Versicherungen
3. November 2023

Großanleger mit Profil

Seit der Zinswende ist in der Versicherungswelt viel passiert: Stille Reserven kehrten sich in stille Lasten, die Risikobetrachtung veränderte sich. Etwa 75 Prozent der Kapitalanlagen der Signal Iduna Gruppe bestehen aus Zinsinstrumenten. Jetzt war De-Risking angesagt. Wir schauen zurück auf den Wandel bei Fixed Income, auf Aktuelles bei Infrastruktur und Impact Investments, auf Solvency II und auf Nachhaltigkeit.

Daniela Englert spricht mit Andreas Gründemann über das Comeback der Festverzinslichen, die SAA, Private Markets und Solvency II. Als Bereichsleiter Vermögensverwaltung, -planung und -controlling der Signal Iduna verantwortet Gründemann die Strategische Asset-Allokation, die Vermögensverwaltung und das Risikomanagement der Kapitalanlagen.

Herr Gründemann, wie haben Sie im Zuge der Zinswende Ihre SAA angepasst? Haben Sie einzelne Quoten stark verändert?

Ja, in der Lebensversicherung schon. Hier haben wir zum Beispiel neben dem Abbau von Emerging Markets auch im High-Yield-Segment die Quoten reduziert. Wir sind hier eher dabei, die Immobilien zu stabilisieren und das Fixed-Income-Portfolio noch weiter zu stärken. Das ist in der Lebens­versicherung der größte Wandel. Wir ­bleiben aber dabei, auch illiquide Anlagen zu forcieren. Wir bauen unser Infrastruktur-Portfolio gezielt auf und sind auch bei Private Equity weiter unterwegs. In der Krankenversicherung haben wir die Asset Allocation nicht wesentlich ­geändert, was am Risikoprofil der Gesellschaft liegt und an dem Anlagehorizont dahinter. Hier ­hatten wir vor einigen Jahren bereits entschieden, dass wir dort ­unsere Realwerte aufbauen, also Immobilien, Infrastruktur, Private Equity und ­Private Debt, aber auch Aktien. Und das bauen wir weiter auf.

Ein Großteil Ihrer Assets sind Festverzinsliche: Was hat De-Risking hier bedeutet?

Aufgrund der Niedrigzinsphase hatten wir als Gruppe in den vergangenen Jahren an einigen Stellen auch Anlagearten mit speziellen Renditeprofilen beigemischt – dies mit kleineren Volumina – um eine gewisse Stabilität im Portfolio zu erzielen. De-Risking bedeutet für uns nun eine Konzentration­ auf wesentliche Anlagearten, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben. Wir gehen dabei jedoch gezielt auch Risiken ein, je nach Versicherungs-Sparte unterschiedlich gelagert. Die Lebensversicherung hat dabei einen anderen Spielraum als die Krankenversicherung und auch die Schaden-Unfallversicherung.

Könnten Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Wir haben uns strategisch im vergangenen Jahr von Emerging-Market-Anleihen verabschiedet, weil wir festgestellt haben, dass die US-Treasuries an sich ein ähnliches Risikoprofil abbilden. In guten Märkten erzielen sie im direkten Vergleich vielleicht etwas weniger Rendite, sind aber in Krisenzeiten deutlich liquider und haben nicht so starke Downside-Risiken wie Emerging-Market-Papiere. Das bedeutet nicht, dass wir hier überhaupt nicht mehr in Emerging Market Debt investieren, wir können es ­weiter taktisch beimischen, aber nur im kleineren Umfang. Das liegt dann in der Entscheidung des jeweiligen Managers.

Sind US-Treasuries noch risikolos nach dem Downgrade von Fitch im August?

