Recht, Steuer & IT
12. Dezember 2022

Grünes Licht für Sozialpartnermodelle in Energie und Chemie

Die ersten beiden Sozialpartnermodelle, die auf eine reine Beitragszusage setzen, sind endlich da. Die Projekte der Energie- und der Chemiebranche haben die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bafin. Die Fakten und Hintergründe.

Im Schlussspurt hat das Sozialpartnermodell (SPM) der Energiewirtschaft das Rennen gemacht und am 27. Oktober 2022 den Startschuss verkündet. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Industriegewerkschaft IGBCE, das Energieunternehmen Uniper, der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen sowie die Arbeitgebervereinigung Bayerischer Energieversorgungsunternehmen haben einen gemeinsamen Tarifvertrag zur Umsetzung der reinen Beitragszusage (rBZ) vorgelegt. Der tritt am 1. Januar 2023 in Kraft und ist erstmals 2033 kündbar. Versorgungsträger und durchführende Einrichtung beim Energie-SPM ist der Metzler-Sozialpartner-Pensionsfonds. Bereits seit sechs Jahren besteht eine Kooperation zwischen dem Bankhaus Metzler und dem Uniper-Konzern. Die Unbedenklichkeit des Pensionsplans „Metzler rBZ 1“ stellte die Bafin bereits am 27. September 2022 fest. Mit dem offiziellen Startschuss haben die Protagonisten dennoch einen ganzen Monat gewartet, vermutlich, weil Uniper zwischenzeitlich Staatshilfe in Anspruch nehmen musste.

Laut dem „Tarifvertrag reine Beitragszusage“ setzt sich der tarifliche Arbeitgeberbeitrag beim Energie-SPM wie folgt zusammen:
– ein Grundbeitrag (2,0 Prozent des Bruttojahresentgelts),
– ein Matching-Beitrag (33,33 Prozent des Grundbeitrags durch
Arbeitgeber, wenn Arbeitnehmer Eigenbeiträge leistet) sowie
– ein Kosten- und Sicherungsbeitrag von insgesamt 7,0 Prozent der geleisteten Beiträge.

Der durch den Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers finanzierte Sicherungspuffer kann zum Ausgleich von Marktschwankungen in der Rentenphase genutzt werden. Wandeln die Mitarbeitenden zusätzlich eigenes Entgelt um, zahlt der Arbeitgeber einen weiteren Zuschuss von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts, soweit der Arbeitgeber dadurch selber SV-Beiträge spart. „Insofern gibt es bei Entgeltumwandlung einen deutlich höheren Arbeitgeberzuschuss“, bestätigt Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bei Verdi.

Die eingezahlten Beiträge werden durch den Metzler-Sozialpartner-Pensionsfonds in ein breit diversifiziertes Portfolio investiert. Der Pensionsfonds setzt auf die Anlageklassen Aktien, Anleihen, Immobilien und Gold. Zur Umsetzung der Asset-Allokation wird zu Beginn ein bereits bestehender Metzler-Spezialfonds genutzt, in dem bislang ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag investiert ist. „Damit lassen sich die Herausforderungen, die ein ‚Start auf der grünen Wiese‘ samt der Kosten mit sich bringen würde, elegant meistern“, sagt Christian Remke, Vorstandssprecher des Metzler-Sozialpartner-Pensionsfonds. Seit Auflage im März 2016 wurde bis 31. August 2022 mit dem Spezialfonds eine durchschnittliche Rendite von 3,59 Prozent pro Jahr erreicht und damit die ALM-Zielrendite für das Energie-SPM von 3,5 Prozent übertroffen.

Knapp von der Energiewirtschaft geschlagen geht das Chemie-SPM als zweiter Sieger durchs Ziel. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bafin, sagte auf der Jahrestagung Versicherungsaufsicht der Behörde am 2. November: „Letzte Woche ist eine weitere sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt worden.“ Obwohl die Bafin üblicherweise keine Unternehmensnamen nennt, wussten eingeweihte Marktbeobachter, dass damit nur die Chemie gemeint sein konnte. Nur zwei Stunden später vermeldeten die Chemie-Sozialpartner dann selbst den Start ihres SPM. Nach eigener Aussage handelt es sich bundesweit um das erste auf einem Flächentarifvertrag basierende SPM, während die Basis des Energie-SPM nach eigener Aussage ein „unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag“ ist, der jedoch erst am 1. Januar in Kraft tritt. Anders bei der Chemie: Sie erhielt zwar erst als Zweiter die Freigabe der Bafin, startet aber sofort. „Das Chemie-SPM wurde in den bestehenden Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge integriert (TEA), der ab sofort gilt“, erklärt Sebastian Kautzky, Geschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbands Chemie e.V. (BAVC).

