Alternative Anlagen
2. Juli 2012

Infrastruktur: schmackhaft, aber nicht mundgerecht

Infrastruktur ist Anlegers Liebling – aber offenbar nicht der der Aufsicht. Ein VAG-Anleger kommt nur auf Umwegen zum Zuge. Nicht optimal ist aber auch, dass der Infrastrukturweg ­in ­erneuerbare Energien zu führen scheint. Darüber und über anderes diskutierten Experten auf der BAI-Konferenz.

Infrastruktur ist in! Unter anderem ergab im vergangenen Jahr ­eine Studie von Fleischhauer, Hoyer & Partner (FHPE), dass ein Großteil der institutionellen Investoren Pläne hegt, sich 2011 oder 2012 in Infrastruktur zu engagieren. Insbesondere mit Blick auf die bekannten Kalamitäten bei Staatsanleihen gilt Infrastruktur wegen des Cashflow-Profils als prädestiniert für das Asset-Liability-Management von Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen. „Infrastruktur bringt uns sowohl stabile Renditen, die über dem Niveau von Anleihen­ liegen, als auch unkorrelierte Renditen sowie Inflationsschutz“, ­benennt Dirk Brockhaus, Senior Asset Manager Pension Asset Management­ bei Evonik, auf der Alternative Investor Conference des Bundesverbandes Alternative Investments (BAI) die Vorteile von ­Infrastruktur. Das verwaltete Vermögen der Pensionskasse beträgt über drei Milliarden Euro.

Das Interesse an Infrastruktur ist auch deshalb bemerkenswert, weil eigentlich noch immer nicht geklärt ist, was Infrastruktur eigentlich ist. Von den Strukturen der angebotenen Fonds her liegt eine Einordnung in Private Equity nahe. Gemäß der erwähnten Studie etabliert sich bei den Gebühren immer mehr das Private-Equity-Modell. Die Management Fee liegt während der Investitionsperiode im Schnitt bei 1,5 Prozent der Commitments. Danach erfolgt in der Regel ein ­Wechsel auf das investierte Kapital. Teilweise kommt es dann zu einer deutlichen Absenkung des nominellen Gebührensatzes. Die Hurdle Rate ist ebenfalls Private-Equity-like im Schnitt bei acht Prozent aufgelegt. Aufsichtsrechtlich macht dagegen eine Zuordnung zur Immobilienquote Sinn. Die meisten Praktiker dürften wiederum Infrastruktur gedanklich als Anleihenersatz verbuchen. „Nach unseren Studien ist Infrastruktur wegen ihres besonderen Profils und der Auswirkung auf das Gesamtportfolio eine eigene Asset-Klasse“, macht Wolfgang Schäfers, Professor an der Universität Regensburg, auf der BAI-Veranstaltung eine weitere Schublade auf. Als wichtige Erkenntnis seiner Forschungs­arbeit zu Infrastruktur nennt Schäfers, dass Infrastruktur „kein Rendite-Booster“ ist, das Risiko des Gesamtportfolios sich aber durch ihre Beimischung deutlich reduziert. Schäfers fügt zum Thema ­Performance-Erwartungen hinzu: „Im Boom kann Infrastruktur Staatsanleihen überflügeln und in ‚Bust-Zeiten‘ Real Estate.“

_Verengter Blickwinkel auf Infrastruktur

Die Einordnung von Infrastruktur fällt auch deshalb schwer, weil hinter dem Begriff eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Assets sub­sumiert werden. Die Bandbreite erstreckt sich von Straßen und Flug­häfen über Energienetze bis hin zu Gefängnissen. Die Allianz Leben ist beispielsweise schon seit längerem in Parkuhren in Chicago investiert und hat sich laut „Chefanleger“ Jörg Ladwein im vergangenen Jahr an einem norwegischen Gas-Transportnetzwerk beteiligt. In Deutschland ist dagegen bei der Einordnung von Infrastruktur ­anhand der dahinterstehenden Assets eine Verengung auf erneuerbare ­Energien zu beobachten. Wolfgang Schäfers hält diese Einordnung wegen der Abhängigkeit von staatlichen Subventionen für gefährlich und erinnert an die damalige Sonderabschreibung Ost bei Wohn­immobilien. Robert Massing von Solutio, der ebenfalls an der Podiums­diskussion der BAI-Veranstaltung teilnahm, fühlt sich bei dieser verengenden Einordnung eher an Private Equity im Jahr 2000 erinnert. Damals interessierte man sich fast nur für das Subsegment Venture Capital. Die Folgen dieses Fokus‘ sind laut Anbietern von Buy-out-Fonds heute noch in vielen Gremien zu spüren. Interessant ist bei der Asset-Betrachtung ein Blick nach Kanada. Neben den Pensionsfonds in Australien kommen die Altersvorsorgeeinrichtungen in Kanada auf besonders hohe Infrastrukturquoten. Zum Beispiel weist der Teachers Pension Plan aus Ontario eine sehr breite Diversifikation innerhalb der Infrastrukturinvestments auf: Etwa neun Milliarden Dollar verteilen sich auf Beteiligungen an Flughäfen, Elektrizitätswerken unter ­anderem in Chile, Wasser- und Gas-Pipelines, Container-Terminals und eine Hochgeschwindigkeits-Zugverbindung. Deren Cashflows, so der Plan, helfen über Jahrzehnte hinweg, Pensionen zu zahlen. ­Ins­gesamt nennt der Pensionsfonds Assets in Höhe von knapp 120 Milliarden Dollar sein Eigen. Ebenfalls ein Dickschiff ist der Halifax Regional Municipality Pension Plan. Dessen CEO Terri Troy erklärte auf der ­Konferenz, ein Schwergewicht der Investments auf Fern­meldetürme zu legen.

