Stiftungen
22. September 2014

Interview: Heiße Reifen fahren andere

Dieter Lehmann, Geschäftsleitungsmitglied der Volkswagen-Stiftung, hat portfolio institutionell eines seiner seltenen Interviews gegeben. Darin erläutert er, wie er das Stiftungsvermögen in seiner Substanz bewahrt, warum er sich häufig mit Asset Managern trifft und was gegen Publikumsfonds spricht.

Herr Lehmann, zum Einstieg eine obligatorische Frage, die in diesen Tagen in keinem ­Interview mit einem Anlageexperten fehlt:­ ­Gehen Sie davon aus, dass die Marktzinsen für die verschiedenen Rentensegmente in den nächsten fünf Jahren wieder steigen?
Momentan sehe ich keinen Grund dafür. Vielmehr gibt es weiterhin einerseits einen unglaublichen Nachfragedruck im Kapitalmarktbereich, der durch das anhaltende Überangebot von Liquidität im Geldmarktbereich mit begründet ist. Man darf aber andererseits auch nicht vergessen, dass die wirtschaft­lichen Entwicklungen noch nicht so robust sind. Das heißt, gerade in den Peripherie­staaten ist man auf die derzeitige Unterstützung durch verbilligtes Geld noch angewiesen. Zinssteigerungen jetzt oder in abseh­barer Zeit wären dafür sicherlich Gift.

Die Volkswagen-Stiftung fördert von ­Hannover aus Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre, sie stiftet sozusagen Wissen. Wie ich gelesen habe, legen Sie das Kapital so ertragreich und nachhaltig wie möglich an. Nun sind aber viele andere ­Stiftungen primär im Rentenbereich investiert. Sehen Sie eine sich verschärfende ­Situation für den Stiftungssektor?
Diese Entwicklung hat ja schon stattgefunden und findet auch weiterhin statt. Aber gegen Investments in Renten ist zunächst nichts einzuwenden. Dabei geht es natürlich um die Frage, die sich jeder Anleger stellen muss: Welche Ziele will ich mit der Ver­mögensanlage erreichen? Daneben muss man sich gerade mit dem Blick auf die jüngsten Erfahrungen eine weitere Frage stellen: Was ist eigentlich Risiko? Ist es nicht so, dass das Risiko eigentlich immer nur in der Aktie gesehen wird, und zwar nicht nur seitens der Anleger, wenn man beispielsweise an geforderte Eigenkapitalunterlegungen und Stresstests in manchen Anlagebranchen denkt?

Sind Sie anderer Meinung?
Ich bin nicht sicher, ob das wirklich so noch zutreffend ist nach allen Erfahrungen. Denn es gibt eigentlich zwei Kategorien von Risiken. Es gibt das Volatilitätsrisiko, das ist bei Aktien eindeutig höher als bei Renten­anlagen. Und dann gibt es das Ausfallrisiko. Und da wäre ich mir nicht sicher, ob die Aktie an sich ein höheres Ausfallrisiko in sich birgt als die Rentenanlage, nach allem, was wir ­gesehen haben und lernen mussten in den vergangenen Jahren. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass die von Ihnen angesprochenen Stiftungen, abgesehen von den sogenannten Verbrauchsstiftungen, auf Ewigkeit eingerichtet sind, dann muss man sich als Stiftungsverwalter von Vermögen doch die Frage stellen, ob das Volatilitätsrisiko nicht eher hinnehmbar ist als das Ausfallrisiko. Denn sobald ein Emittent in Konkurs geht, sind dessen Vermögenswerte unwiederbringlich verloren. 

Wenn die Kurse nur schwanken, besteht die Chance der Kurserholung.
Sie sagen es. Die Volkswagen-Stiftung ist vor allem in Blue-Chip-Werten investiert, und ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Aber das ist nicht der einzige Punkt, auf den ich ­hinaus will. Denn auch die folgende Frage muss erlaubt sein: Ist das Risiko an dieser Stelle größer, als wenn ich heute eine Bundesanleihe kaufe, die einerseits nur noch marginale nominale Renditen abwirft beziehungsweise dem Investor nach Abzug der ­Inflation mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar real Verluste beschert? Insofern scheint mir die Neudefinition des Risikobegriffs ratsam zu sein. Jeder Anleger müsste eigentlich grundsätzlich für sich den Risikobegriff auf den Prüfstand stellen.