Das branchenweite SPM wird über den Chemie-Pensionsfonds organisiert. Arbeitgeber zahlen fünf Prozent Sicherungsbeitrag, um Rentenschwankungen auszugleichen. „Chancen bekommen Vorfahrt vor den Garantien“, sagt BAVC-Hauptgeschäftsführer Klaus-Peter Stiller. Im Blickpunkt steht die Entgeltumwandlung, die mit Arbeitgeber-Beiträgen aufgestockt wird. Nutznießer sind zunächst neue Tarifbeschäftigte in den Chemie-Betrieben. Ziel sei eine langfristige und flexible Kapitalanlage für verlässliche Renditen. „Die dynamische Steuerung der Allokation wird mit einem Aktienanteil zwischen zehn und 80 Prozent gefahren, wobei eine jährliche Startquote von 40 Prozent vorgesehen ist“, sagt Timm Höynck, Vorstand des Chemie-Pensionsfonds. Von 2005 bis Juli 2022 wurden 6,14 Prozent Rendite bei 6,7 Prozent Volatilität erzielt.

Wer wird das nächste SPM an den Start bringen? Viele bAV-Schmieden werkeln bekanntlich seit 2018 an einem SPM. Das Talanx-Projekt, das gemeinsam mit Zurich über das Konsortium „Die Deutsche Betriebsrente“ eine Zielrenten-Lösung auf Basis eines kapitalmarktbasierten Pensionsfonds ansteuert, schien zunächst am weitesten zu sein. Im März 2021 hatten die Protagonisten den 1. Juli 2021 als Starttermin für ein SPM mit Haustarifvertrag für rund 11.000 Talanx-Beschäftigte genannt (siehe Ausgabe 6/2021). Doch sie machten die Rechnung ohne den Wirt: Die Bafin hat die Unbedenklichkeitsbescheinigung nach 18 Monaten Prüfungszeit noch immer nicht erteilt. Gründe dafür nennt keiner der Beteiligten. Hinter den Kulissen heißt es aber, dass wesentliche Punkte noch offen sind. So sollen unter anderem Differenzen zur Einräumung von Sonderkonditionen für Gewerkschaftsmitglieder und die bestandswirksame Änderung des Pensionsplans bei Änderungen des Tarifvertrages bestehen.

Objektiv dürfte die rBZ eine attraktive Versorgungsform sein. Anders als in anderen Ländern ist und bleibt bei uns die Tarifbindung Pflicht, stellt BMAS-Staatsekretär Rolf Schmachtenberg, immer wieder klar. In einigen Punkten müssten aber die Rahmenbedingungen für SPMs überprüft werden. Namentlich nennt Schmachtenberg die Überprüfung arbeitsrechtlicher Garantien, Optimierung der steuerlichen Förderung und das Nutzen von Spielräumen im Finanzaufsichtsrecht. Dazu ist kürzlich ein Fachdialog unter der Ägide von BMAS und BMF gestartet worden, in den sich alle Beteiligten zunächst mit Stellungnahmen einbringen können. Ergebnisse sollen 2023 in ein Gesetzgebungsverfahren münden. Erhofft wird sich dadurch auch ein baldiges Ende der Diskussion mit der Bafin um die SPM-Zulassungen.

Verdi zum Beispiel bringt sich da offensiv ein. In einer Stellungnahme zum Fachdialog schlägt die Gewerkschaft vor, die Sozialpartner künftig in das „Genehmigungsverfahren“ (nach Paragraf 237 Absatz 1 VAG in Verbindung mit Paragraf 234 Absatz 2 Satz 3 VAG) einzubeziehen. Bislang sind daran nur die durchführende Einrichtung (meist ein Pensionsfonds) und die Bafin beteiligt. Der Gewerkschaft liegt da offensichtlich die Talanx-Erfahrung schwer im Magen. Eine Genehmigungsfiktion analog der des öffentlichen Baurechts dergestalt, dass die Unbedenklichkeitsfeststellung innerhalb von drei Monaten ab Abgabe der vollständigen Unterlagen als erteilt gilt, könnte hier zielführend sein, schlagen die Arbeitnehmervertreter der Verdi vor.

Auch in einem anderen Punkt, der bei Talanx offenbar ein Streitpunkt ist, drängt die Gewerkschaft auf Änderung: Es sollte klargestellt werden, dass der versicherungsaufsichtsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (nach Paragraf 138 Absatz 2 VAG) einer Differenzierung nach Verbandszugehörigkeit nicht entgegensteht. Hintergrund: Beim SPM sollen Nichttarifgebundene die von den Sozialpartnern mitgesteuerten SPM nutzen dürfen. Die Kosten für Einführung, Implementierung sowie Durchführung und Steuerung werden aber von den Sozialpartnern getragen – auf Gewerkschaftsseite von deren Mitgliedern über den Mitgliedsbeitrag. Daher müsse es rechtlich zulässig sein, für Mitglieder besondere, günstigere Tarife beziehungsweise vorteilhaftere Leistungen anbieten zu dürfen, ohne damit gegen den versicherungsaufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen, fordert Verdi. In dieser Rechtsfrage hat die Bafin bislang offenbar eine andere Meinung. Man darf gespannt sein, ob der Fachdialog eine gesetzliche Änderung bewirkt.

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