Corporates
12. März 2015

Interview: Zentralisierte Power fürs Pensionsmanagement

Ausgangspunkt aller Überlegungen im Pensionsmanagement der E.on ist die Verpflichtungsstruktur, erst dann kommen die zugehörigen Vermögenswerte ins Spiel. Eine­ reine­ Rendite­optimierung aus Asset-only-Sicht wird nicht angestrebt. Die Konzentration liegt auf der Steuerung des Defizits aus Assets und Verpflichtungen als Nettogröße.

Stefan Brenk aus dem Pensions-Team von E.on im Gespräch mit Kerstin Bendix

Liability-driven Investments (LDI) – das ist ein Thema, das vielfältig und vielschichtig diskutiert wird.  Was ist für Ihr Haus LDI? Was verstehen Sie darunter?
LDI stellt für E.on in einem ersten Schritt die grundsätzliche Herangehens­weise und Denkweise dar, mit der Pensionsthemen aus finanzieller Sicht behandelt werden. Das heißt, dass zunächst die Verpflichtungsstruktur im Vordergrund steht – sie ist Ausgangsgröße aller weiteren Überlegungen. Dann sind die zugehörigen Vermögenswerte­ zu betrachten.­ LDI ist immer nur im Kontext­ einer­ Ausfinanzierung möglich, weil nur dann Assets für die Pensionsverpflichtung reserviert­ sind.

Pensionsfonds wären also schon eine LDI-Maßnahme?
Ja, jede zweckgebundene Ausfinanzierung, also zum Beispiel auch CTAs (Contractual Trust Arrangements), wie sie bei vielen­ großen Unternehmen zu finden sind. Dadurch­ treffen Arbeitgeber finanzielle Vorsorge für ihre Pensionsverpflichtungen. Bei der Berechnung der wirtschaftlichen Nettoverschuldung werden diese Assets berücksichtigt und sind ein wichtiger Bestandteil der Finanzstrategie eines Unternehmens. Die Ausfinanzierung ist also in der Tat eine­ LDI-Maßnahme. Die nächste Ebene wäre die ALM-Studie, in der die Verpflichtungen und die bereitgestellten Finanzmittel kombiniert und optimiert werden. Die letzte Ebene­ ist dann das, was typischerweise als LDI-­Produkt verstanden wird, nämlich ein konkretes Hedging-Mandat.­ Deswegen ist LDI ein sehr vielschichtiger Begriff.

Was sind die wichtigsten Einflussfaktoren?
Mit Blick auf die Bewertungsseite sind die wichtigsten Größen die Faktoren, die auf die Verpflichtungen wirken. Das sind in aller Regel Zinsen und Inflation. Nicht zu vergessen sind außerdem die demografischen Einflussfaktoren. Hierunter fallen Aspekte, wie Lebens­erwartung oder Annahmen zur Mitarbeiterfluktuation. Wie viele Begünstigte­ sind verheiratet? Gibt es eine Hinterbliebenen­absicherung? Diese Faktoren haben einen Cashflow-Effekt und sind daher neben dem Zins und der Inflation­ der dritte wichtige Faktor.­

Arbeiten Sie in Deutschland mit den Heubeck-Sterbetafeln? Oder passen Sie die Tafeln Ihrer individuellen Mitarbeiterstruktur an?
In Deutschland nehmen wir keine individuelle­ Anpassung vor. Die Heubeck-­Tafeln sind mittlerweile Generationentafeln inklusive­ Dynamisierung und als Standard gut geeignet.

