Pensionskassen
28. März 2014

Interview: Ausbruch aus der Servicewüste

Gut planbare Versicherungs-Cashflows sind für die KZVK und die VKPB eines­ ihrer wertvollsten Assets. Auf der Aktivseite erlaubt diese Planungssicherheit Investments in risikoreichere Assets. Zudem muss kein Eigenkapital vorgehalten werden. Dennoch bereitet sich Dr. Peter-Henrik Blum-Barth auf Solvency II vor.

Dr. Peter-Henrik Blum-Barth im Gespräch mit Kerstin Bendix und Tobias Bürger.
Herr Dr. Blum-Barth, Sie sind bei die KZVK und VKPB in Personalunion als Abteilungs­leiter Unternehmensplanung und Controlling tätig. Zudem lehren Sie seit 2011 an der Hochschule Rhein-Main. Was lehren Sie?
Ich lehre Risikomanagement und Asset-Liability-Management im Versicherungs­bereich. Der Studiengang heißt Insurance & Finance.

Profitieren Sie von Ihrer Lehrtätigkeit im Tages­geschäft bei der KZVK und der VKPB?
Man blickt in jedem Fall stärker über den Tellerrand hinaus. Auch wenn ich an einem Versicherungslehrstuhl tätig bin, so gibt es doch einen regen Austausch mit Professoren von anderen Lehrstühlen. Man sieht beispielsweise, was im Bankensektor oder im Alternative-­Bereich passiert. Aber auch zeitlich gesehen geht der Blick über den Tellerrand hinaus, da man an Hochschulen oft mit Themen in Kontakt kommt, die für die Investment­welt noch keine Rolle spielen oder erst theoretisch angedacht sind.

Geht es Ihnen in der beruflichen Nebentätigkeit auch um den Wusch, den fachlichen Austausch zu fördern?
Wenn Sie eine Controlling-Abteilung ­leiten, haben Sie häufig die Situation, dass sich viele Hochschulabsolventen bewerben und dies als Einstiegsposition für ihre ­Karriere nutzen. So eine Position an der Hochschule hilft, immer auf dem Laufenden zu bleiben und sich nicht gedanklich von der neuen ­Generation abhängen zu lassen.

Die Finanzbranche entwickelt sich seit ­geraumer Zeit weg von einer bilanzorientierten hin zu einer risikokapitalorientierten Welt­anschauung. Ist das aus Ihrer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung?
Ich glaube, man kann die Regulierung nicht aufhalten, sondern kann nur versuchen, sie unternehmerisch zu gestalten. Das ist die Konsequenz aus den Krisen der vergangenen Jahre. Der Staat war häufig gezwungen, ­Banken zu retten, und musste sich dabei selbst hoch verschulden. Wenn Sie heute die Schuldenquoten einiger Staaten ansehen, will man verhindern, noch einmal Finanzdienstleistungsinstitute oder eine große Versicherung retten zu müssen. Sobald ich risiko­kapital­orientiert anlege, habe ich natürlich einen­ Übergang von einem quotenorientierten System hin zu einem Risk-weighted-­Asset-System,­ das nicht mehr auf ein gewisses bilanzielles­ Budget pro ­Anlageklasse abzielt, sondern auf das Einzel-Asset.

Das macht vom Ansatz her aber einen gravierenden Unterschied.
Es ist tiefgehender und erfordert ein stärkeres Maß an Transparenz. Wir leben im Zeitalter der Transparenz. Vielleicht hat es früher auf der Anbieterseite genügt, zu ­gewährleisten, dass ein bestimmtes Investment bilanziell­ verbucht werden kann. Heute müssen Sie, damit­ der Investor ein Produkt über den gesamten­ Lebenszyklus in seiner Bilanz handhaben kann, sehr viel stärker Informationen und Transparenz bieten. Auch ein Fonds muss offen,­ transparent und klar sein.
Exemplarisch nennen möchte ich die ­Anforderungen an das Thema „Data-Ownership“. Der Investor­ muss Inhaber sämtlicher relevanter Daten sein. Und das ist ein fundamentales Umdenken, was mit dem Übergang von einer­ quotenbasierten in eine risikokapitalorientierte Welt einhergeht.

Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, wenn an das Handelsgesetzbuch gewöhnte Investoren aus dem VAG-Lager für Investments unter Solvency­ II Eigenkapital vorhalten, um sich auf diese Weise den Risiken volatiler Ver­mögenswerte bewusst zu werden?
Für Versicherungsunternehmen halte ich den damit einhergehenden Gesamtbilanz­ansatz grundsätzlich für sinnvoll. Es macht doch keinen Sinn, wenn, wie unter dem ­gegenwärtigen Solvenz-Regime, Teile der Bilanz­ mit Eigenkapitalanforderungen belegt sind und andere Teile nicht. Das führt immer zu einer Fehlallokation; oder Sie brauchen ein internes Modell, um das zu steuern.
Bei Versicherungen stehen Sie jeden Tag vor der Frage: Riskiere ich mehr im Versicherungsgeschäft oder auf der Kapital­anlageseite? Wenn ich kein Geld für Kapitalanlagen vorhalten muss, würde das bedeuten, die Kapital­anlage ist risikolos. Das ist ein Wider­spruch in sich. Aber natürlich ist das nur eine theoretische Antwort. Damit will ich nicht ­sagen, dass alles in Solvency II pragmatisch, sinnvoll und gut handhabbar ist.

Die kirchlichen Versorgungskassen KZVK und VKPB sind bis dato quoten­reguliert.
Ja, Pensionskassen und Pensionsfonds haben kein risikokapitalorientiertes Regime. Wir haben allerdings ein etwas anderes Risiko­profil, weil wir eine andere Verpflichtungsstruktur haben. Unsere Mitglieder sind fest an die KZVK und die VKPB gebunden, sie können nicht kündigen. Wir haben deshalb sehr gut planbare Versicherungs-Cashflows. Ihr gesamtes Versicherungsgeschäft hängt an dem Arbeitsvertrag. Und ich habe noch nie gehört, dass jemand seinen Arbeitsplatz kündigt, nur weil die KZVK im ver­gangenen Jahr 20 Basispunkte weniger Rendite erzielt hat als geplant. In dem Sinne ist das ein sehr träges Geschäft, das unsere Cashflows sehr planbar macht und Risiken reduziert. Dass wir aus der Versicherungstechnik heraus unseren Cashflow sehr planbar gestalten­ können, ist eigentlich das wertvollste­ Asset, das eine Versorgungskasse hat.
Unser Grundmodell des Geschäftes ist ­also ein anderes als bei einer Lebensversicherung. Wir haben eine etwas andere ­Regulation, die uns natürlich auch erlaubt, auf der Aktivseite etwas anders zu investieren. Man muss ­natürlich aufpassen. Anbieter werden ver­suchen, diesen Vorteil, den wir haben, für sich auszunutzen. Eine­ sophistizierte Pensionskasse sollte gerade­ das verhindern. Und wir lassen uns bestimmt nicht übervorteilen.

Obwohl die risikokapitalorientierte Welt ­unter Solvency II für Sie nicht gilt, befassen Sie sich intensiv damit. Wieso?
Wir haben ähnliche Probleme wie die ­Assekuranz, auch wenn wir auf unserer ­Passivseite grundsätzlich mehr Planungs­sicherheit haben. Als Versorgungswerk ­haben wir einen relativ ambitionierten Rechnungszins, und die Niedrigzinsphase trifft uns ­genauso wie Lebensversicherer. Das heißt, wenn wir Asset-Klassen mit höheren Return-Erwartungen ansteuern, haben wir trotzdem noch Performance-Druck angesichts der Niedrigzinsphase.
Jeder Kostenbeitrag, den wir einsparen können, hilft unserem Nettoertrag, den wir für die Versicherungsnehmer bereitstellen müssen. Dabei hilft, Verständnis für die ­Regulation anderer Marktteilnehmer, wie den Versicherungen, zu haben. Bedenken Sie: Die Investorenseite, die bestimmte Assets nachfragt, wird kleiner, und das verbessert wiederum unsere Situation im Einkauf.