Die USA sind immer noch einer der ­größten Bondmärkte­ der Welt. Insofern setzt dieser Markt auch die Standards für andere ­Länder. Wir reden von einem immer noch sehr gut gerateten Bond mit einem AA+-Rating, wie das für ­einige europäische Staaten auch gilt. Ein Ausfallrisiko sehen wir da nicht. Nichtsdesto­trotz haben US-Treasuries ein Risiko und das ist die Währung, die immer auch ­eine Schwankungsbreite hat – das hat man auch wieder in 2022 gesehen. Ich bin der ­Meinung: Wenn man in den ­Dollar-Raum geht, sollte man das Währungsrisiko ­aushalten. Denn Dollar-Risiken, und damit Währungs­risiken, bieten immer auch ­Di­versi­fikation.

Aushalten heißt in dem Zusammenhang, dass Sie das nicht hedgen?

Die Portfoliomanager können es taktisch hedgen. Strategisch hedgen wir – mit Ausnahme der Lebensversicherung – nicht, es sei denn, wir haben bei einzelnen Gesellschaften der Signal Iduna Gruppe schon an anderen Stellen Dollar-Risiken, sodass wir strategisch nicht noch mehr US-Dollar ­wollen. Wir haben bei den einzelnen Gesellschaften eine individuelle, Asset-Klassen-übergreifende, strategische Zielquote für Dollar-Risiken, die sich je nach Gesellschaft zum Teil deutlich unterscheidet. Wenn wir über der Zielquote ­liegen, hedgen wir einen Teil. Ansonsten glaube ich, dass der US-Dollar von der reinen Portfoliokonstruktion her eine gute Diversifikation bietet.

Kann man jetzt dank Zinswende US-Treasuries oder Bundesanleihen kaufen, und alles ist gut – gut für die Lebensversicherung?

Das stimmt in dem Sinne, dass die Auswahl unserer Anlagemöglichkeiten jetzt wieder größer geworden ist. In der Niedrigzins­phase hatten wir dagegen die Erschwernis, dass wir viel Liquidität anzulegen hatten. Stattdessen haben wir jetzt mehr Wahlmöglichkeiten und können zwischen Risiken stärker selektieren.

2022 haben Sie umgeschichtet. In welchen Segmenten haben Sie noch zugekauft?

Wir haben im vergangenen Jahr ganz ­gezielt aus den Fonds in die Direktanlage umgeschichtet und zum Beispiel in Pfandbriefe oder auch in Bonds von europäischen Kreditinstituten mit guter Bonität investiert. Dabei haben wir mittlere bis kürzere Laufzeiten gewählt, weil wir die Chancen am Anleihemarkt auch dafür nutzen ­wollten, um unsere laufende Verzinsung zu stabilisieren. Das betraf einen ­größeren ­Betrag, der aber immer noch ­einen kleineren Teil unseres Gesamt-Portfolios darstellt.

Der interne Rechnungszins in der Lebensversicherung wurde in 2022 abgesenkt.

Den internen Rechnungszins haben wir durch die Zinszusatzreserve (ZZR) die ­vergangenen zwölf Jahre faktisch abgesenkt. Dabei halten wir uns an das, was auch die Branche insgesamt gemacht hat. Aufgrund des ­Alters unseres Bestandes ­haben wir in der Vergangenheit hohe ­Deckungsrückstellungen aufbauen müssen. Wir sind jetzt aber in der glücklichen Situation,­ dass wir uns, ­verstärkt durch den Zinsanstieg, einen ­Puffer erarbeitet haben, den wir unter anderem ­bereits in 2022 ­dazu ­genutzt haben, um aktiv vorgehen zu können. Der Aufbau der ZZR war letztendlich im Wesentlichen eine Realisierung von ­stillen Reserven, und diese ­holen wir uns quasi ein Stück weit wieder zurück. Das wird auch ­eine Teil-Strategie für die kommenden ­Jahre sein.

Also haben Sie auch stille Lasten aufgebaut.

Die haben wir aufgebaut und teilweise ­realisiert. Wir wollen die kommenden Jahre nutzen, um dort, wo es die Gewinn- und Verlustrechnung zulässt, anteilig Altlasten aus der Niedrigzinsphase abzutragen, die es ja in der ganzen Branche gibt.

Altlasten, das heißt Anleihen mit langer ­Duration?