In England ist das anders. Das könnte man doch eigentlich auf Deutschland übertragen?
Auch in UK nutzen wir im Accounting eine­ Standardtafel der dortigen Aktuar­vereinigung. Allerdings gibt es davon abweichende­ Bewertungslogiken, wie die regul­atorisch definierte­ „technical provision“ Basis. Dabei wird die Verpflichtung durch die Trustees nach dem Vorsichtsprinzip betrachtet und unter anderem eine verfeinerte, postleitzahlen­basierte Weiterentwicklung der Sterbetafeln genutzt.
In Deutschland vom Marktstandard – den Heubeck-Tafeln – abzuweichen, bedeutet­ eher Zusatzaufwand, der kaum Mehrwert bringt. Eine individuelle Anpassung erhöht vielleicht die Transparenz, allerdings ohne die Asset-Seite zu beeinflussen. Das Langlebigkeits­risiko kann ohnehin nicht sinnvoll durch Volatilität­ oder Sensitivität beschrieben werden, sondern ist eine sehr langfristige Heraus­forderung. Als vergleichbare­ Bewertungsbasis macht daher die Anwendung der Heubeck-Tafeln durchaus Sinn.

In England sind Sie schon vor einigen Jahren mit dem Thema LDI gestartet und haben ein LDI-Mandat aufgelegt. Wie kam es dazu? Was war die Erwartung an dieses LDI-Mandat?
In England ist es regulatorisch erforderlich, Pension Trusts unabhängig zu managen. Es gibt auf der einen Seite ein Trustee Board und auf der anderen Seite das Unternehmen als Sponsoring Company. Das Asset Management und die Auszahlung der Renten übernehmen die Trustees; die Finanzierung des Trusts erfolgt durch Beitragszahlungen des Unternehmens. Traditionell waren­ die Portfolien­ mit relativ hohen Aktienallokationen eher aggressiv investiert. Wir streben aber keine reine Renditeoptimierung aus Asset-­only-Sicht an, sondern konzentrieren uns vorrangig auf das Defizit als Netto­größe aus Assets­ und Verpflichtungen. In diesem Kontext ist die Erwartung an ein LDI-Mandat­ primär­ die Reduktion von Unsicherheiten und dadurch eine bessere Planbarkeit zukünf­tiger Beitragszahlungen.
Daneben können auch die Bilanzierungsvorschriften für eine LDI-Strategie sprechen. Der Rechnungszins nach IAS 19 ermittelt sich als Rendite von Corporate Bonds und bestimmt den Barwert der Pensionsverpflichtung. Ein entsprechendes Investment auf der Asset-Seite – theoretisch zum Beispiel in eben diese Corporate Bonds – führt zu einer Stabilisierung des Funded-Status und damit der Pensionsrückstellung.

Und dann haben Sie das LDI-Mandat aufgesetzt. Wenn ich es richtig verstehe, ist es ein Baustein in dem Pension Trust?
In Großbritannien haben wir tatsächlich ein LDI-Mandat extern vergeben. Dieses soll die Entwicklung der Verpflichtungsstruktur möglichst genau nachbilden. Wenn die Zinsen steigen und der Verpflichtungsbarwert sinkt, wird auch der Wert des Asset-Portfolios sinken. Wenn die Zinsen fallen, steigt der Verpflichtungsbarwert und es können auf der Asset-Seite kompensatorische Effekte generiert werden. Allerdings ist das LDI-Mandat nur ein Teil unserer Anlagen und wird von Return-Bausteinen ergänzt.

Wie haben Sie in Deutschland das Thema LDI umgesetzt?
Die Analyse der Verpflichtungen zur Identifikation von Risikotreibern ist auch hier der erste Schritt. Die strategische Allokation ergibt sich dann als Ergebnis der ALM-Studie unter Berücksichtigung von Nebenbedingungen. Das sind insbesondere die konzerninternen Risikobudgets für die Schwankungsbreite­ der Finanzierungslücke. LDI-Instrumente­ tragen dazu bei, diese Risiko­budgets mit hoher­ Wahrscheinlichkeit einhalten zu können. Anders als in Großbritannien haben wir in Deutschland aber kein dezidiertes LDI-Mandat­ extern vergeben. In UK liegt die Verantwortung für die Assets bei den Trustees, dort sind wir stärker auf Consultants und externe Anbieter angewiesen.