Welchen regulatorischen Trend sehen Sie für Altersvorsorgeeinrichtungen?
Ich bin der Auffassung, dass man das Thema Regulation aufteilen muss. Einerseits die ­Eigenkapitalhinter­legung: Das passt nicht ganz zu unserem Geschäftsmodell, weil es schwer abzubilden ist. Eine zentrale Frage in dieser Hinsicht lautet: Wie groß ist die Haftungsmasse­ von Trägerunternehmen bei Versorgungskassen? Bei einer Versorgungskasse oder Pensionskasse, die nur einem Träger­unternehmen gehört, ist das relativ einfach. Das Eigenkapital der Versorgungskasse entspricht der Finanzkraft oder dem Eigen­kapital des Trägerunternehmens. Unser Haus dagegen hat 3.500 Träger­unternehmen, die von sehr kleinen Einrichtungen bis hin zu sehr großen Klinik­konzernen mit unterschiedlichen Rechtsformen reichen.

Das klingt nach einer gewaltigen Herausforderung.
Sie sehen, die beiden Systeme passen konzeptionell nicht zusammen, auch weil wir keine Embedded Options haben, wie ich das bereits am Beispiel der Kündigung einer Versicherung erwähnt habe. Neben der Eigen­kapitalsicht gibt es aber noch eine zweite Sicht, die jede Pensionseinrichtung trifft. Das ist das Thema Transparenz. Auch wir werden von zusätzlichen Reporting-Anforderungen erfasst. Auf der Anbieterseite wird diese ­Differenzierung oft nicht gemacht.
Wenn Versorgungskassen oder Pensionskassen ­bereit sind, in volatilere Anlagen zu investieren, weil sie zu ihrem Risikoprofil passen, können sie diese Volatilität auf der Aktivseite ertragen. Das heißt aber noch ­lange nicht, dass ich nicht vergleichbar hohe Transparenz- und ­Reporting-Anforderungen wie Versicherungen unter Solvency II verlange. Außerdem muss auch ich auf die einzelnen Assets durch­blicken. Und es genügt mir eben nicht, einmal pro Jahr die Bilanzierung vorzunehmen. Ich glaube, in diesem Punkt ­unterscheiden sich Versicherungen von Versorgungswerken nicht. Auch wir werden in den nächsten­ Jahren­ exponentiell wachsende ­Reporting-Anforderungen erfüllen müssen, die sich bei Solvency II aus den Säulen zwei und drei ergeben.

Wie nähern Sie sich dieser Materie?
Sie können Solvency II in ein Fachprojekt und ein technisches Projekt trennen. Fachlich heißt das, wir müssen die dazugehörigen Formulare eines Tages ausfüllen. Und daneben gibt es eine Art technisches Projekt, bei dem es um die Voraussetzungen geht, die erforderlich sind, um in der Zukunft Fach-Reports ausfüllen zu können.
Dieses technische Projekt macht unbestritten viel Arbeit, denn einer­seits verändert es unsere Reporting-Landschaft komplett. Auf der anderen Seite hat es einen großen Einfluss darauf, wie man sich als Unternehmen organisatorisch auf­gestellt hat.

Das klingt nach Kostensteigerungen.
Nicht unbedingt. Vielmehr kann es langfristig auch mit Rationalisierungspotenzialen zusammenhängen.

Glauben Sie, dass früher oder später die erste Säule auch noch für Sie kommen wird?
Zunächst einmal hilft uns die wachsende Transparenz, die mit der Pensionsfonds-Richtlinie II einhergeht. Aber wie bereits erwähnt habe ich bei den Versorgungswerken die ­Gewährträgerhaftung. Wie wollen Sie das quantifizieren? Ich kann mir momentan kein vernünftiges Konzept vorstellen, wie man sozusagen die Haftung von 28 EU-Ländern mit sehr unterschiedlichen Haftungsträgern darstellen kann oder soll oder auch vereinheit­lichen kann.
Bei einer Versicherung, bei der Bank gibt es Eigenkapital in Euro oder britischen­ Pfund. Das können Sie relativ einfach umrechnen. Aber in der Pensionslandschaft haben Sie ­diverse Durchführungs­wege. Das zeigt sich schon in Deutschland. Es gibt die betriebliche Altersversorgung und CTAs (Contractual Trust Arrangement), die auf der Bilanz des Trägerunternehmens schlummern und zum Teil für die Innen­finanzierung des Träger­unternehmens herangezogen werden.­ Deswegen glaube ich, dass die Eigenkapitalhinter­legung außerhalb der Asse­kuranz keinen großen­ Sinn machen wird.
Womit wir uns zurzeit sehr stark beschäftigen, ist die Frage nach einer operativen Due Diligence. Viele Investoren hatten in der Vergangenheit nur eine fachliche Due Diligence. Eine­ operative Due Diligence geht darüber ­hinaus. Wenn ich von einem Asset und einer Anlageklasse überzeugt bin, stellt sich die Frage der Verwaltung, und zwar über den gesamten Lebenszyklus. Man wird versuchen zu antizipieren, welche Aufwände perspektivisch mit dem Investment in der Administration über den gesamten Lebenszyklus verbunden sein werden. Diese operative Due Diligence­ bezieht sich also auf den Block der Administrationskosten.
Wir als Kasse suchen nach den Netto-­Netto-Erträgen, sprich, was am Ende wirklich ­übrig bleibt. Wenn Sie manche Angebote heutzutage sehen, die eine IRR (Internal Rate of Return) von zehn Prozent bieten, dann sind dort vielleicht schon die Kosten des ­Managers intern abgezogen, aber meine ­Eigenkapitalkosten und die internen Administrations­kosten stehen bei diesem ­Angebot nicht drauf. Ich muss aber fragen: Was bleibt danach hängen? Das ist der Ertrag, den ich meinen Verpflichtungen gegenüberstellen kann. Der Ertrag von der Asset-Seite muss definitiv größer sein als der Sollbedarf, den ich auf der Passivseite brauche.

Kommen denn Anbieter von Alternatives verstärkt zu Ihnen, weil Sie noch in der beneidenswerten Situation sind, risikoreichere Assets­ zeichnen zu können, ohne dafür ­Eigenkapital vorhalten zu müssen?
Ja, das merken wir. Ich spreche auch mit Kollegen aus der Versicherungsbranche, die ähnliche Jobs wie ich begleiten. Von einem großen Schweizer Versicherer habe ich erfahren, dass man dort mittlerweile die Auffassung vertritt, wegen des Swiss Solvency Tests würden sich Investments in Private Equity nicht mehr lohnen.

Der Investorenkreis wird kleiner. Das verleiht Ihnen eine gewisse Macht. Nutzen Sie diese?
Es gibt zwei Möglichkeiten, auf die wir hinarbeiten. Erstens wollen wir bei großen Mandaten in puncto Gebühren an den realisierten Skaleneffekten partizipieren. Performance Fees sehen wir überwiegend skeptisch,­ sie machen aus unserer Sicht meist keinen Sinn. Der zweite Punkt betrifft Transparenz und Reporting. Ich gehe davon aus, dass uns dieser Teil über die Pensionsfonds-Richt­linie II – inhaltlich vergleichbar mit den korrespondierenden Solvency-II-Vorschriften – treffen wird. Man muss deshalb versuchen, die Anbieter operativ zu koordinieren.
Ein Beispiel: Wenn Sie fünf verschiedene Alternative-­Investment-Einheiten haben, die zu verschiedenen Stichtagen mit unterschiedlichen ­Risikomaßen berichten, wird es für Sie teurer. Das wollen Sie vermeiden. Und das wird meines Erachtens den Druck jenseits der ­Eigenkapital- und Fee-Diskussion auf die Alter­native-Investment-Branche verstärken, den kundenorientierten Service auch im ­Bereich des Reportings zu verbessern.

Das macht Ihnen Ihre Arbeit einfacher.
Nicht nur einfacher, sondern überhaupt erst möglich. Wenn Sie als bilanzorientierte Versorgungskasse in der Vergangenheit einmal pro Jahr einen Jahresabschluss nach HGB vorlegen mussten, macht das einen großen Unterschied, als wenn Sie alle vier bis fünf Wochen einen Monatsreport abliefern müssen. Heute reagiert der Investor oft noch auf die Vorgaben des Anbieters. Künftig wird der Investor vom Anbieter die Erfüllung seiner spezifischen Anforderungen verlangen.

Was heißt das konkret?

Es wird im Alternatives-Bereich sehr stark auf eine Trennung zwischen Asset-Management-Dienstleistungen und Servicing-Dienstleistungen hinauslaufen. Es wird Häuser ­geben, die sich rein auf die Administration ­fokussieren und wie eine verlängerte Werkbank im Risikomanagement und Controlling des Investors agieren. Und es wird das klassische Asset Management geben. Momentan sind viele Alternative-Produkte noch so aufgelegt, dass jemand eine gute Investmentidee hat, diese in einen Sicav-Fonds verpackt und mit europäischen Single-Passwort-Lösungen vertreibt.­ Das ist an sich in Ordnung. Nur in Summe verhindert es, dass der Kunde seine individuellen Reporting-Termine erfüllen kann. Deswegen ist mein Blick in die Zukunft klar: Die Anbieterseite wird sich in Asset­ Manager und Servicing-Dienstleister trennen.

Bei den Fees sehen Sie Potenzial nach unten. Zugleich steigen Ihre Anforderungen an Transparenz und Reporting. Kann man das bei den Anbietern überhaupt durchsetzen?
Ich habe an der Alma Mater von Carl Benz in Karlsruhe studiert. Wenn Sie Kontakt in die Automobilbranche haben, fällt Ihnen auf, dass die Prozesskostenrechnung dort Stand der Dinge ist. Wenn Sie die Prozesse in der Finanz­branche ansehen, dann glaube ich, dass es viel Rationalisierungspotenzial gibt. Historisch war es durch das volumen­ab­hängige Geschäftsmodell der Finanzbranche nicht zwingend erforderlich, alle Rationalisierungspotenziale auszunutzen. Denn das ­volumenabhängige Geschäftsmodell bedeutet im Endeffekt, dass die Grenzerträge bei anziehendem Volume
steigen. In jeder anderen Branche würden die Grenzerträge aber durch Rabatte fallen.

Kann man sagen, dass sich die Finanzbranche von der Industrie und speziell der Automobil­branche eine Scheibe abschneiden und quasi als Vorbild nehmen sollte?
Ich glaube, dass sich bestimmte Konzepte durchsetzen. Man wird nicht alles eins zu eins übertragen können, aber die grundsätzliche Herangehensweise – weg von der volumen­orientierten hin zu einer prozess­orientierten Denkweise – passt, auch wenn es wehtun mag. Dieser Transformationsprozess, der seit Lehman in Gang ist, ist noch nicht zu Ende. Wir haben die ersten fünf Jahre hinter uns, und ich bin überzeugt, dass der Anpassungsprozess auf Anbieter- und Investorenseite noch zehn Jahre weitergehen wird.

Die Finanzmarktregulierer arbeiten seit Jahren auf Basel III und Solvency II hin. Sind sie dafür verantwortlich, dass der von Ihnen skizzierte Kostendruck auf Anbieter steigt?
Der Zusammenbruch von Lehman ­Brothers war meines Erachtens ein epochaler Bruch für unsere Branche, und das anhaltend niedrige Zinsniveau sorgt zusätzlich für Druck auf der Investorenseite. Wenn der Bruttoertrag nicht steigt, müssen die Kosten überall in der Wertschöpfungskette runter. Diese Situation wird über eine lange Zeit zu Veränderungen der Abläufe, Prozesse und Reorganisation führen.

Wo sehen Sie Rationalisierungspotenziale?

Beispielsweise bei den Core-Satellite-­Investments.

Was spricht gegen Core Satellite?
Sehen Sie, als Investor müssen Sie Investments immer im Kontext zum Adminis­trations­block analysieren. Demnach müssen Sie sich überlegen, ob sich das bei ­einem ­bestimmten Volumen überhaupt lohnt.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben sich entschieden, eine Aktienquote von 20 Prozent aufzubauen. Daneben spielen Sie mit dem Gedanken, ein halbes Prozent Windkraft im Portfolio unterzubringen. ­Anhand dieses Beispiels muss die Frage erlaubt sein, ob sich der Performance-Beitrag des Windkraft­investments überhaupt lohnt oder ob man stattdessen die Aktienquote ­etwas höher ansetzen sollte.
Mein Aufwand, ob ich als Controller 20 oder 21 Prozent Aktien überwachen muss, macht kaum einen Unterschied. Aber das ­halbe Prozent der neuen Asset-Klasse Windkraft, das macht Arbeit. Sie müssen nicht nur die Risiken verstehen, sondern sich auch über die Konsolidierung und das Reporting ­Gedanken machen.

Gehen Sie davon aus, dass künftig nur noch ein Vehikel pro Asset-Klasse die Regel ist?
Standardisierungen halte ich durchaus für sinnvoll, anstatt für jede Asset-Klasse Spezial­fonds, Publikumsfonds und sonstige ­Vehikel parallel vorzuhalten. Eins-zu-eins-­Beziehungen helfen sehr, weil Sie ein Datenformat für alles erhalten. Sie können schnell aggregieren. Und wenn das Volumen wächst, kostet Sie es vom Grenzertrag nicht viel mehr, das auch zu administrieren.

Das klingt nach einem harten Stück Arbeit.

Ich glaube, es gibt einfach eine Art Ab­arbeitung historisch gewachsener Altlasten. Dabei spreche ich nicht von toxischen Assets, sondern von administrativen Altlasten. ­Gerade bei Immobilien sind viele Investoren in zu vielen verschiedenen Vehikeln gleichzeitig positioniert. Sie sind in Immobilienspezialfonds und institutionellen Publikumsfonds investiert, sie halten parallel dazu noch Immobilien auf der eigenen Bilanz. Daneben bietet der Markt Anlagemöglichkeiten über Reits, closed-end Funds und so weiter an. Sehr schnell hat man bei dieser Asset-Klasse plötzlich eine ganze Reihe von Vehikeln. Wenn Sie hier versuchen, Transparenz zu schaffen und ein vernünftiges Regel-­Reporting für Ihren Vorstand zu erstellen, wird es schwierig. In der Regel ist vorgeschrieben, dass der Finanzvorstand einmal pro Monat seinem Gesamtvorstand alle Aktivitäten und den Kapitalanlagenbestand präsentieren muss. Man wird dem Gesamtvorstand aber natürlich niemals eine Präsentation auf Vehikel­ebene geben, sondern auf Asset-­Klassen-Ebene. So würden Sie auch gegenüber dem Aufsichtsrat Bericht erstatten. Diese­ Präsentation soll innerhalb der Asset-Klasse konsistent zusammenpassen. Wenn Sie bei Immobilien aber sechs oder sieben verschiedene Vehikel haben und Sie das eigent­liche Immobilien-Exposure transparent darstellen möchten, finde ich das schwierig.

