Versicherungen
29. November 2023

Gothaer steigt aus Aktien aus

Versicherung bildet Aktien-Exposure künftig über Private Equity ab. Verschärfte Ausschlüsse bei Kohle und ein Kompromiss für Anlagen aus dem Öl- und Gassektor.

Die Gothaer Versicherungsgruppe aus Köln hat ihre Aktienquote im laufenden Jahr dauerhaft auf null gesenkt und ist aus der Asset-Klasse ausgestiegen. Das erfuhr die Fachpresse in einem jüngst abgehaltenen Pressegespräch zur nachhaltigen Kapitalanlage. „Wir haben die Aktienanlage im Sicherungsvermögen beendet, aber bilden das Aktien-Exposure weiterhin über Private Equity ab. In unseren Publikumsfonds sind nach wie vor auch Aktienanlagen enthalten“, erklärte Alina vom Bruck, Vorständin bei der Gothaer Asset Management AG (GoAM) und dort zuständig für die Verwaltung der Kapitalanlagen.

LV-Sicherungsvermögen nach Artikel 8 eingestuft

In dem Pressegespräch gab die Versicherungsgruppe auch zusätzliche Einblicke in ihre Asset Allocation. In der gesamten Gruppe belaufen sich Staatsanleihen und staatsnahe Papiere auf 39 Prozent der Asset-Allokation. Diese sind grundsätzlich aus der Taxonomie ausgenommen, was bedeutet, dass sie nicht als ökologisch nachhaltige Anlagen im Sinne der Taxonomie-Verordnung deklariert werden können. Unternehmensanleihen kommen auf rund 13 Prozent und auf Immobilien entfallen 14 Prozent der Kapitalanlagen. Im Bereich Infrastruktur (sechs Prozent) investiert die Versicherungsgruppe aus Köln seit dem Jahr 2011 zudem in Erneuerbare Energien. Mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro ist man hier aktuell investiert, mit Investitionen in Wind, Solar und Wasserkraft mit Schwerpunkt auf Europa. Ein weiterer Bereich ist Private Capital mit sechs Prozent, worunter Private-Equity-Anlagen fallen.

Noch neu ist der Bereich Naturkapital mit 0,1 Prozent zum 30.09.2023. Als neue Asset-Klasse etabliert, hat die Gothaer bereits in 2022 in nachhaltige Agar- und Forstwirtschaft investiert. Der Prüfaufwand für solche Projekte sei sehr hoch, weshalb die Möglichkeit geschaffen werden soll, dass auch kleinere institutionelle Investoren wie zum Beispiel kleinere Pensionskassen zusammen mit der Gothaer über Themenfonds investierten. Die Gothaer will jedes Jahr 200 Millionen Euro in solche Impact Investments beziehungsweise thematischen Investments investieren. Auch ist das Sicherungsvermögen in der Lebensversicherung seit Ende 2022 nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) klassifiziert und unterliegt somit verbindlichen ökologisch und sozialen Kriterien und den damit einhergehenden Handlungsverpflichtungen und Kontrollprozessen.

Fachlicher Austausch in der NZAOA

Im Jahr 2021 ist die Gothaer als Mitglied der Net-Zero Asset Owner Alliance (NZAOA) beigetreten. „Das Target Setting Protocol der NZAOA ist abgeleitet aus den Vorgaben des Weltklimarats IPCC. Wir berichten jährlich über unsere Fortschritte“, so Natalia Geng, Senior ESG Managerin GoAM. Man habe sich bewusst gegen eine Mitgliedschaft bei der Science Based Targets Initiative (SBTi) entschieden. Dies liege unter anderem an einem „sehr hohen Aufwand“, der für die zusätzliche Verifizierung der Ziele durch die SBTi nötig wäre. Zum anderen bekomme die Gothaer durch ihre Mitgliedschaft an der NZAOA mehr Möglichkeiten zum fachlichen Austausch mit anderen Mitgliedern und kann somit gemeinsam wichtige Themen vorantreiben: sei es Engagement mit Unternehmen und externen Asset Managern, methodische Weiterentwicklungen, Impact Investments oder Verbesserung der Datenverfügbarkeit.