Das bedeutet: Anleihen mit langer Duration oder überhaupt mit einer mittleren Duration.­ Es gibt auch im Unter-Zehn-Jahres-­Bereich Anleihen, die eine marktunterdurchschnittliche laufende Verzinsung haben. Diese schrittweise abzubauen, ist unser Fokus.

Die Zinswende: Was bedeutet sie für die ­Direktanlage?

Sie bedeutet erst einmal eine deutliche ­Entlastung, weil wir im Grunde genommen eine ALM-orientierte Fixed-Income-Politik haben. Sprich: Wir halten einen Großteil der Fixed-Income-Titel bis zur Fälligkeit, und dadurch kommen wir jetzt Stück für Stück wieder in eine Situation, wo die laufende Durchschnittsverzinsung im Gesamt-Portfolio erhöht wird, was dann auch den Versicherungskunden zugutekommt. Von daher ist Fixed Income wieder attraktiv geworden und nicht mehr nur regulatorisch erforderlich. Für die Bestände, auf denen noch stille Lasten liegen, wird es sicherlich noch bis zu zehn Jahre dauern, bis sich das Portfolio einigermaßen eingependelt hat. Das betrifft aber grundsätzlich, ohne die Details zu kennen, die gesamte Branche.

Und was sind Ihre Sorgen?

Die größte Sorge, die sich aus meiner Sicht im Fixed-Income-Bereich stellt, ist die Tatsache, dass man sich bewusst machen muss, dass man nicht mehr so schnell ­Bestände reallokieren kann. Und das wird für die Unternehmen eine Herausforderung sein. Das heißt aus meiner Sicht: Die ALM-orientierte Anlagepolitik gerät noch stärker in den Fokus. In der Vergangenheit konnte man relativ einfach Assets mit ­Reserven verkaufen und hat das Geld ­wo­anders angelegt – das geht jetzt in der ­Regel nicht mehr.

Haben Sie 2022 auch eine ALM-Studie durchgeführt, wie das viele Investoren ­gemacht haben?

Wir machen jedes Jahr eine ALM-Studie. Wir haben zum Beispiel schon vor fast 20 Jahren aufgrund der ALM-Studie in der Krankenversicherung einen Grundsatz­beschluss getroffen, dass die Kapitalanlage der Krankenversicherung ähnlich auszurichten ist wie die Lebensversicherung. Das führt jetzt dazu, dass wir mit 3,3 Prozent ­eine der höchsten Durchschnittsverzinsungen im Markt haben.

Vor zwei Jahren erwähnten Sie, dass Sie eine Barbell-Strategie gefahren haben. Hat sich das geändert?

Mit dem De-Risking haben wir die Barbell-Strategie heruntergefahren. Bei der Barbell-Strategie war das Ziel, Anleihen mit einem gewissen, vertretbaren Kreditrisiko zu ­erwerben, die eher kurze Laufzeiten hatten, und Staatsanleihen zur Durations-Steuerung mit längerer Laufzeit. Und durch die Zinswende haben wir uns wieder stärker auf das klassische Geschäft konzentriert, ­sodass wir eher Anleihen im mittleren Segment kaufen. Das heißt, die Barbell-Strategie verfolgen wir nicht mehr.

Wo sehen Sie bei Festverzinslichen in der Neuanlage aktuell die größten Risiken?

Ich glaube, die größten Risiken liegen ­derzeit in der Kredit-Selektion. Wenn man in die Länderallokation schaut, sollte man bei einigen Ländern vorsichtig sein. Wie ­gesagt, finde ich das Thema Emerging Markets nicht unproblematisch. Wir bekommen durch die Inflation, aber auch durch die ökologische Transformation Herausforderungen in einigen Branchen, sodass man genau hinschauen muss, ob die Geschäftsmodelle der Unternehmen, die man ­finanziert, tragfähig sind. Ich sehe in der Laufzeit eher nicht das Problem, aber ­regional und sektoral würde ich genau ­hinschauen. Wir stützen unsere Investment- wie Deinvestment-Entscheidungen auf unseren professionellen Ansatz einer internen Kreditanalyse.