Die Volkswagen-Stiftung geht überwiegend passive Investments ein. Welche Anlageziele müssen Sie erreichen?
Wir haben drei Ziele, dazu zählt die ­Erwirtschaftung von Fördermitteln. An dieser Stelle gibt es in Deutschland im Unterschied zu anderen Ländern keine gesetzliche Vor­gabe, wie hoch die Fördermittelausschüttungen sein müssen. Wir haben uns gleichwohl eine Selbstverpflichtung auferlegt. Für die allgemeine Förderung, die wir betreiben, haben wir uns ein Fördervolumen von 50 bis 60 Millionen Euro pro Jahr zum Ziel gesetzt. Dieses Ziel schreiben wir inflationsbereinigt fort. Das zweite Ziel ist die reale Kapitalwert­erhaltung, also die Kompensation der Infla­tionsentwertung. Und das dritte Ziel – vom ­Volumen natürlich das kleinste, aber dennoch zu beachten – besteht darin, dass wir ­jedes Jahr die laufenden Geschäftskosten ebenfalls über die Vermögensanlage mit ­erwirtschaften müssen.

Im Jahr 2013 erzielte die Volkswagen-Stiftung eine Performance von exakt 5,01 Prozent bei einer Standardabweichung von lediglich 3,61 Prozent. Dazu kann man Sie nur beglückwünschen. Jüngsten Zahlen zufolge verwalten Sie 3,2 Milliarden Euro. Richtig?
Wenn wir über unsere Vermögens­anlagen sprechen, müssen wir zwei Zahlen unterscheiden. Einerseits haben wir ein Stiftungskapital von etwa 2,7 Milliarden Euro. Und die Zahl, die Sie ansprachen, das ist die Summe der Assets under Management. Der Wert liegt aktuell bei etwa 3,37 Milliarden Euro.

Wie kommt diese Differenz zustande?
Wir bewilligen jedes Jahr Fördermittel in nicht unbeträchtlicher Höhe. Ich sprach eben über die allgemeine Förderung. Hinzu kommt das sogenannte Niedersächsische Vorab, in der Summe sind das Beträge pro Jahr, die derzeit deutlich über 100 Millionen Euro liegen. Zuletzt hat die Stiftung insgesamt über 160 Millionen Euro an Fördermitteln bereit­gestellt.
Wenn diese Beträge bewilligt werden, werden sie typischerweise nicht sofort in ­voller Höhe ausgeschüttet, sondern von den Fördermittelempfängern sukzessive monatlich abgerufen. Und solange die Mittel noch nicht vollständig abgerufen sind, werden sie weiterhin von uns verwaltet. Sie gehören dann aber nicht mehr zum Stiftungskapital.

Für die allgemeine Förderung steht ein ­Volumen von 50 bis 60 Millionen Euro bereit. Die Gesamtfördersumme bezifferten Sie aber auf 160 Millionen Euro. Wie kommt die ­Differenz zustande?
Dabei handelt es sich um die Gewinn­ansprüche aus den dem Land Niedersachsen gehörenden VW-Aktien. Diese werden zunächst an die Volkswagen-Stiftung abgeführt und von dieser anschließend dem Land ­Niedersachsen für Projekte im Sinne des ­Stiftungszwecks zur Verfügung gestellt, wenn das Kuratorium der Stiftung den entsprechenden Anträgen des Landes zugestimmt hat. Und da die Dividendenzahlung aus VW-Aktien momentan sehr hoch ist, ist die Diskrepanz zwischen allgemeiner Förderung und Niedersächsischem Vorab derzeit ebenfalls sehr hoch. In der Geschichte der Stiftung gab es jedoch auch schon Zeiten, als dieses Verhältnis genau umgekehrt war.

Eine der Förderinitiativen Ihrer Stiftung trägt den Titel „Experiment“. Hier werden gewagte Forschungsvorhaben unterstützt. Inwieweit experimentieren Sie?
Gar nicht. Spekulationen haben keine ­Berechtigung für die Verwaltung eines ­Stiftungsvermögens. Und insofern veranstalten wir dort auch keine Experimente, sondern verlassen uns auf bewährte Theorien. Zum Beispiel die Portfoliotheorie von Markowitz und auf eine langfristige Anlagestrategie, die wir hier im Hause praktizieren.

