Jahreskonferenz
4. Juni 2024

Großanleger begrüßen höhere Renditen auf Festverzinsliche

Die Rückkehr festverzinslicher Anlagen in die Portfolios insti­tutioneller Investoren war eines von vielen Gesprächsthemen auf der Jahreskonferenz 2024. Wie ein roter Faden zog sich die „Zinswende“ von 2022 durch den Veranstaltungstag. Zugleich kam die Debatte vermehrt auch auf die anstehende „Zinswende-Wende“.

Jeder spricht vom Comeback der Zinsen und seinen Implikationen auf die Portfoliostruktur institutioneller Anleger. Und auch bei der Jahreskonferenz war das Thema auf so gut wie allen Podiums­diskussionen präsent. Das gilt insbesondere für die von Jochen ­Hägele moderierte Gesprächsrunde zum Thema „Stille Lasten und lauter Chancen: Vom Pfandbrief bis zu (alternative) Credits“, bei der die Gedanken von Investoren und Anbietern um die verschiedenen Spielarten im Zinsuniversum kreisten. Im Zentrum stand natürlich auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-amerikanischen Federal Reserve. Wer von beiden würde wohl den ersten Zinssenkungsschritt nach unten machen, also die Wende der Zinswende einläuten? Vermutlich die EZB im Juni, meinten viele. Oder warten die europäischen Geldwächter, dass die Fed den ersten Schritt macht? Auch das ist denkbar.

Ein anderer Gesprächsgegenstand war gerade auch deshalb die ­Frage, wie sich die Rolle von Fixed Income bei institutionellen Asset Managern und Asset Ownern in den vergangenen zwei Jahren geändert hat. Sie war – der Titel der Expertensession hat es plakativ deutlich gemacht – eng verknüpft mit der Frage nach dem Umgang mit den stillen Lasten, die sich durch den Zinsanstieg bei fest­verzinslichen Anlagen in vielen institutionellen Beständen nun auftürmen. Aber der Reihe nach.

Als er danach gefragt wurde, was sich in der Strategischen Asset ­Allocation (SAA) der Metis Invest in den letzten Jahren Besonderes getan habe, spannte Geschäftsführer Lukas Feiner den Bogen weit auf: „Unsere Asset Allocation hat sich in der Tat verändert. Das hat sie aber immer schon, allerdings in einem eher trägeren Tempo.“ Wie Feiner erläuterte, stellt die Metis Invest – sie managt das Geld der Merkur-Versicherungsgruppe und das von Drittkunden – die SAA immer auf Sicht von drei bis fünf Jahren auf. Bei Bedarf ­werde sie aber jährlich überarbeitet.

Und Bedarf hat es bekanntermaßen seit der Jahrtausendwende ­immer wieder gegeben. „Gleichwohl ist es uns ein wichtiges Anliegen, zu jeder Zeit Ruhe zu bewahren“, betonte Feiner auch im ­Hinblick auf die Tradition der 225 Jahre alten Merkur-Versicherungsgruppe, der ältesten Versicherung in Österreich. „Mit Blick auf die Zinswende und die bevorstehende ‚Zinswende-Wende‘ ­haben wir die SAA in Richtung ihrer Ursprünge zurückgelenkt“, sagte Feiner in Berlin. „Das heißt, wir halten nun wieder mehr Staatsanleihen. Und wir investieren vermehrt in Pfandbriefe.“ Die aktuellen Renditen in den beiden Segmenten liegen um die drei bis vier Prozent. Vielen Großanlegern reicht das aus, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.

„Der Basiszins hilft uns enorm im Geschäftsmodell“, wie der ­Metis-Geschäftsführer in der Expertensession hervorhob. „Wir ­können jetzt wieder Zinsen verdienen und darauf aufbauend unsere SAA weiterentwickeln. Private Markets sind auch weiterhin ­Bestandteil der Allokation, aber unser Fokus ist zurückgekehrt auf die eigentlichen, die ­ursprünglichen Assets, die Versicherungen gern halten, nämlich: Anleihen.“

Auch die Anlageexperten der Gothaer freuen sich über höhere ­Renditen bei Festverzinslichen, wie Christof Kessler auf dem Panel bestätigte. „Wir gehen wieder mehr in liquide Assets hinein, weil sich die liquiden Assets wieder mehr lohnen“, so der Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management AG. Dabei setzt die ­Versicherungsgruppe eher auf Fonds, statt auf die Rentendirekt­anlage, die allerdings bei vielen Investoren nun auch wieder einen höheren Stellenwert einnimmt. Die Vorteile von Fonds lägen in der Steuerung der Nettoverzinsung, so Kessler, „man kann mit Fonds vieles steuern, was man im Direktbestand weniger kann“.