Kann man sagen, welchen Anteil LDI in der Gesamtallokation in Deutschland ausmacht? Im Prinzip läuft dies ja über die komplette Allokation.­
Das hängt von der Definition ab. Natürlich wird nicht das gesamte Vermögen nur für Zins- und Inflationssicherung verwendet. LDI ist immer nur ein Portfolio-Bestandteil, dessen Gewichtung im Zeitablauf auch variieren kann. Als Größenordnung: Per Ende 2013 waren in Deutschland über 54 Prozent in Fixed-Income-Assets investiert. Aber auch andere Asset-Klassen bieten mittelfristig­ Schutz gegenüber LDI-relevanten Risiko­faktoren und müssen im Gesamtkontext des ALM berücksichtigt werden.

Was steht für Sie im Vordergrund? Sensitivitäts- oder Cashflow-Matching? Ist auch das in Deutschland und England verschieden? 
In England ist es auf jeden Fall das Sensitivitäts-Matching. Aber erst mal grundsätzlich: Ein reines und vollständiges Cashflow-Matching wäre die ideale Welt. Jede künftige Zahlung wäre dann heute schon im Portfolio­ eins zu eins abgesichert. Das würde automatisch auch ein vollständiges Sensitivitäts-­Matching bedeuten. Es verbliebe nur noch das Counterparty-Risiko und die Notwendigkeit der Finanzierung. Das ist aber leider ein rein theoretisches Modell, denn bereits die Auszahlungsprofile stellen selbst nur Erwartungen dar, die sich jederzeit ändern können – die Vielzahl an Einflussfaktoren wurde eben bereits beschrieben.
Wenn beim Begriff Cashflow-Matching eher an langfristige, inflationsgelinkte Investments, wie Infrastruktur, gedacht wird, können diese zwar im Portfolio-Kontext attraktiv sein, bieten aber aus LDI-Sicht keine Absicherung gegen die Barwertschwankung der Verpflichtung und eignen sich daher nicht zum Sensitivitäts-Matching.
Grundsätzlich steht daher Sensitivitäts-Matching im Vordergrund – auch in England. Wir haben etwa die Hälfte der Assets in das LDI-Mandat investiert. Das heißt aber nicht, dass auch die Hedge Ratio immer bei 50 Prozent­ liegt, sondern gesteuert werden kann. Das ist nur möglich, wenn das Hedging derivativ erfolgt.


Um flexibel zu bleiben?

Um flexibel zu bleiben und um eine gewisse­ Implementierungseffizienz sicher­zustellen. Wenn der Großteil der Assets in Staats­anleihen angelegt würde, wäre das weniger­ lukrativ und damit nicht vermittelbar. Ein Unter­nehmen refinanziert sich über den Kapital­markt. Wenn wir dieses Kapital­ in niedriger verzinsliche Staatsanleihen investierten,­ wäre­ das per se nicht sinnvoll. Deswegen­ erfolgt eine­ derivative Umsetzung und die Hedge Ratio­ wird als unabhängiger Faktor gesteuert.

Wie sähe die optimale Aufteilung zwischen Matching- und Return-Seeking-Portfolio aus? Kann man das sagen?
Man kann das sagen, aber nur auf einer­ sehr individuellen Ebene. Es hängt davon ab, welches Ziel mit dem LDI-Ansatz verfolgt wird und welches Risikobudget zur Verfügung steht. Geht es um eine größtmög­liche Reduktion der Schwankungsbreite der Finanzierungs­lücke, dann ist zwangsläufig­ ein recht großer Anteil der Assets dem Matching-Portfolio zuzuordnen. Hierzu ist gleichwohl eine Ausfinanzierungsquote über 100 Prozent notwendig, da Staatsanleihen­renditen deutlich unterhalb von Corporate Bonds notieren. Die optimale Aufteilung kann also nicht allgemein festgelegt, sondern nur als Ergebnis einer individuellen ALM-Studie ermittelt werden, in die der aktuelle Funded-Status, mögliche Dotierungen und aktuelle Bewertungsniveaus am Kapitalmarkt einfließen. Im Gesamtkontext ergibt sich hieraus eine strategische Asset-Allokation ­unter Berücksichtigung verschiedener Risiko­budgetanforderungen dieser Allokation. Diese Studien steuern wir mittlerweile intern.
 