Welche Branchen sehen Sie derzeit kritisch?

Die Krise in der Baubranche ist ein großes Thema, vielleicht auch noch gewisse ­Segmente der Technologiebranche. Ich glaube, dass man bei den Startups genau hinschauen muss und die Automobilbranche ist derzeit auch unter Druck.

Wegen der Spannungen mit China …?

Ja, China und E-Mobilität. Das sind Bereiche, wo ich genau hinschauen würde.

Stichwort China: Wie stark wirken geopolitische Risiken auf die Kapitalanlage?

Wir sind in China in der Kapitalanlage nicht engagiert. Das hat auch ESG-Gründe. ­Natürlich ist China ein großer Kapitalmarkt, aber wir sind immer der Meinung gewesen, dass wir dort auch politische Risiken sehen. Insofern waren wir, was den Markt China und die Kapitalanlage angeht, immer sehr zurückhaltend und fühlen uns jetzt bestätigt. Auch die dortige Immobilienkrise wird im Land selbst nachwirken, das wird für das Land teuer, aber China wird zusehen, dass Investoren weiter bedient werden.

Wie groß ist Ihr Aktien-Portfolio? Und legen Sie hier eher passiv oder aktiv an?

In der Signal Iduna Gruppe liegt das liquide Aktienportfolio bei etwa 2,5 bis drei Milliarden Euro. Wir managen das Portfolio grundsätzlich aus zwei Richtungen aktiv. Zum ­einen gibt es ein Risiko-Overlay, das heißt, die Kollegen der Signal Iduna Asset Manage­ment (SIAM) allokieren am Markt und hedgen auch teilweise über Derivate, weil wir glauben, dass es wichtig ist, die Quote in gewissen Phasen nicht statisch zu halten. Unterjährig, übers Jahr verteilt, werden dort gewisse Futures und Optionen erworben, je nach Risikoneigung und Markterwartung. Das ist einmal die aktive Komponente. Das zweite ist, dass auch der Großteil der Manager in ihrer Aktienselektion­ ein aktives Mandat haben. Wir sind kein Haus, das passiv anlegt. Wir glauben, dass es schon ­einen gewissen Mehrwert erzielt, wenn man sich aktiv im Aktienmarkt ­bewegt.

Die Kosten sind nicht das Entscheidende?

Die Manager müssen ihre Kosten mit­verdienen. Das ist die erste Aufgabe. Wir vergleichen dann die Ergebnisse der ­Manager mit dem Index. Darüber hinaus führen wir laufend Transaktionskostenanalysen durch.

Sie haben die Einführung von Solvency II damals mit vorangetrieben. Was leistet Solvency II für eine große Versicherung?

Solvency II war ein Paradigmenwechsel. Davor hat die Aufsicht uns vorgegeben, was wir dürfen oder nicht. Solvency II dreht das um und sagt: Sie dürfen grundsätzlich alles als Versicherungskonzern, Sie müssen nur die Risikotragfähigkeit und die Geschäftsorganisation entsprechend nachweisen. Das führt zu vielen zusätzlichen Prozessen im Haus, die man braucht. Aber es ist eigenverantwortlicher. Und es ist auch logischer: Woher soll eine Aufsicht wissen, welche Anlage­grenzen im Einzelnen richtig sind? Wir müssen nachweisen, dass wir eine Steuerung haben, die die Kundengelder schützt und einen möglichst großen Mehrwert erzielt. Und in diesem Rahmen ­können wir uns dann frei bewegen.

Versicherer, die nach Solvency II reguliert sind, nutzen trotzdem häufiger intern die Anlageverordnung, sozusagen als Crash-Barriere. Was ist Ihre Meinung dazu?

Das kann ich verstehen. Wir nutzen zwar auch die Anlageverordnung als Grund­lage, weil sie von Vorteil ist. Viele Definitionen sind darin schon geregelt und Sie müssen sich nicht alles selbst erarbeiten. Die Limite, die die Anlageverordnung vorgibt, nutzen wir nicht. Wir entscheiden uns aber bezüglich der Definitionen ganz bewusst für ­Abweichungen, die wir auch vorher ­geprüft haben, und leiten die Quoten daraus ab, gestalten also unsere Anlage­politik selbst.