Stiftungen dürfen nur sogenannte ordent­liche Nettoerträge ausschütten. Wie bewirtschaften Sie vor diesem Hintergrund den ­Kapitalstock?
Fördermittel und laufende Geschäfts­kosten werden aus ordentlichen Erträgen, das sind vor allem Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen, bedient. Bei der Kapitalerhaltung ist es so, dass man pro Jahr maximal ein Drittel des Überschusses aus Vermögensbewirtschaftung, und dahinter verbergen sich in ­aller Regel auch die ordentlichen Erträge, dem Kapital zum Zwecke der ­Kapitalerhaltung zuführen darf. Wir haben uns aber schon vor vielen Jahren die Frage gestellt, wie wir den Stand der Kapitalerhaltung messen können. Denn nur so lässt sich mit Sicherheit sagen, ob wir in dieser Hinsicht erfolgreich sind oder eben nicht.

Wie ist die Kapitalerhaltung konzipiert?
Es gibt einen Zeitpunkt null, an dem eine Kapitalerhaltungsrechnung beginnt. Das ist für uns der 1. Januar 1985. Ab diesem Tag war es Stiftungen erlaubt, Rücklagen nach Paragraf 58 Nummer 7a der Abgabenordnung zu bilden. Heute ist das der Paragraf 62 der Abgabenordnung. Vorher war es Stiftungen unter­sagt, entsprechende Rücklagen zum Zwecke der Kapitalwerterhaltung zu bilden. Deshalb beginnt an diesem Tag unsere Kapital­erhaltungsrechnung. Der Marktwert des Stiftungskapitals vom 31. Dezember 1984 wurde anhand der jährlichen Inflationsraten fortgeschrieben und ergibt den heutigen Kapitalzielwert. Und diesen vergleichen wir mit dem Ist-Wert des angelegten Vermögens. Dabei bezieht man also die Wertentwicklung der Anlagen mit ein, stille ­Reserven genauso wie etwaige stille Lasten.

Man legt demnach die tatsäch­lichen Ver­mögenswertverhältnisse offen.
Und daran können sie erahnen, dass der Kurswertentwicklung große­ Bedeutung zukommt. Und deswegen haben wir nicht nur zins­tragende Titel im Bestand, sondern auch ­Aktien und Immobilien, sprich Anlagen ohne Endfälligkeit. Über ihre hoffentlich­ ­positive Wertentwicklung sollen die Ver­mögenswerte einen möglichst großen Beitrag zum realen Kapitalerhalt leisten. Wenn das gelingt, sind wir nicht gezwungen, die angesprochene Rücklagenquote nach Paragraf 62 der ­Abgabenordnung voll auszuschöpfen. In den letzten Jahren war das der Fall.

Warum ist das so wichtig?
Wenn eine Stiftung die gesetzlich vor­gegebene Rücklagenquote nicht ausschöpfen muss, dann können für die Kapitalerhaltung gebundene, ordentliche Erträge freigesetzt werden. Diese können Sie zur Stabilisierung der Fördermittelsummen einsetzen. Das ist gerade in Zeiten wie der aktuell anhaltenden Niedrigzinsphase von entscheidender Be­deutung.

Außer in Anleihen sind Sie auch in Immo­bilien und Aktien investiert. Wie ist das ­Gesamtportfolio strukturiert?
Wir haben aktuell gut 33 Prozent unseres Vermögens in Aktien investiert. Darüber ­hinaus besteht unser Portfolio zu drei Prozent aus Private Equity. Daneben haben wir rund 14 Prozent in Immobilien investiert. Der Rest, das sind so um die 50 Prozent, entfällt auf verzinsliche Wertpapiere.

Sind Sie mit dieser Allokation rundum ­zufrieden?
Im Moment passt es ganz gut. Wir führen jedes Jahr eine Modellrechnung durch, die wir hier im Haus entwickelt haben. Damit versuchen wir, unsere Ziele, die wir mit der Vermögensanlage verfolgen, in Einklang zu bringen mit den Marktgegebenheiten. Uns ist durchaus bewusst, dass wir die Resultate aus der Modellierung nicht auf die Gold­waage legen dürfen, aber es ist zumindest ein Hilfsmittel, das uns Anhaltspunkte liefert. Für die Aktienanlage haben wir eine Investitions­bandbreite definiert, die zwischen 20 und 35 Prozent des Gesamtvermögens liegt.

