Gegenwart zu machen: Die Gothaer hat schon früh auf Credits umgestellt und somit in den vergangenen zehn Jahren eine hohe Credit-Expertise aufgebaut – sowohl intern als auch bei der Frage, wie man gute Credit Manager selektiert und überwacht. Damit hat die Gothaer aus meiner Sicht ein auf die Notwendigkeiten einer Tiefzinsphase viel besser aufgestelltes Anlageteam als die meisten anderen Versicherungen.
Der Weg, den die Gothaer gegangen ist, ist nachvollziehbar. Aber stellt sich nicht in Haussezeiten immer wieder die Frage, wie Versicherungen auch von Kurssteigerungen bei Aktien profitieren beziehungsweise Eigenkapitalgeber für Unternehmen sein können?
Epple: Was Versicherungsunternehmen konkret einschränkt, sind zum einen die Struktur der Verbindlichkeiten, die konstante Erträge erfordert, und zum anderen die Anforderungen von Solvency II, Anlagerisiken mit Eigenkapital zu unterlegen. Ökonomisch macht es auch mehr Sinn, ein Risikobudget beispielsweise für die Übernahme von Biometrierisiken anstatt von Aktienrisiken bereitzustellen. Darum werden Lebensversicherungen auch in Zukunft sehr gering in Aktien investiert sein. Wer das ganze Konstrukt „Lebensversicherung“ komplett durchdenkt, landet letztlich bei Credits. In Amerika sind übrigens schon seit langer Zeit Versicherungen die größten Credit Manager.
Meisch: Lieber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein laufender Ertrag als die Hoffnung auf einen möglichen Kurszuwachs. Schließlich müssen wir auch auf unser Rating achten. Ohne einen ausreichenden Bonitätsnachweis können wir in dem für uns wichtigen Unternehmenskundengeschäft einpacken. Wir haben bei S&P ein A- und bei Fitch ein A. Aus alten Zeiten haben wir zudem wenig liquide Beteiligungen und Private-Equity-Portfolien, die uns bei Aktien auch einschränken. Wer Probleme hat, laufende Erträge zu generieren und dann anfängt, auf Kurssteigerungen zu spekulieren, dreht das Rad wieder zurück in die Jahre der Aktienkrise. 
Mitunter sehr schöne Wertsteigerungen brachte aber eine Spezialität der Gothaer: Seed-Financing für aufstrebende Finanzdienstleister, wie ECM, Prime Capital oder Tristan. Hat dieser Ansatz noch Zukunft?
Meisch: Wir sind durchaus Private-Equity-affin. Früher machten wir viele, sehr breit gestreute Beteiligungen, dann haben wir uns auf die Finanzindustrie fokussiert. Die genannten Beispiele liefen sehr gut. Unter dem Strich brachte uns dieser Ansatz schöne Returns. Neben einer ordentlichen Rendite brachten uns diese Engagements aber auch Know-how. Durch unsere Beteiligung haben wir einen engen Kontakt zu den Unternehmen. Das hat den Vorteil, dass wir unsere Werkbank verlängern und Spezialthemen ein Stück weit auslagern konnten. Prime Capital unterstützte uns bei Erneuerbaren Energien und Hedgefonds, Tristan bei Immobilien und ECM bei Credits. Unsere ersten Credit-Engagements machten wir mit ECM zusammen im Direktbestand. Diese Kooperation half uns, nach und nach ein eigenes Team aufzubauen.
Epple: Die Gothaer hat mit dieser Strategie gute Erfahrungen beim Return und Know-how-Transfer gemacht, und wir wollen das fortsetzen. Wir schauen uns aber nicht alle möglichen Businesspläne an. Es ist eher so, dass wir Gelegenheiten zur Beteiligung nutzen, die sich aus der Suche nach einem Spezialisten für bestimmte Anlagethemen ergeben. Teil eines Mandats kann manchmal auch die Übernahme von Anteilen sein. 
Wie die Gothaer Versicherung zum Finanzierungsthema steht und wie sie sich über Erneuerbare Energien laufende Erträge erschließt, lesen Sie im vollständigen Interview mit Jürgen Meisch und Harald Epple in der Mai-Ausgabe von portfolio institutionell, die am 23.05.2014 erschienen ist.    
portfolio institutionell newsflash 28.05.2014/Patrick Eisele
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert