Alternative Anlagen
26. November 2013

Interesse für neue Ertragsquellen entwickeln

Ungeachtet des Niedrigzinsumfelds investieren Stiftungen primär in festverzinsliche Wertpapiere. Beim jüngsten ­Expertenseminar des portfolio Verlags kristallisierte sich heraus, dass die Einrichtungen kaum Anlageopportunitäten nutzen. Häufig fehlt es an Anlagerichtlinien, die mutige und antizyklische Investments erst ermöglichen.

Wo lassen sich heute noch ordentliche Nettoerträge in ausreichender Höhe erzielen? Und welchen Stellenwert nimmt das zweck­bezogene Investieren ein, mit denen die Einrichtungen des sogenannten dritten Sektors ihren Stiftungszweck hebeln können? So lauteten Fragen, die beim jüngsten portfolio-Expertenseminar „Professionelle Vermögensverwaltung in Stiftungen“ im Mittelpunkt standen.

Als erster Referent ging Rechtsanwalt Dr. Christoph Mecking auf die rechtlichen Rahmenbedingungen von Stiftungen ein. Er ­erläuterte, dass die Zusammensetzung des Stiftungsvermögens der freien ­Entscheidung des Stifters obliegt. Gleichwohl müsse das Vermögen insgesamt zur Ertragserzielung geeignet sein. Es bestehe eine Pflicht zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks, so Mecking. Ein Stiftungsvorstand habe dafür zu sorgen, dass zum einen das Stiftungsvermögen erhalten bleibt, zum anderen aber ­ausreichende Erträge erwirtschaftet werden. „Erforderlich ist eine differenzierende Betrachtung, die sich nach dem privatautonomen Widmungsakt des Stifters und damit nach den Umständen der jeweiligen Stiftung richtet“, so der Jurist Mecking, der auch in der Jury der portfolio Awards tätig ist.

Zeitgemäße Anlagerichtlinien

Zur Erhaltung eines stiftungsspezifischen Inflationsausgleichs sind die Einrichtungen grundsätzlich nicht verpflichtet. Mit Verweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch erläuterte Mecking, dass das ­Vermögen ­neben Barmitteln, Wertpapieren und Beteiligungen auch Rechte, wie Patente, Lizenzen, sowie Sachwerte enthalten darf. Im Hinblick auf eingebrachte Gemäldesammlungen muss man sich ­allerdings die finanziellen ­Belastungen einer Stiftung vor Augen führen, die mit derartigen Vermögensposten keine stetigen Einnahmen ­erzielt, sondern hohe ­laufende Kosten tragen muss. Dabei sind ­Stiftungen, soweit sie ­bestimmte Förderzusagen an Dritte ausgesprochen oder selbst ­Projekte initiiert haben, auf stetige Cashflows angewiesen. Nicht ­vergessen werden darf, dass es Stiftungen häufig an schriftlich fixierten Anlagegrundsätzen und -richtlinien mangelt, die die ­Vorstellungen und Ziele der ­Stiftung als Investor kon­kretisieren und die Pflichten und Handlungsspielräume des ­Verwalters beschreiben. Das scheint auch der Grund dafür zu sein, weshalb viele Protagonisten bei Kapital­erhaltung und Ertrags­erzielung eher im ­Nebel stochern und an Staatsanleihen festhalten. Konkrete Anlagegrundsätze sollten allerdings schon deshalb formuliert werden, um das Haftungsrisiko für den Vorstand zu verringern.

Der langjährige Vermögensberater Karl-Heinz Nagel betonte in seinem Vortrag, dass der Erhalt der realen Förderleistung einer ­Stiftung – gemessen am Verbraucherpreisindex – selbst durch den Kauf langlaufender Bundesanleihen derzeit nicht möglich sei. Zwar ­rentiert die 30-jährige Bundesanleihe derzeit bei knapp 2,8 Prozent und liegt damit deutlich über der allgemeinen Inflationsrate von circa 1,5 Prozent. Gleichwohl dürfen Stiftungen maximal ein Drittel ihrer Erträge im Sinne der Substanzerhaltung beiseitelegen. Das heißt, ­bereits ab einer Inflationsrate von mehr als 0,93 Prozent ist der Erhalt der realen Förderleistung allein mit Hilfe der gesetzlich zulässigen Rücklagenbildung nicht mehr zu erreichen, so Nagels Zwischenfazit. Im Hinblick auf die in der Stiftungslandschaft herrschende Debatte, ob das Kapital nun nominal oder real bestehen bleiben soll, argumentierte der Fachmann: „Wir müssen die Leistungsfähigkeit erhalten.“

Mit Verweis auf die taktische Allokation sprach sich Nagel für die Beimischung von Aktien aus. Das Basisinvestment verortete er da­gegen in höher rentierlichen Rentenanlagen, wie Pfandbriefen und ­Unternehmensanleihen; wobei man sich der Emittentenrisiken ­bewusst sein müsse. „Wir kommen mit den Kupons der Bundes­anleihen nicht mehr zurecht“, so Nagel. Gleichwohl hätten auch diese Wertpapiere weiter ihre Berechtigung, erklärte er mit Blick auf die fehlende Risikobereitschaft vieler Stiftungsvorstände. Und was alternative Investments, wie Solarparks oder Windkraftanlagen, betrifft, rät der Anlageexperte zu einem gut durchdachten Auswahlprozess. Doch bevor es zu einer Streuung der Kapital­anlagen ­kommen kann, müssen die Anlagerichtlinien so ­formuliert werden, dass die ­Allokation problemlos an sich ändernde Markt­situationen angepasst ­werden kann. Stiftungsvorstände und ­Gremien sollten zunächst ­definieren, welches ­Risiko sie zu tragen bereit sind, forderte Nagel.

