Pension Management
26. Juli 2016

IG Metall legt eigenes Altersvorsorgekonzept vor

Die Gewerkschaft will in den nächsten Monaten für ihr Konzept die Werbetrommel rühren. Bundestagswahl soll Entscheidung über besseres Rentensystem werden. Die Details des Konzepts.

Über die Altersversorgung in Deutschland wird viel diskutiert. Wie man diese verbessern kann, dazu gibt es verschiedenste Überlegungen. Nun bringt sich auch die Gewerkschaft IG Metall mit einem Konzept in diese Debatte ein. Dieses zeige, dass ein solidarisches System möglich und finanzierbar ist. 
Wer lange gearbeitet und Rentenbeiträge gezahlt hat, muss darauf vertrauen können, dass die Rente zum Leben reicht, erklärt die IG Metall in einer Mitteilung Anfang dieser Woche. Dass dieses Vertrauen schwindet, wie eine repräsentative Umfrage von TNS Infratest zeigt, habe viele Ursachen: zum Beispiel schlecht bezahlte Arbeit, Phasen von Arbeitslosigkeit, Arbeitsunterbrechungen und Teilzeit bei Frauen, die Familie und Berufstätigkeit nicht anders unter einen Hut bringen. Dass aber auch Vollzeit arbeitende Normalverdiener Armutsrenten befürchten müssen, hat nach Ansicht der Gewerkschaft einen anderen Grund: das sinkende Rentenniveau – Folge der Reformen seit den 1990er Jahren. Sie führten dazu, dass der Standardrentner, der 45 Jahre gearbeitet und einen Durchschnittsverdienst erzielt hat (zurzeit gut 3.000 Euro im Monat), nur noch 1.370 Euro bekommt – vor Abzug von Steuern, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Das seien in heutigen Werten 160 Euro weniger als noch im Jahr 2000. Im Jahr 2030 wiederum werden es laut IG Metall, auf Basis der heutigen Rentenwerte gerechnet, sogar 290 Euro weniger als beim Rentenniveau aus dem Jahr 2000 sein.
Die IG Metall will nach eigenem Bekunden das Rentenniveau wieder anheben. Das soll in drei Schritten geschehen. Zuerst wolle sie verhindern, dass das Niveau weiter sinkt. Dann soll es wieder an die Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte gekoppelt werden, wie es vor den Reformen der Fall war. Im dritten Schritt soll das Leistungsniveau insgesamt steigen. Zur angestrebten Höhe des Rentenniveaus sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes IG-Metall-Vorstandsmitglied: „Mit welcher Geschwindigkeit das Rentenniveau auf welche Höhe anzuheben ist, sollte gesellschaftlich diskutiert werden. Diese Diskussion wollen wir als einen Generationendialog organisieren.“ Ein Orientierungspunkt könnte dabei nach dem Vorschlag der IG Metall das Gesamtversorgungsniveau dienen, das im jährlichen Rentenversicherungsbericht als Versorgungsziel von gesetzlicher und Riesterrente ausgewiesen wird. Dieser Betrag liegt aktuell bei rund 1.450 Euro (brutto) und damit rund 5,25 Prozent höher als die aktuelle Standardrente. Außerdem schlägt die IG Metall vor, dass die neue Standardrente nicht erst mit 45, sondern mit 43 Rentenpunkten erreicht wird. Das entspreche heute der durchschnittlich erreichten Zahl an sogenannten Entgeltpunkten. Von einem höheren Rentenniveau würden alle Beschäftigten mit kleineren und höheren Einkommen profitieren.
Auch für jüngere Generationen
Kritik kommt von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), die die Vorschläge als zu teuer bezeichnet. Die IG Metall betreibe Rentenpolitik auf Kosten der Jüngeren, so der Vorwurf. Dem hält die Gewerkschaft entgegen, dass gerade die jüngeren Generationen, die unter den Folgen der Rentenreformen leiden und Armutsrenten fürchten müssen, von dem Konzept der IG Metall profitieren würden. Die Gewerkschaft vermutet, dass die BDA die Sorge umtreibt, dass die Arbeitgeber sich (wieder) zur Hälfte an den Kosten der Alterssicherung beteiligen sollen. Dann nämlich, wenn eine bessere Rente auch über höhere Rentenbeiträge finanziert würde. Mit der privaten Riesterrente waren die Arbeitgeber entlastet und allein die Beschäftigten zusätzlich belastet worden.
„Wenn immer mehr Menschen im Rentenalter sind und sie glücklicherweise immer länger leben und sie zudem ein menschenwürdiges Leben führen sollen, entstehen der Gesellschaft Kosten. Sie lassen sich nicht ‚wegreformieren‘. Die Frage ist nur: Wer kommt dafür auf?“, schreibt die IG Metall in ihrer Mitteilung. Und sie gibt auch eine dreiteilige Antwort: Zum Ersten soll die Rentenversicherung in Zeiten, in denen die Beitragseinnahmen höher sind als die Ausgaben, nicht die Beiträge senken, sondern eine Demografiereserve bilden. Zum Zweiten sollen gesamtgesellschaftlich begründete Leistungen der Rentenversicherung, wie die Mütterrente, durch höhere Steuerzuschüsse finanziert werden. Zum Dritten soll die Renten- zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden, in die auch Solo- und andere Selbstständige, Freiberufler und Beamte einzahlen. Das würde Selbstständige vor Altersarmut schützen, die oft nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen. Und es würde die Rentenkassen in den Jahren entlasten, in denen die geburtenstarken Jahrgänge im Rentenalter sind.
Wenn dies nicht reiche, könnte auch der Rentenbeitrag moderat steigen, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte finanzieren. Die IG Metall schätzt, dass der Beitrag dann jeweils auf elf bis maximal 12,5 Prozent angehoben werden müsste. Damit stünde die jüngere Generation immer noch erheblich besser da, als wenn sie die Lücke, die ihnen durch die Rentenkürzungen seit den 1990er Jahren entsteht, komplett durch eigene private Vorsorge ausgleichen würde. „Dann nämlich müsste sie etwa sechs bis neun Prozent ihres Einkommens zusätzlich berappen“, so die IG Metall. Die Infratest-Umfrage hat gezeigt, dass 72 Prozent der jungen Beschäftigten unter 35 Jahren es in Ordnung fänden, höhere Beiträge zu zahlen, wenn sie dafür später einmal eine bessere Rente bekommen.
Auch die Arbeitgeber könnten das verkraften, davon ist Urban überzeugt. Die Exporterfolge und Außenhandelsüberschüsse zeigten, wie wettbewerbsfähig die deutsche Wirtschaft sei. Geringfügig höhere Rentenbeiträge würden daran nichts ändern. Wie die Kosten gerecht und für die Bevölkerung akzeptabel verteilt werden können, darüber muss es nach Ansicht der IG Metall eine gesellschaftliche Debatte geben. Die Gewerkschaft kündigte an, in den nächsten Monaten offensiv für ihr Konzept werben zu wollen. Sie hofft, dass die Bundestagwahl 2017 auch eine Entscheidung über ein besseres Rentensystem wird.
portfolio institutionell newsflash 26.07.2016/Kerstin Bendix
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