Insofern rangieren Sie in dieser Anlageklasse am oberen Limit.
Für die Aktien haben wir eine Bandbreite ­definiert, weil diese Anlageklasse aufgrund ihrer Volatilität auf unsere Kapitalerhaltung den entscheidenden Einfluss hat. Für die ­anderen Anlagegruppen haben wir Orientierungspunkte für deren Gewichtung im ­Gesamtkontext ermittelt. Und das sind genau die Marken, auf denen wir uns im Moment bewegen. Diese Asset Allocation ist nach ­unserer Auffassung, nach allen gegenwärtigen Marktgegebenheiten und Dingen, die wir kennen, die beste Aufteilung für unsere Vermögens­anlage, um die Ziele, die wir ver­folgen, mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit auch zu erreichen.

Geben Sie mir  einen Einblick in die festverzinslichen Wertpapiere.
Was die Renteninvestments ­betrifft, verfolgen wir einen Core-Satellite-Ansatz, wobei alle Anleihen, die auf Euro lauten, zum Kern ­gehören. Die Satelliten bilden die Anleihen, die auf Fremdwähr­ungen lauten. Die Fremdwährungen ­sichern wir im Übrigen nicht ab, weil wir diese als zusätz­liche ­Risikodiversifikatoren nutzen.

Von welchem Umfang sprechen wir?
Etwa eine Milliarde Euro sind in euro­päischen Renten investiert, und dort sind ­eigentlich alle Anleihe­typen dabei. Staats­anleihen natürlich, aber auch Unternehmensanleihen, Nachrangtitel und Pfand­briefe, obwohl dieses Segment langsam, aber ­sicher immer mehr austrocknet. Aber der größte Teil sind öffentliche Anleihen und Unternehmensanleihen. Der Anteil der Unternehmensanleihen wächst beständig, weil die ­öffentlichen Anleihen schlichtweg zu teuer sind. Und auf internationaler Ebene ist es so, dass wir vorwiegend Staatsanleihen halten, etwa aus Kanada, Australien und Groß­britannien. Die USA sind selbstverständlich auch vertreten. Wir haben ein relativ großes Portfolio von Emerging Markets Bonds, die vor allem auf Lokalwährungs­ebene, aber auch im Hard-Currency-Bereich geführt werden.

Im Jahr 2012 haben Sie die Mindest-Rating-Anforderung von BBB- auf BB- gesenkt. Wie begegnen Sie dem damit einhergehenden ­Risiko höherer Ausfälle?
Zunächst einmal begrenzen wir solche Investments je Emittent auf fünf Millionen Euro. Durch die Erweiterung des Anlage­spektrums hat sich die Angebotspalette erheblich erweitert, wobei wir ja aber auch nicht gezwungen sind, Emittenten mit BB- zu ­kaufen. Im Übrigen sind wir in der glück­lichen Situation, dass wir ­keinen ­großen ­Anlagebedarf haben. Wenn wir aber Titel für ­einen Kauf in ­Erwägung ziehen, analysieren wir das Unternehmen natürlich im Vorfeld.

Bei den Anleihen sind Sie weltweit gestreut. Wie sieht das bei den Aktien aus?
Auch hier verfolgen wir einen Core-­Satellite-Ansatz, ­wobei der Kern aus Euroland-Aktien besteht, während die Satelliten weltweit gestreut sind. Der Fremdwährungsanteil über Aktien und Renten hinweg liegt übrigens bei etwa 32 ­Prozent gemessen am Gesamtver­mögen.

Wenn Sie in Aktien investieren, spielen dann die Dividenden eine zentrale Rolle? Oder ­woran machen Sie ein attraktives Aktien­investment fest?
Wir gehen nach geografischen Gesichtspunkten vor. Weil wir über die Geografie und somit die einzelnen Länder versuchen, ­unsere Anlagen zu diversifizieren. Wir sind in der Regel in Blue Chips investiert. Und dort ­spielen natürlich die Dividenden eine entsprechende Rolle. Aber ein reines Dividenden­rendite-Portfolio oder ein auf Dividenden abzielendes Portfolio haben wir derzeit nicht. Das hatten wir mal in der Vergangenheit, aber momentan legen wir darauf keinen ­Fokus. Daneben haben wir ein aktiv ­gemanagtes Small-Cap-Portfolio, das ist aber eher als Beimischung gedacht.