Wie blicken Sie auf Klimarisiken?

Was ich bei den Klimawandelszenarien, die wir rechnen, sehr interessant finde, ist, dass sie Risikofaktoren für einzelne Branchen vorgeben. Die Klimawandelszenarien, die zum Beispiel die Baubranche hat, haben ­einen anderen Faktor als beispielsweise die Modebranche. Man bekommt ein Gefühl dafür, wo man höhere Selektionsrisiken hat, was den Klimawandel angeht. Darüber ­hinaus wird auch regional unterschieden. Zum Beispiel wird das Immobilienrisiko in Hamburg anders bewertet als das in Frankfurt. Solche regionalen und sektoralen ­Unterscheidungen finde ich interessant. Das macht Solvency II nicht.

Inwiefern ist Liquidität im Moment Thema?

Die Frage, die wir uns stellen, lautet: Wie viel Liquidität können wir zur Verfügung stellen, falls das Risiko A, B, C einschlägt? Wir erwarten, dass Stornorisiken moderat steigen, und wir steuern das im Wesent­lichen über unsere Fälligkeitsstruktur. In der Krankenversicherung ist das nicht so ein großes Thema. In der Lebensversicherung kann es durchaus zu mehr Stornos kommen, wenn beispielsweise Menschen den Rückkaufswert benötigen, um ihre Hypothek zu bezahlen. Ich rechne zwar nicht mit größeren Stornowellen, dennoch verdoppeln wir in unseren ALM-Berechnungen unsere kalkulierte Stornoquote. Auch in der Schaden-Unfallversicherung kann es zu Bewegungen kommen. Ein doppelter Storno ist dazu eine gute Näherung.

Zu den Alternatives: Wie lange ­investiert die Signal Iduna schon in Infrastruktur?

Richtig damit begonnen haben wir im Jahr 2015. Damals begannen wir mit Windkraft-Investments auf der Eigenkapitalseite; diese wurden in den Folgejahren auch von großvolumigen Finanzierungen begleitet wie die Offshore-Windparks „GodeWind I“ und „Borkum Riffgrund 2“ von Ørsted, ­deren Bau 2015 beziehungsweise 2017 begonnen wurde und die wir in der Folge mit rund 170 Millionen Euro als Teil von Konsortien mitfinanziert haben. Eine andere Versicherungsgruppe hatte die Federführung inne und wir haben uns damit sehr wohl gefühlt, dazu­gelernt und sind dann Stück für Stück mehr in die Asset-Klasse eingestiegen.

Derzeit bauen Sie einen großen Photovoltaik­­-Park bei Leipzig.

Bei dem Photovoltaik-Park Witznitz in der Nähe von Leipzig finanzieren wir Großteile des gesamten Projektes. Dabei treten die einzelnen Versicherungsunternehmen der Signal Iduna Gruppe sowohl als Eigenkapitalgeber als auch Fremdkapitalgeber auf. Circa 93 Prozent des Investitionsvolumens liegen bei der Signal Iduna, und circa ­sieben Prozent beim Projektierer. Das Projekt ­umfasst mehrere hundert Millionen Euro, das ist für uns ein Leuchtturmprojekt. Der ­Photovoltaik-Park mit 650 Megawatt soll Ende dieses Jahres fertiggestellt sein. Wir haben auf der Equity-Seite zuvor einige kleinere Projekte gemacht, sowohl im ­Bereich Windkraft als auch bei Solarenergie, unter anderem in Deutschland und dem europäischen Ausland. Der Solarpark bei Witznitz ist unser erstes Projekt in ­dieser Größenordnung.