Kommt es zu einem Wettkampf der Vehikel?
Ja, das glaube ich schon. Es wird Präferenzen für bestimmte Vehikel geben, die zu einer Asset-Klasse besonders gut passen. Jene Vehikel werden verschwinden, die nicht die gewünschte Transparenz liefern. Und jeder Investor wird auch die Entscheidung treffen müssen: Investiere ich auf eigene Faust oder hole ich einen externen Anbieter an Bord? Ab einem gewissen Grundvolumen kann man einige­ Investments selber machen. Diese Vorgehensweise ist meiner Ansicht nach häufig sinnvoller, weil man keine volumenabhängige­ Budgetierung wie die Anbieter hat, sondern eine Stückkostenbudgetierung.

Lassen Sie uns einen Blick auf Ihre Bilanz werfen. Wie ist es bei Ihnen um das Asset-­Liability-Management bestellt?
Wir haben einen relativ intensiven Prozess aufgesetzt. Dabei gehen wir von einem Cashflow-Profil der Passivseite aus und generieren als ersten Schritt zur Verbindung von Aktiv- und Passivseite ein ALM-Portfolio. Das ist noch ein sehr hoch aggregiertes Portfolio, das relativ wenige Asset-Klassen abbildet. Sie müssen hier ein Stück weit verdichten, um überhaupt rechnen zu können.
Asset-Liability-­Management ist doch im Grunde genommen nichts anderes, als Bilanzen nach vorne zu projizieren und dann im Ergebnis im Hinblick auf verschiedene ­Gesamtbilanz-Kennzahlen, wie Nettoverzinsung und Jahresüberschuss, zu analysieren. Und ich suche mir dann jenes Portfolio aus, das mir die besten Kennzahlen liefert. Im nächsten Schritt kommt das Feintuning an die Reihe. Das Kapital­anlagerundschreiben hat in diesem Zusammenhang übrigens ­einen gewissen Schub geleistet, weil das ALM dort als Grundlage der Definition der strategischen Anlagepolitik vorgeschrieben wurde.

Wo wir gerade von den Kapitalanlagen sprechen: Sie verantworten Assets, die nach Marktwert rund neun Milliarden Euro schwer sind. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, hier noch eine Schippe draufzulegen?
Wir sind eine stark wachsende Kasse. Ich denke, dass wir in diesem und im nächsten Jahr um 500 Millionen netto wachsen werden. Die demografische Struktur unserer Versicherten führt noch über einen längeren Zeitraum zu Beitragszuflüssen, die deutlich über den Auszahlungen liegen. Das führt zwangsläufig zu hohem Wachstum in unseren Anlagen.

Wie wirkt sich eigentlich Ihre Mitgliederstruktur auf die Kapital­anlage aus?
Sehen Sie, wir haben als Pensionseinrichtung ein anderes Risikoprofil als eine ­Ver­sicherung. Das hat an dieser Stelle nichts mit dem Thema Regulation zu tun. Wenn ­Ihre Ver­sicherungsverträge an den Arbeitsvertrag Ihrer Kunden gebunden sind, Sie also keine Kapitalabflüsse außerhalb von Rentenzahlungen befürchten müssen, können Sie sich in volatilen Asset-Klassen wie Aktien ganz anders positionieren. Und deswegen ­haben wir natürlich auch einen signifikanten Aktien­anteil. Wenn Sie dagegen eine Lebensver­sicherung betrachten, die jederzeit beitragsfrei gestellt werden kann, wo Kapitalauszahlungen und Kündigungen denkbar sind, ­reduziert das natürlich Ihre Möglichkeiten, in solche Asset-Klassen zu investieren.
Vor diesem Hintergrund können wir stärker in Alternatives und Aktien investieren. Aber wir können uns dem auch nicht verschließen. Auch wir müssen spitz rechnen und den Anbietern vor Augen führen, dass wir den Ertrag benötigen, um den Rechnungszins zu bedienen. Das betrifft auch die Kosten. Zur Erwirtschaftung unseres ­Rechnungszinses sind gerade bei größeren Volumina von Risikoanlagen wettbewerbs­fähige Gebührenmodelle wichtig, die sowohl für ­Anbieter als auch für uns attraktiv sind.