Sie sind in der Branche dafür bekannt, einen Großteil der Investments nach eigenem ­Gusto einzugehen. Stoßen Asset Manager bei Ihnen generell auf Granit?
Alles, was auf Euro lautet, machen wir in der Regel selbst. Das gilt für Renten wie für Aktien. Und überall da, wo eine Fremd­währung dazukommt, greifen wir auf Spezial­fonds zurück. Und die Spezialfonds werden natürlich auch von unserer Abteilung mit betreut, die Verwaltung liegt jedoch bei externen Managern, die wir im Normalfall über ­einen Beauty Contest auswählen. Aber das passiert ausgesprochen selten.

Werden Sie mit Terminanfragen von Asset Managern überhäuft? Oder hat sich die eben von Ihnen beschriebene Vorgehensweise schon herumgesprochen?
Der ein oder andere weiß, dass das so ist. Und alle, die es nicht wissen, denen erläutere ich das gerne. Aber grundsätzlich: Es gibt sehr viele Terminanfragen, das ist richtig. Fakt ist auch, dass wir relativ wenig Neues machen. Wir haben langfristige Partnerschaften mit einzelnen ausgewählten Asset-­Management-Gesellschaften. Wir haben zwei reine Renten- und zwei reine Aktienfonds, dort werden bis dato die einzelnen unterschiedlichen Themen, die ich eben schon nannte, in Subportfolien anlage- und Reporting-seitig getrennt voneinander verwaltet.
Wir haben also in der Tat nur mit sehr ­wenigen externen Managern zu tun, und das ist auch gut so, weil das effizient ist und sich über viele Jahre so bewährt hat. Das heißt aber nicht, dass wir keine Kontakte mit anderen Anlagegesellschaften haben, ganz im ­Gegenteil. Es finden sehr viele Informationsgespräche statt, und es gibt einen regen ­Gedankenaustausch, der für mein Team und auch für mich sehr wertvoll ist.

Nun tickt jeder Investor gerade bei Fragen der Effizienz anders. Manche sind davon überzeugt, dass bei Core-Satellite-Ansätzen der mit den Satelliten einhergehende Aufwand zu groß ist. Sie argumentieren, die Beimischung einer Asset-Klasse von sagen wir zwei Prozent verursacht im Controlling unheimlich viel ­Arbeit, während die Performance in keinem Verhältnis dazu steht. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das genauso. Man muss genau abwägen, warum man das Asset haben möchte­ und was es für einen Sinn haben soll. Man kann dem Konflikt ein Stück weit begegnen, wenn man beispielsweise vorwiegend passives Management betreibt. Der andere Punkt ist in der Tat, dass man abwägen muss, ob man zusätzlichen Aufwand wirklich betreiben möchte.
Ein gutes Beispiel dafür sind aus meiner Sicht Private-Equity-Anlagen. In dieser Sphäre­ ist der Aufwand in der Regel sehr hoch, was etwa die Transparenz oder die für eine Stiftung aufgrund der notwendigen Abschirmung von gewerblichen Erträgen erforderlichen Schritte betrifft. Auch das zeitversetzte Reporting empfinde ich oft als problematisch, insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresabschlüsse.

Ihre Private-Equity-Quote ist mit drei Prozent überschaubar. Soll es dabei bleiben?
Im Moment ja, weil aus diesen Investments neben den geschilderten Problemen auch die Ergebnisse bis jetzt nicht wirklich überzeugend waren. Wir investieren deshalb die Rückflüsse momentan nicht in neue ­Private-Equity-Produkte.