Es ist eher unüblich, ALM-Studien inhouse zu machen.
Stimmt, es bietet dafür aber die ­Chance, zügig auf Marktdynamiken zu reagieren und unabhängig von externen Kapitalmarkt­annahmen arbeiten zu können. Außerdem wird das Ergebnis und dessen Treiber transparent – ein wichtiger Aspekt. Denn ALM ist letztlich nur ein strukturierter Entscheidungsprozess einer komplexen Fragestellung. Das heißt natürlich nicht, dass wir die Meinungen und Analysen anderer Kapitalmarkt­teilnehmer einfach ignorieren. Wir nutzen externe Informationen, beispielsweise um unsere­ eigenen Renditeprognosen zu hinterfragen.

Das ist ein klares Bekenntnis der Führungsebene: Man nimmt das Thema Pensions sehr ernst.
Absolut, das Thema Pensions ist bei uns ein Bestandteil der Finanzstrategie. Wir hatten­ zu Beginn bereits über die Bedeutung des IAS-19-Defizits für das Rating gesprochen. Das ist nicht das alleinige, aber ein wichtiges Argument für ein zentrales Pensions­management.

Ihre Pensionsverpflichtungen liegen bei rund 17 Milliarden Euro. Wie teilt sich das auf?
Die Pensionsverpflichtung ist zu einem großen Teil unseren Kernländern Deutschland und England zuzuordnen. Daneben bestehen Verpflichtungen in vielen anderen Regionen, zum Beispiel in Schweden, Spanien und Frankreich. Auch deshalb ist es wichtig, zentral zu verstehen, welche Einflussfaktoren auf die Rückstellung wirken.

Kümmern Sie sich auch um diese Pensionsverpflichtungen in der Zentrale oder gibt es eigene Teams in den jeweiligen Ländern?
Wir haben in der Zentrale in Düsseldorf eine globale Einheit, die sich mit strategischen Fragen des Pensionsmanagements beschäftigt­ und unter anderem die ALM-Studien erstellt. Für die größeren Vehikel haben wir zusätzlich spezialisierte Asset-Management-Teams, die sich um die Kapitalanlage und das Portfoliomanagement kümmern.

Wie ist es um den Ausfinanzierungsgrad der Pensionsverpflichtungen derzeit bestellt?
Wenn wir auf die Accounting-Bewertung per Ende 2013 schauen, sind wir in England bei einer Funding Ratio von ungefähr 90 Prozent. In Deutschland sind wir bei über 75 Prozent. Wir sind also insgesamt vergleichsweise hoch ausfinanziert.

Gibt es Pläne, noch weiter zu gehen, vielleicht Richtung 100 Prozent?
Die Frage hierbei ist, ob die 100 Prozent wirklich erstrebenswert sind. Unsere Grundmaxime ist, neue Ansprüche in die Vehikel zu dotieren. Allerdings haben wir auch noch Pensionsvehikel, die nicht Planvermögen nach IAS 19 darstellen. Dies und die nachteilige Behandlung eines Overfundings durch die Rating-Agenturen lassen eine Ausfinanzierungsquote von unter 100 Prozent sach­gerecht erscheinen.