Wie läuft heute ein typisches Gespräch mit ­einem Anbieter ab?
Grundsätzlich besteht bei Gebühren ­Gesprächsbereitschaft, vor allem in Verbindung mit entsprechenden Volumina. Beide Seiten sitzen in einem Boot – trotz aller ­unterschiedlichen Interessenlagen. Der eine muss seinen Garantiezins erwirtschaften, der andere möchte natürlich auch möglichst viel Ertrag generieren. Gleichwohl merken wir ­alle, dass das sinkende Zinsniveau sowohl für den Anbieter als auch den Investor heißt, dass man bildlich gesprochen jeden Stein zweimal umdrehen muss. Schließlich sprechen wir vom Geld der Versicherungsnehmer. Es ist nicht das Geld des Anbieters und auch nicht das der Versorgungskasse, wir sind nur Treuhänder. Ein guter Treuhänder im Sinne eines ­ehrbaren Kaufmanns muss auch ein sinnvolles Verhältnis zwischen Administrations­kosten und Bruttoerträgen sicherstellen. Bei sinkendem Bruttoertrag muss auch die ­gesamte Administration­ intern und extern produktiver werden.

Mit dem anhaltenden Niedrigzins wird die Situation­ auf der Kostenseite für Sie noch ­ambitionierter, und Sie sind ständig gezwungen und gefordert, die Kosten zu senken.
Als ehrbarer Kaufmann muss man das tun. Das wiederum heißt, man muss sich ­selber fordern, muss aber auch seine Partner auf der Anbieterseite fordern. Der sicherste Ertrag ist zurzeit die Kostensenkung.

Welche Wünsche richten Sie ansonsten an die Anbieter?
Wenn Sie es heute mit einem Anbieter aus einem Land des Europäischen ­Wirt­schafts­­raums, dem EWR, zu tun haben, dann kann dieser für gewöhnlich europaweit seine Produkte vertreiben. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich als Investor auch die deutschen Formulare für die hiesige ­Aufsicht aufgrund der Daten, die ich von dem Anbieter erhalte, aufsetzen kann. Ich würde mit jedem Anbieter mit europäischer ­Vertriebszulassung sprechen. Aber das ­Portfolio und das, was er mir liefert, muss nach deutschem VAG gesteuert werden. Und da wird er erstmal schlucken und sagen, hoppla, ich weiß gar nicht, was deutsches VAG überhaupt ist. Von daher glaube ich, wird es eine administrative Trennung geben müssen.

Der eine kümmert sich um die Assets, der ­andere um die Services?
Genau. Das ist ein Geschäftsmodell, das sehr stark mit Skaleneffekten zusammenhängt. Wenn Sie 20 Pensionskassen unter ­Ihren Kunden haben, die alle nach dem ­deutschen Versicherungsaufsichtsgesetz ­reguliert sind, ist es kein Problem, die dafür erforderlichen Reportings bereitzustellen. Da lohnt sich die Investition aus Anbietersicht.
Und so ist das auch bei uns. Wenn wir ­beispielsweise einen Fonds in Luxemburg kaufen, dann haben wir zwar die attraktiven Anlagemöglichkeiten, die damit einher­gehen, aber wir müssen natürlich die Reports nach deutschem VAG gestalten. Und an dieser Stelle müssen viele Anbieter noch lernen, dass die Vertriebszulassung nur eine Grundvoraussetzung ist.

Insofern sind nur die Anbieter für Sie interessant, die entsprechende Berichte und Daten liefern können.
Ganz klar. Da sind wir wieder beim Thema­ Trennung in Servicer und Asset-Management-­Dienstleister.

portfolio institutionell, Ausgabe 3/2014

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