Die Ausgestaltung der Investments ist meist so, dass wir in Luxemburg mit der Hansa­invest Luxemburg die KVG haben und unsere Asset-Management-Tochter Hansa­invest Real Assets die Anlage projektiert. Die Signal Iduna Asset Management finanziert teilweise mit und wir steuern das ­ganze Projekt aus der Risiko-Sicht.

Zudem haben Sie eine eigene nachhaltig ausgerichtete Gesellschaft gegründet, die auch Impact Investments macht. Warum?

Die Signal Iduna Lebensversicherung AG ist eine Tochter der Signal Iduna Holding. Die Gründe für die Neugründung im Jahr 2021 lagen darin, dass wir in der Struktur das Thema Digitalisierung in der betrieblichen Altersversorgung voranbringen und ein nachhaltiges Produkt schaffen wollten, welches wir zum Beispiel auch jungen ­Leuten anbieten können, die das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig finden. Damit können wir ein Kollektiv mit einem sehr langen Fristigkeits-Profil aufbauen, da sich die Kunden zunächst in der Ansparphase befinden. Den Impact können wir mit der neuen Gesellschaft auch gut tracken. Sie ist für uns der Vorreiter in der Gruppe, was nachhaltige Kapitalanlage angeht. Das, was wir dort lernen und aufbauen, werden wir Stück für Stück auf die anderen Unternehmen der Gruppe übertragen.

Wie gehen Sie Nachhaltigkeit konkret an?

Wir haben zum einen scharfe Ausschlusskriterien definiert, das ist die erste Säule. Zum Beispiel machen wir keine Öl- und ­­­­keine­ Atomkraft-Investments. Zudem haben wir definiert, was für uns nachhaltige Anlagen nach der Transparenzverordnung sind, das können zum Beispiel Green Bonds oder ­Hypotheken für energetische ­Sa­nierungen sein, das wäre die zweite Säule. Impact ­Investments sind für uns die dritte Säule. Hierunter verstehen wir Realwert-Investi­tionen, also Infrastruktur-, derzeit im Wesentlichen Wind- und Solarinvestments.

Die neue Gesellschaft umfasst bisher eine Kapitalanlage von etwa 120 Millionen Euro. Wir glauben, dass wir es mit einem Strukturbruch an den Kapitalmärkten zu tun ­haben. Wir hatten die Niedrigzinsphase über die vergangenen zehn Jahre. Unser ­Bestand in der bisherigen Gesellschaft ist während der Niedrigzinsphase zehn Jahre älter geworden und viele Verträge kommen bald in die Auszahlungsphase – dazu passen Impact Investments nur bedingt.

Die Impact Investments machen Sie in Form von Finanzierungen?

Ja, das sind an der Stelle Fremdkapital-­Investments. Mir ist dabei immer wichtig, dass diese Fremdkapital-Investments nicht durchweg endfällig sind, sondern einen ­Tilgungsanteil während der Laufzeit vorsehen. Denn auch eine Solaranlage oder ein Windrad hat einen Werteverzehr. Wir ­machen grundsätzlich keine Solar- oder Wind-­Investitionen, wo die Tilgung nur am Ende kommt.

In Private Equity investieren Sie seit ­langem. Wie hoch ist der Anteil am Gesamtportfolio?

Wir haben seit 2003 Private-Equity-Investments über unsere Tochter-Gesellschaft, ­Signal Iduna Select Invest GmbH, durchgeführt. Der Anteil am Gesamt-Portfolio liegt ungefähr bei zwei Prozent. Zum Erreichen unserer Zielallokation von circa drei Prozent wird noch etwas investiert, wenngleich sich die Bestände ­innerhalb der Gesellschaft revolvierend ­verändern. Wir haben Rückflüsse, die reinvestiert werden, und wir erhalten regelmäßig Ausschüttungen aus der Gesellschaft.

Welche Renditen erwarten Sie?

Zehn Prozent pro Jahr im mittelfristigen Durchschnitt ist unsere Erwartungs­haltung, und die haben wir in den vergangenen zehn Jahren auf jeden Fall auch bekommen. Ein großer Vorteil für uns ist, dass wir Zeit ­haben, da wir die Illiquidität aushalten ­können. Deswegen sind wir nicht taktisch unterwegs. Das gleiche gilt für Private Debt. Mit ­dieser Asset-Klasse haben wir vor etwa vier Jahren an­gefangen.