Wir stecken mitten im Niedrigzinsumfeld, ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Wenn man die Ausfinanzierungsquoten erhöht, steigt typischer­weise der LDI-Anteil im Portfolio.
Ist ein Ausbau angesichts dessen derzeit überhaupt sinnvoll?
Das ist eine Frage, die wieder nur sehr individuell unter der jeweiligen Zielsetzung eines­ Unternehmens zu beantworten ist. Letztlich hängt es von der Alternativverwendung ab.
Nach unserem Eindruck dotieren die Unter­nehmen derzeit eher stärker in ihre Pensionsvermögen. Das kann ja auch Sinn machen, denn Dotierung bedeutet nicht auto­matisch das Investment in Staatsanleihen oder den Ausbau der LDI-Quote. Ein breit diversifiziertes­ Portfolio bietet heute sicherlich eine attraktivere Renditeerwartung, als das Geld kurzfristig anzulegen.

Momentan sieht es nicht nach einem baldigen Zinsanstieg aus. Dennoch meine Frage: Was passiert, wenn die Zinsen steigen?
Zunächst sinkt mit steigenden Zinsen der Verpflichtungsbarwert. Das sorgt aus Pensions­sicht natürlich für eine gewisse Erleichterung.

Es gibt aber auch die Kehrseite.
Richtig. Die Frage dabei ist: Wenn der Verpflichtungsbarwert fällt, wird in einem LDI-Ansatz auch der Vermögenswert im Portfolio fallen. Das ist in Kombination kein schlechter Effekt, weil die LDI-Idee ja gerade auf die Finanzierungs­lücke und nicht den Asset-Wert zielt. Jedoch besteht sicherlich eine kommunikative Herausforderung, da ein schrumpfendes Vermögen auf den ersten Blick Fragen aufwirft. Grundsätzlich ist es wichtig, die Mechanismen des LDI-Ansatzes laufend transparent zu machen.

Es ist nicht trivial, einen solchen LDI-Ansatz prozessual aufzusetzen. Was waren die größten Herausforderungen, mit denen Sie sich auseinandersetzen mussten?
Die Implementierung ist bei uns schon ein paar Jahre her, daher konzentriere ich mich auf unsere wesentlichen Erfahrungen. Zunächst muss klar sein, was mit einer ALM-Studie oder einem LDI-Ansatz überhaupt erreicht werden soll. Eine solche Zielvorstellung zu definieren, ist keineswegs einfach, sondern das Ergebnis vieler unterschied­licher Ideen und Faktoren.
Die zweite Herausforderung ist die Analyse der Verpflichtungsstruktur und der entsprechende Datenbedarf. Es werden Informationen benötigt, die in der Vergangenheit vielleicht nicht regelmäßig abgefragt wurden, also­ zunächst gesammelt werden müssen. Hier ist eine enge Kooperation mit dem Aktuar­ nötig.
Die nächsten Fragen stellen sich bei der Durchführung der ALM-Studie, beispielsweise bei der Definition zulässiger Investments.­ Eine derivative LDI-Strategie erfordert möglicherweise Instrumente, die bislang in der Kapitalanlage nicht zulässig oder gewünscht waren. Es geht also auch um eine Anpassung der Governance. Auch die laufende Begleitung eines­ LDI-Mandats ist eine Herausforderung. Die bestehenden Verpflichtungen entwickeln sich ständig weiter, es gibt neue Zusagen. Das Umfeld und die Regulierung verändern sich. Entsprechend muss auch die LDI-Strategie regel­mäßig weiterentwickelt werden.

Wenn man an LDI denkt, denkt man zuerst an Staatsanleihen und Linker. Welche Asset-Klassen würden Sie noch den LDI zuordnen? Sie hatten vorhin Corporate Bonds erwähnt.
Zunächst sind natürlich alle Asset-Klassen Teil der ALM-Studie. Wenn es um die isolierte­ Betrachtung eines LDI-Mandats geht, sind vor dem Hintergrund des IAS 19 aus Accounting-Sicht Corporate Bonds die wichtigste­ Anlageklasse. Neben Anleihen eignen sich für das Hedging auch derivative Instrumente, insbesondere Zins- und Inflations­swaps.