Als Renditeerwartung hegt Troy eher sportliche acht bis zehn ­Prozent für Core-Investments wie Mautstraßen, elf bis 14 Prozent für das Segment „Core plus“ und 15 bis 20 Prozent für opportunistische ­Investments wie die besagten Fernmeldetürme. Massing nennt für Brownfields im Jahr sieben bis neun Prozent und als Ausschüttungsrenditen 5,5 bis sechs Prozent realistisch.  

Die Größe seines Pensionsfonds erlaubt Troy übrigens dank interner Ressourcen auf Direktinvestments zu setzen. Zum Aufbau des notwendigen Erfahrungsschatzes habe man zu Beginn über ­Co-­Investments mit sophistizierteren Investoren investiert. Direkt­investments bieten sich für Troy auch deshalb an, weil das ­Angebot an Infrastrukturfonds begrenzt sei. Robert Massing von ­Solutio erwähnt, dass weltweit 5.000 Private-Equity-Fonds 400 Infrastrukturfonds ­gegenüberstehen. Von diesen 400 seien derzeit 130 bis 140 im ­Fundraising und davon wieder 30 bis 40 in Europa. Der „Normalo“-Insti dürfte sich an diese halten (müssen).

_Zugang gesucht

Dirk Brockhaus hat für die Degussa-Pensionskasse bereits in ein Stromnetz investiert. Im Hinblick auf die internen Ressourcen seien aber auch Fonds interessant. Insgesamt würde Brockhaus gerne mehr in Infrastruktur investieren. Ein Hemmschuh sei jedoch der regulatorische Rahmen. „Das Problem ist, dass Infrastruktur zur Beteiligungsquote gerechnet und entsprechend gestresst wird“, so Brockhaus, der auf der Veranstaltung die Probleme bei den verschiedenen Umsetzungs­möglichkeiten durchdeklinierte. Bei einer Verpackung in ­Genussrechte stellt sich neben einer eventuellen aufsichtsrechtlichen Angreifbarkeit die Frage nach der Bonität. Ein offizielles Rating – möglichst im Investment-Grade-Bereich – dürfte bei klassischen Eigen­kapitalfonds kaum umsetzbar sein. Bei einem fehlenden Investment-Grade-Rating ergibt sich jedoch aufsichtsrechtlich ein zusätzlicher Stressfaktor im Bafin-Stresstest. Verpackungen für Direktinvestments mit Investment Grade steht der hohe administrative Aufwand gegenüber. Zudem ist der Zugang zu interessanten Projekten limitiert. Eine für VAG-Anleger aufsichtsrechtlich attraktivere Variante könnte dagegen ein Investment in Fremdkapitalfonds sein. Brockhaus verweist allerdings auf das kaum vorhandene Angebot von Debt-Fonds mit offiziellem Investment-Grade-Rating. Bliebe noch die Betrachtung als Aktienersatz. „Das würde aber die Wahl von riskanter Infra­struktur bedeuten und somit ein recht kleines Investitionsvolumen. Damit ­wäre auch der Effekt auf die strategische Asset Allocation gering“, gibt Brockhaus zu bedenken. „Bei einer Betrachtung als Anleihenersatz könnte unser Volumen zehnmal höher sein.“

Wolfgang Schäfers verweist noch auf eine weitere Variante, die hin und ­wieder in der Praxis erfolgreich umgesetzt wird: „Wenn Infrastruktur in den Spezialfonds einer Immobilien-KAG verpackt wird, ist eine Zurechnung zur Immobilienquote möglich.“

portfolio institutionell, 15.06.2012

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