Die Signal Iduna bekommt in Hamburg ­gerade eine neue Hauptverwaltung. Wie sollte man sich bei Büros positionieren?

Unser neues Gebäude mit 1.100 Arbeitsplätzen ist schon mit Desk-Sharing und offenen Büroflächen ausgestattet. Was wird künftig für die Bürostandorte wichtig sein? Ich würde als erstes auf die Lage und eine gute Verkehrsanbindung schauen, weil die ­Mitarbeiter künftig weniger mit dem Auto kommen. Zudem wollen sie eine offene ­Bürowelt haben, weil sie nicht mehr jeden Tag im Büro sind und die Zusammenarbeit im Büro sich weiter verändern wird. Für den Investor muss ein Gebäude eine gute Energiebilanz haben. Das sind im Grunde drei Punkte: Lage, Raumaufteilung und Energieeffizienz.

Beim Thema Nachhaltigkeit wollen Sie dabei sein: Das ESG-Reporting ist im Moment für viele Investoren ein …

… Ärgernis.

Wie beschäftigt Sie das derzeit?

Ich vergleiche das mit der Einführung von Solvency II. Bei Solvency II hatte man den Vorteil, dass das Rahmenwerk sehr langfristig entwickelt wurde – bei der Nachhaltigkeitsregulierung kommt alles in einem sehr kurzen Zeitraum. Das größte Problem für uns ist, dass die Daten, die wir für das Berichtswesen brauchen, teilweise noch nicht verfügbar sind. Gleichzeitig gibt es noch keine klare Definition dazu, was ­nachhaltig ist.

Im Rahmen der Einführung von Solvency II erinnere ich mich gut daran, dass Gabriel Bernardino, damals Chef der ­europäischen Ver­­sicherungsaufsicht, der Eiopa, sinn­­gemäß zur erstmaligen Umsetzung gesagt hat: Macht erst mal, wir schauen uns die ­wesentlichen Themen an und dann schauen­ wir auf die Entwicklung der ­Modellqualität! Gerade eine solche Haltung des Regulators fehlt mir derzeit beim Thema ­Nachhaltigkeit. Dass man mit etwas Mut eine gewisse Aufbruchsstimmung für die Trans­formation­ erzeugt, um Dinge ­erst einmal in Gang zu bringen und sich nicht in diver­sen, sehr komplexen regulatorischen ­Anfor­­derungen verstrickt.

Mehr über die Signal Iduna und Andreas Gründemann 

Die Signal Iduna Gruppe geht auf den Zusammenschluss der Dortmunder Signal-Versicherungen und der Hamburger Iduna-Nova-Gruppe im Jahr 1999 zurück. Beide Versicherungsgruppen gehen auf Initiativen aus Handwerk und Gewerbe aus dem frühen 20. Jahrhundert zurück. Die Signal Iduna Gruppe verwaltete zum Jahresende 2022 rund 56 Milliarden Euro an Kapitalanlagen für die Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen und hat in der Gruppe rund 100 Milliarden Euro Assets under Management.

Andreas Gründemann ist seit 22 Jahren bei der Signal Iduna Gruppe in verschiedenen Positionen für die Kapitalanlagen tätig. Seit 2021 ist er zuständiger Bereichsleiter Vermögensverwaltung, -planung und -controlling und verantwortet die Strategische Asset-Allokation, die Vermögensverwaltung und das Risikomanagement der Kapitalanlagen. Steckenpferd des Kapitalanlegers mit Bremer Wurzeln ist Solvency II, welches er 2008 bis 2015 als Projektleiter federführend in der Gruppe umsetzte. Der Wirtschaftswissenschaftler kennt sich auch mit modernen Management-Methoden aus. An der Zinswende begrüßt Gründemann besonders die zurückgewonnene Wahlfreiheit zwischen den Anlageklassen.

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