Auch bei Ausschlüssen gibt es neue Entwicklungen: „Im Einklang mit der Ende 2021 verabschiedeten Kohleausstiegsstrategie der GoAM sinkt die Umsatzschwelle für Unternehmen in der EU und in den OECD-Ländern von derzeit 20 auf 15 Prozent“, so Alina vom Bruck. Die öffentlich publizierte Ausstiegsstrategie beschreibt die sukzessive Reduktion der Schwellenwerte, jeweils separat für OECD und nicht OECD-Länder und werde durch die Gothaer konsequent eingehalten. Ausgeschlossen sind auch Unternehmen, die Expansionspläne im Kohlesektor haben.

Kompromiss bei Öl und Gas

Auch beim Thema Öl- und Gasunternehmen darf die Gothaer ab dem 1.1.2024 nur noch in Unternehmen investieren oder diese finanzieren, wenn diese nicht mit der Förderung von arktischem Öl und Gas, Schieferöl oder der Ölsande-Produktion in Verbindung stehen. Der Umsatzschwellenwert liegt bei fünf Prozent. Auch ist der Öl- und Gassektor von Ausschlüssen betroffen, jedoch: „Haben Öl- und Gasunternehmen aus OECD-Ländern Expansionspläne deutlich gemacht, ohne sich eigene Net-Zero-Ziele zu setzen, dann sind sie ebenfalls für uns nicht investierbar“, so Natalia Geng.

Die Gothaer schließt also keine Öl- und Gasfirmen mit Expansionsplänen in diesen Sektoren per se aus. Denn: Eine überwiegende Mehrheit dieser Unternehmen hätten mittlerweile Pläne, neue Öl- oder Gasfelder zu erschließen. Insbesondere der Krieg in der Ukraine hat die Energiesicherheit in den politischen Fokus gerückt. Dahingehend habe man bei der Gothaer den Kompromiss gefasst, nur solche Öl- und Gasfirmen auszuschließen, die sich keine Net-Zero-Reduktionsziele für Treibhausgase gesetzt haben. Alina vom Bruck begründet das so: „Öl- und Gasunternehmen sind auch wichtig für die Transition, daher wollen wir hier den Investitionsfokus auf solche Unternehmen legen, die glaubwürdige Net-Zero-Pläne haben. Hierfür haben wir ein verbindliches Ziel verabschiedet, bis Ende 2027 nur die Öl- und Gasunternehmen im Portfolio zu haben, deren strategische Ziele und deren Handeln mit dem 1,5 Grad-Ziel im Einklang stehen.“ Ansonsten hätte eine zu eng gefasste Ausschlussgrenze das Investmentuniversum zu stark verkleinert und auch Nachteile für die Diversifikation gehabt.

Studie belegt: Große Mehrheit der Öl- und Gasfirmen hat Expansionspläne

Dass Expansionspläne von Unternehmen im Öl- und Gassektor weit verbreitet sind, belegt eine aktuelle Erhebung der Nichtregierungsorganisation (NGO) Urgewald. Der Verein hat mit über 50 Partnerorganisationen zusammen eine weltweite Datenbank für den Öl- und Gassektor erstellt, die Einblick in die Aktivitäten der globalen Öl- und Gasunternehmen gibt. Das Hauptergebnis: Inmitten der Klimakrise suchen oder erschließen mehr als 95 Prozent der in der Datenbank gelisteten Öl- und Gasunternehmen im Upstream-Bereich weiterhin neue Reserven beziehungsweise bereiten die Förderung vor. Die Global Oil and Gas Exit List (Gogel) führt insgesamt 387 Unternehmen auf, deren durchschnittliche Investitionsausgaben (CapEx) für die Öl- und Gasexploration mehr als zehn Millionen US-Dollar pro Jahr betrugen. In den vergangenen drei Jahren seien insgesamt 168 Milliarden US-Dollar für Öl- und Gasexploration ausgegeben worden, so Urgewald.

Derzeit (Stand 28.11.23) erfasst die Datenbank 887 Unternehmen und bilde damit knapp 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion ab. Einblick in die Liste finden Interessierte unter diesem Link.

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