Mit Blick auf die zwar inverse, aber insgesamt nach oben verschobene Zinsstrukturkurve in der Eurozone sprach sich der Experte dafür aus „das Zinsniveau, dort, wo es jetzt ist, zu begrüßen“. Kessler sieht in dessen Entwicklung eine Art Normalisierung. Und Versicherungen profitierten davon. „Wir haben Verbindlichkeiten, die im wesent­lichen Garantieverbindlichkeiten sind“, sagte Kessler. „Und wenn unsere Einkäufe bei Anleihen das jetzt übertreffen, dann ist das ­genau der Zustand, den man sich wünscht. Wir sind jetzt in der ­Lage, Renditen einzukaufen, die für uns sehr auskömmlich sind.“

Mit Blick auf die einzelnen Versicherungssparten machte Kessler deutlich, dass sich eine Kranken- oder Sachversicherung relativ schnell an das neue Renditeumfeld anpassen könne, was auf die vergleichsweise kurze Duration im Rentenbestand zurückzuführen sei. „Eine Lebensversicherung kann das weniger schnell. Trotzdem ist es in allen drei Versicherungsarten unser Ziel, die laufende Verzinsung an das jetzige Niveau anzupassen. Genauer gesagt: an das jetzige Niveau plus einer Prämie, die man in verschiedenen konservativen Asset-Klassen noch einkaufen kann.“

Daran anknüpfend richtete Peter Becker den Fokus auf die Pläne von EZB und Fed; die künftige Notenbankpolitik und ihre Auswirkungen auf Zinsen und Wechselkurse ist für Investoren und ihre Portfoliostrukturen von herausragender Bedeutung. „Die ‚Zinswende-Wende‘ steht unserer Meinung nach vor der Tür“, konstatierte der Investment Director Fixed Income von der Capital Group. Letztendlich schauten die ­Notenbanken mit Argusaugen auf die Daten, etwa die Entwicklung der Löhne und der Lohnstückkosten. Es müsse die Überzeugung vorhanden sein, dass sich der Dis­inflationstrend fortsetzen werde. „Was das betrifft, sind wir skeptisch“, betonte Becker. „Wir sehen zwar in den Inflationsdaten auf Jahresbasis, dass die Disinflation stattgefunden hat und in den letzten Monaten weiterging. Aber die kurzfristigeren Inflationsdaten zeigen, dass hier eine Aufwärts­bewegung stattfindet – insbesondere im Dienstleistungsbereich.“

Vor diesem Hintergrund machte Becker deutlich, dass „keine ­signifikante Zinssenkungsphase“ ­eingeläutet werde. Für Renten­anleger wie Lukas Feiner und ­Christof Kessler sind das im Prinzip gute Nachrichten, weil sie ­ihre Portfolios auch weiter entspannt mit Bonds bestücken können. Die Kehrseite der ­Medaille: Kranken- und Sachversicherer leiden unter der zuletzt hohen Inflation.

In den USA ist die Lage komplexer angesichts ­eines boomenden ­Arbeitsmarkts und steigender Preise. Zu Jahresanfang wurden an den Märkten fünf bis sieben Zinssenkungen eingepreist, wie ­Charu Shende anmerkte. Inzwischen sei die ­Euphorie gewichen, wie den Worten des Head of Client Portfolio Management Fixed Income bei Candriam zu entnehmen war. „Wir gehen von zwei bis drei Zinssenkungsschritten aus“, so Shende.

Im Verlauf der Expertensession fragte Moderator Jochen Hägele seine Gäste nach ihrem Ausblick auf die Zinslandschaft von morgen. Mancher fürchtet die Rückkehr ultraniedriger Zinsen. Doch danach sieht es nicht aus. Für Steven Oh betrifft diese für viele so wichtige Frage den Kern dessen, was die „normalisierten Zinsen“ sein werden. In Berlin sprach der Managing Director von Pine­bridge Investments deshalb über demographische Trends und stellte Prognosen zum Produktivitätswachstum an – beides wichtige ­Einflussfaktoren der Inflation. „Wir gehen davon aus, dass das Produktivitätswachstum ab 2025 anspringt.“ Oh begründete das etwa mit Fortschritten bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz.

Anschließend sprach Steven Oh einen Aspekt an, der in der ­Vergangenheit ­dämpfend auf die Preise gewirkt habe: „China hat viele Jahre lang Disinflation in alle Welt exportiert und das in ­Kombination mit der Globalisierung. Diese geht nun aber in eine Nationalisierung und Regionalisierung über.“ Oh vermutet, dass die Inflation künftig ungefähr einen halben Prozentpunkt über dem langjährigen Mittel liegen wird. „Sobald wir den aktuellen ­inflationsorientierten Zyklus hinter uns haben, gehe ich davon aus, dass die Zentralbanken Rezessionen und das Risiko steigender ­Arbeitslosigkeit mehr fürchten werden als die Inflation. Dies lässt mich davon ausgehen, dass die realen Leitzinsen nicht zwischen 0,5 und einem Prozent, sondern im Durchschnitt eher bei null Prozent liegen werden. Und von da ausgehend können Sie die Zinsstrukturkurve zeichnen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir kehren nicht zu den niedrigen Niveaus der 2010er-Jahre zurück.“

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