Ich habe gelesen, dass Sie komplizierte ­Produktstrukturen bei ihren Anlageüber­legungen ebenso außen vor lassen wie ­Publikumsfonds. Warum?
Bei Publikumsfonds haben wir keinen Einfluss auf die Anlagepolitik. Anders ist das bei unseren Spezialfonds. Hier sind wir ­alleiniger Investor und können mit dem Fondsmanagement ganz direkt und individuell absprechen, was wir wollen. Jeden Spezialfonds, jedes einzelne Mandat, jedes einzelne Portfolio muss man als einen Mosaikstein in einem Gesamtbild betrachten. Und in einem Publikumsfonds kann ich das zwar von der Auswahl ­zunächst einmal tun, aber ich habe im Anschluss daran keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr.
Zudem ist es natürlich auch eine Kostenfrage. Denn Publikumsfonds aus dem Retail-­Bereich gehen mit sehr viel höheren Gebühren einher. Und bei einer entsprechenden ­Anlagegröße, wie wir sie ­haben, kommen deshalb erhebliche Preis­belastungen zustande, die wir so nicht akzeptieren können. Und dann gibt es auch noch verschiedene andere Details, ich denke an Quellensteuererstattungen und Ähnliches, was Sie als steuerbefreite Einrichtung über einen Publikumsfonds eben nicht zurückfordern können. Das kann man aber über Spezialfonds schon ­versuchen.

Als eine Lehre aus der Finanzkrise haben Sie mitgenommen, dass es keine verlässlichen Risiko­berechnungen gibt und auch nie welche ­geben wird. Dementsprechend könnten ­Risikobudgets, Limitierungen oder auch Stop-Loss-Marken, die auf der Grundlage solcher­ ­Berechnungen basieren, allenfalls Hilfsmittel sein.
Das hat sich für mich immer wieder ­bestätigt, es ist meine Überzeugung. Wir sprachen gerade über Modellrechnungen, die wir bei uns eingesetzt haben, das ist für uns ein durchaus wertvolles Hilfsmittel. Aber wir ­wissen genau, dass man bei entsprechenden Änderungen von Eingabeparametern vollkommen andere Ergebnisse herausbekommen kann. So ist es eigentlich bei jeder ­Modellrechnung, bei jeder Risiko­berechnung.
Und am Ende des Tages, wenn unvorhersehbare Ereignisse eintreten, die es ja in den vergangenen zehn, 20 Jahren in großer Stückzahl gab, und damit entsprechend dann zum Teil auch irrationale Marktbewegungen einsetzen, können Sie mit diesen Risikoberechnungsmodellen nichts mehr anfangen. Wenn Sie sich nur auf Berechnungen verlassen und auf dieser Grundlage harte Limitgrenzen definieren­ und festsetzen, bei deren Erreichung automatisch zum Beispiel Verkäufe ausgelöst werden, ist das aus meiner Sicht schon sehr problematisch.

Bitte nennen Sie ein Beispiel.
Der Verkauf eines Wertpapiers mit Buchverlusten ist immer etwas Endgültiges, weil Sie die Verluste endgültig realisieren. Damit bringen Sie sich auch um die Chance einer möglichen Wertaufholung. Werfen Sie einen Blick zurück in die Vergangenheit. Die ­Kursnotierungen vor den Verwerfungen am 11. September 2001 waren beispielsweise im ­Oktober des gleichen Jahres schon wieder ­erreicht. Oder nehmen Sie die Finanzmarktkrise 2008, die Verluste waren 2009 weit­gehend ausgeglichen. Auch der Aktien­markteinbruch 2011 war bereits im ­Februar 2012 vollständig neutralisiert. Ich könnte ­Ihnen noch zahlreiche weitere Ereignisse nennen, bei denen Kursrückgänge nach nicht allzu­ langer Zeit vollständig ausge­glichen waren.­

Wer mittels Stop-Loss aus dem Markt aussteigt, hat also Pech gehabt.
Ich würde das nicht als Pech bezeichnen, denn das war zunächst eine bewusste Entscheidung. Wer allerdings aufgrund von ­Limitgrenzen immer konsequent verkauft hat, der hat in der Vergangenheit viel Geld verbrannt. Ob Sie das auf Dauer als Vermögensverwalter verantworten können, sei dahin­gestellt.
Auch wenn es hier andere Auffassungen gibt; ich bin der Meinung, man muss bei ­jeder Vermögensverwaltung erstmal auch ­eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen, eine gewisse Erfahrung einbringen. Und wenn man sich nur allein mathematischen Grenzen oder Werterhaltungskonzepten starr unter­wirft, ohne zu schauen, was da eigentlich in der Praxis an den Märkten passiert, ist man aus meiner Sicht nicht besonders gut aufgestellt.­

