Schwarzer Schwan
28. August 2020

Illusionskünstler

Großes Kino von Jan Marsalek

Wer als Journalist zu Zeiten des legendären Neuen Marktes auf Unternehmensbesuch weilte, konnte sich ab etwa dem Jahr 2000 schon einmal über die leeren Büros wundern. Die beruhigende Erklärung: „Die sind alle auf Termin.“ Nur komisch, dass dann trotz der vielen, angeblich so fleißigen Mitarbeiter oft wenig später die Insolvenz kam.

Dank neuer Technologien können sich Unternehmen heute solche Peinlichkeiten wie verwaiste Schreibtische und Flure ersparen. Dies gilt auch für Unternehmer in eigener Sache. So konnte, wie auf Spiegel Online zu lesen ist, Ungarns Außenminister Peter Szijjarto Bilder von sich posten, in denen er dienstbeflissen am Schreibtisch sitzt und laut Begleittext den Problemlöser für Weißrussland mimt. Überraschend nur, dass von ihm selbst Aufnahmen vom gleichen Tag kursieren, auf denen er mit seiner Familie auf einer Yacht in der Adria urlaubt. Aber Urlaub kann natürlich auch dienstlich bedingt sein. Schließlich gilt der Besitzer der Yacht laut Spiegel Online als „regierungsnah“.

Schmierenkomödie

Virtuos nutzte auch Jan Marsalek, bis vor kurzem Wirecard-Manager und derzeit auf der Flucht, technische Möglichkeiten. Um die Buchprüfer einzuseifen gabs jahrelang beruhigende Videokonferenzen mit „Singapur“ und immerhin Screenshots von den gesuchten Dokumenten. Originale wären auch schwer aufzutreiben gewesen. Perfektioniert wurde das Illusionstheater laut Manager Magazin durch Schauspieler, die den Mitarbeitern von KPMG und EY bei einem Besuch vor Ort die Existenz der Konten sowie die Höhe der eingelegten Summen mündlich bestätigten.

Vergleichsweise primitiv gingen dagegen die Herren von Flowtex vor, die ständig neue Zulassungsplaketten mit neuen Seriennummern an immer denselben Horizontalbohrmaschinen anbrachten. So wurden ständig neue Verkäufe von neuen Bohrern fingiert – bis alles aufflog. Der wirtschaftliche Schaden ging auch schon damals in den 90er-Jahren in die Milliarden.

Implodiert ist das Marsaleske Illusionstheater, als die Prüfer einmal ihrem Job nachgingen und wenn schon nicht die Bilanzen, so doch zumindest die Namen der angeblichen Bankmitarbeiter prüften – und keinerlei Spuren in den sozialen Netzwerken fanden. So wurden die Möglichkeiten der modernen Kommunikationswelt Wirecard am Ende selbst zum Verhängnis.

Für die in der kriselnden Finanzwirtschaft beschäftigten Mitarbeiter hat der Fall Wirecard wenigstens eine neue berufliche Möglichkeit aufgezeigt: die Schauspielerei. Mit Finanzthemen kann man auch als Schauspieler ganz groß rauskommen. Man denke nur an Christoph Maria Herbst, der den Stromberg, seines Zeichens Abteilungsleiter bei der Capitol Versicherung, gibt. Oder an Leonardo die Caprio in seiner Rolle als Jordan Belfort alias The Wolf of Wall Street. Oder eben an Jan Marsalek als Jan Marsalek.

Ein schönes Wochenende und weiter gutes Entertainment wünscht Ihnen Ihre Redaktion von portfolio institutionell!

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