Was die Vorteile einer Investition in Sachwerte betrifft, diskutierten die Teil­nehmer des Expertenseminars unter anderem über Taktik in der ­Asset-Allokation und Diversifizierungseffekte. Meik Berger von LHI Capital verwies auf Illiquiditätsprämien. Stiftungen sollten sich anhand ihres langfristig zur Verfügung stehenden Kapitals nach ­Anlagealternativen umsehen und neben traditionellen Investments auch Immobilien sowie Erneuer­bare-Energien-Projekte berücksich­tigen. Zur Begründung verwies er auf die über viele Jahre planbaren Cashflows aus der Vergütung der erzeugten Energie.

Eine Frage der Bewirtschaftung

Berenike Wiener, Referatsleiterin „Stiftungsmanagement“ beim Bundesverband Deutscher Stiftungen, präsentierte in ihrem Vortrag die Studie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“. Laut der Analyse könnte der deutsche Stiftungssektor um 300 Prozent wirk­samer sein, wenn die Stiftungen nur drei Prozent ihres geschätzten Gesamtvermögens von 100 Milliarden Euro zweckbezogen anlegen würden. Traditionell wird das Stiftungsvermögen primär an den ­Kapitalmärkten investiert, während nur die erzielten Erträge dem ­Stiftungszweck zufließen. Wiener vertritt den Standpunkt, dass ­Mission Investing durch die Finanzkrise in den Vordergrund gerückt sei. Wenn es nach dem Bundesverband Deutscher Stiftungen geht, steht der Einbeziehung des Stiftungszwecks in die Anlage­entscheidung stiftungs- und steuerrechtlich nichts im Weg. Das muss im Einzelfall aber geprüft werden. Demnach könnte beispielsweise eine Stiftung, die sich der Förderung Erneuerbarer Energien verschrieben hat, nicht nur ihre Erträge aus der ­Kapitalanlage auskehren. Vielmehr könnte sie Gebäude erwerben und deren Räume an Unternehmen aus dem Bereich „Renewables“ vermieten.

Aber auch die Kreditvergabe fällt in den Bereich des Mission ­Investings. Ein Teilnehmer stellte allerdings die rhetorische Frage in den Raum, was ein „marktüblicher Zins“ sei, wenn die Bank keinen Kredit gibt, die Stiftung dagegen Geld bereitstellen möchte. Der ­Bundesverband Deutscher Stiftungen arbeitet emsig daran, die ­Verbreitung zweckbezogener Investments voranzutreiben, wie am Rande der Veranstaltung deutlich wurde. Vor wenigen Monaten hat sich eine Arbeitsgruppe formiert, auf deren Vorschläge – wie zum Beispiel die Ausgestaltung von Mission-Investment-Fonds, an denen es bislang mangelt – der Sektor gespannt wartet.

Wie Berenike Wiener hervorhob, müsse das ­Mission Investing nicht zwangsläufig mit der Umstrukturierung des Portfolios einhergehen. Beispielhaft verwies sie auf die Bundes­stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), die in jüngster Zeit auf aktives Aktionärstum pocht und sich kritisch mit ­jenen Unternehmen aus­einandersetzt, die im Widerspruch zum Ziel der Stiftung – zum Beispiel der Kampf gegen moderne Formen der Zwangsarbeit – stehen. Daran anschließend skizzierte Ann-Grit Schulze, Referentin für ­Finanzen bei der Stiftung EVZ, die Aufteilung des Stiftungsver­mögens in Höhe von rund 455 Millionen Euro (Stand Mai 2013), aus der eine Zielrendite von vier Prozent ­resultieren soll. Schulze setzt ­neben ­Unternehmensanleihen, Aktien und Immobilien auch auf Staats­anleihen aus ganz Europa. In dem Zusammenhang werden bei der Berliner Stiftung, die zahlreiche ­Prozesse der Kapitalanlage und auch das Controlling ausgelagert hat, regelmäßig Chancen ­genutzt. So ­erwarb die Stiftung während der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise (2012) italienische Staatsanleihen mit ­hohem laufenden Ertrag.

Jens Güldner, Leiter Vermögensmanagement beim Evangelischen Johannesstift (EJS), wies darauf hin, dass Stiftungen Risiken in einem stetigen Prozess abwägen müssen. Neben dem Risiko des Kapital­verlusts strich der Experte auch das Reputationsrisiko heraus. Eine über Jahrzehnte aufgebaute Reputation könne im Handumdrehen zerstört werden, so der ­Referent. Klassische und Nachhaltigkeits-­Ratings könnten Stiftungen dabei unterstützen, Risiken in ihrer ­Kapitalanlage ­systematischer zu managen. Was Investitionen in Windkraft oder ­Solaranlagen betrifft, winkt Güldner wegen politischer ­Risiken und ­Illiquidität ab. Vielmehr setzt er auf den EJS-Stiftungsfonds. Der ­Spezialfonds (nach dem neuen Kapitalanlagegesetzbuch spricht man nun von einem ­offenen inländischen Spezial-AIF mit ­festen Anlage­bedingungen) investiert in mehr als 1.000 Einzelwerte und steht ­Stiftungen offen, die ihre Kapitalanlagen diversifizieren möchten. Neun ­Stiftungen sind bereits beteiligt, Nummer zehn soll bald ­folgen, wie Güldner nicht ohne Stolz erwähnte.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2013

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