Als Stiftung unterstützen Sie vielfältige Forschungsprojekte. Es ist eine Art von Verbindlichkeit, die Sie bedienen müssen. Gesetzt den Fall, dass Ihnen die Erträge wegbrechen, etwa durch Extremereignisse, wie schnell könnten Sie diese Ausgaben kürzen?
Alle bewilligten Vorhaben sind durch­finanziert. Was wir bewilligen, ist tatsächlich verdient, das liegt sozusagen in der Kasse ­bereit zur Abholung. Das heißt, alle, denen die Volkswagen-Stiftung Fördermittel bewilligt hat, brauchen sich keine Sorgen zu ­machen, dass sie dieses Geld nicht be­kommen. In schwierigen Marktphasen könnten künftige Bewilligungssummen reduziert ­werden, das ist theoretisch möglich, weil es in Deutschland keine gesetzliche Vorgabe ­hinsichtlich der Höhe der von einer Stiftung bereitzustellenden Fördermittel gibt. Aber ­genau das ist ja unsere Aufgabe, dass es nicht so weit kommt, sondern dass wir versuchen, die Fördermittelhöhe zu stabilisieren. ­Momentan sieht es viel eher danach aus, dass wir unsere Förderleistung noch erhöhen können.­

Inwieweit stehen bei Ihnen die Finanz­anlagen im Einklang mit dem Stiftungszweck? Neudeutsch sagt man Mission Investing. Ist das bei Ihnen ein Thema?
Nein. Wir versuchen mit unserer Ver­mögensanlage, nachhaltige Kriterien zu berücksichtigen und zu beachten, das ja. Das kann man zum Beispiel daran sehen, dass wir als Benchmark für unseren passiv eigen­verwalteten Aktienbestand einen Nachhaltigkeitsindex ausgewählt haben. Beim klassischen Mission Investing wird versucht, die Vermögensanlage im Sinne des Stiftungs­zweckes auszurichten. Und das ist aus meiner Sicht für viele Stiftungen gar nicht so leicht, für uns auch nicht.

Sie könnten wissenschaftlichen Einrichtungen Wohnraum zur Verfügung stellen.
Ein gutes Beispiel, um das eben angesprochene Problem zu verdeutlichen. Die Stiftung hatte das mal gemacht, ganz zu Beginn in den 1960er Jahren, als das Wohnraum­problem in Deutschland noch sehr groß war. Das war im eigentlichen Sinne kein Mission Investing, weil dadurch keine Förderung von Wissenschaft und Technik stattfindet.
Wohlwollend betrachtet, schafft man ­bestenfalls Rahmenbedingungen dafür. Und was die Renditeerwartung betrifft: Sie werden über kurz oder lang, jedenfalls nach unserer Erfahrung, als Stiftung auch mit gewissen Erwartungs­haltungen seitens der Mieter konfrontiert.­

Weil Vorzugskonditionen erwartet werden, oder weshalb?
Ja, genau. Und deshalb kommen Sie zumindest bei diesem Beispiel relativ schnell in Konflikt mit Ihrem Auftrag, das Vermögen möglichst ertragreich anzulegen. Es gibt aber auch funktionierende Mission-Investing-Projekte,­ zum Beispiel Schloss Herren­hausen, das die Volkswagen-Stiftung hier in Hannover wieder aufgebaut hat. Dieses Schloss fungiert heute als modernes Tagungszentrum und Museum.

Klingt nach einer interessanten Beimischung im Immobilienportfolio?
So kann man das sehen. Die Volkswagen-Stiftung führt in dem Schloss an gut 100 ­Tagen im Jahr eigene wissenschaftliche ­Veranstaltungen durch. Das könnte man durchaus in Richtung Mission Investing ­verorten. Denn das ist ein Vermögens­anlageobjekt, das langfristig verpachtet ist, weil wir als gemeinnützige Einrichtung ein solches Objekt nicht selbst betreiben dürfen. Insofern ist das Schloss für uns einerseits ein Objekt, das eine entsprechende Rendite abwirft, aber es dient letztendlich der Förderung der Wissenschaft durch entsprechende Veranstaltungen.

portfolio institutionell, Ausgabe 9/2014

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