Was findet sich im Return-Seeking-Portfolio?
Man könnte sagen: Das Return-Seeking-Portfolio ist eine Weiterentwicklung des früheren Asset-Only-Portfolios. Es geht aber nicht mehr um ein reines Investment in Aktien­ und Credit. Anhand unseres UK-Portfolios wird das deutlich: Die eine Hälfte ist das LDI-Mandat, die andere Hälfte des Portfolios investiert breit diversifiziert in verschiedene Anlageformen, auch in Alternative Investments.

Immobilien sind in Großbritannien Bestandteil des Return-Seeking-Portfolios. Wie ist es in Deutschland?
Immobilieninvestments sind auch in Deutschland ein wesentlicher Teil unserer strategischen Asset Allocation und machen etwa zehn Prozent des Portfolios aus.

Das ist eine recht hohe Quote. Steckt auch der Gedanke des Inflationsschutzes dahinter?
Inflation sollte primär vor dem Hintergrund der Verpflichtungsstruktur analysiert werden, vor allem hinsichtlich der Renten­anpassungsregelungen. Dadurch wird Inflation zu einem Thema für das LDI-Konzept und ist nur indirekt über das Return-Seeking-Portfolio abgedeckt. Wir berechnen daher den theoretischen Inflationsschutz eines Aktien- oder Immobilieninvestments nicht.

Momentan steht das Thema Inflation ohnehin eher im Hintergrund. Vielmehr wird von deflationären Tendenzen gesprochen.
Wenn wir das Thema Inflation einfach ignorierten, würden wir einen Fehler machen. Es muss im Rahmen einer ganzheit­lichen Pensionssteuerung auf der Agenda bleiben – allein schon aufgrund der Rentendynamik. Selbst in einem deflationären Szenario sind Zusagen normalerweise in ihrer Anpassung bei null Prozent nach unten begrenzt, so dass auch bei negativen Inflationsraten ein Anpassungsrisiko besteht. Ähnlich wie auf der Zinsseite ist also das Verständnis des Inflations­exposures wichtig, um über die Sinnhaftigkeit einer Absicherung entscheiden zu können.

In Deutschland wird derzeit viel über Infrastruktur,­ allen voran Erneuerbare Energien, gesprochen. Ist das ein Thema für Sie? Immerhin­ korreliert es sehr stark mit Ihrem Kerngeschäft.
Das operative Geschäft ist mit Sicherheit bei der Kapitalanlage zu beachten. In unseren Pensionsanlagen konzentrieren wir uns daher auf Infrastrukturinvestments jenseits des Kerngeschäfts.

Als Investments sind Rohstoffe ausgesschlossen. Gilt das auch für Unternehmensanleihen aus Ihrem Haus? Wie ist es grundsätzlich mit Ihrer Branche?
Als festes Ausschlusskriterium sind alle­ von der E.on SE emittierten Finanztitel zu nennen. Ganze Branchen haben wir nicht aus dem Investmentuniversum gestrichen.

Ein wichtiger Einflussfaktor für die Pensionsverpflichtungen, den Sie bereits ansprachen, ist die Langlebigkeit. Laut IWF führt ein Jahr höhere Lebenserwartung zu drei bis vier Prozent höheren Verpflichtungen. Wie gehen Sie mit diesem Risiko um?
Langlebigkeit ist wie erwähnt kein kurzfristiges Bewertungsrisiko, sondern eine­ langfristige Cashflow-Frage. Tatsächlich sind aber noch keine wirklich liquiden, markt­gängigen und damit effizienten Instrumente zur Absicherung verfügbar, es besteht also nur die Möglichkeit, sich gegen diesen Anstieg zu versichern inklusive der damit verbundenen Kosten. Die Absicherung der Langlebigkeitsrisiken ist damit vor allem eine Frage des Pricings.­

In Großbritannien ist einiges in Bewegung. Es gibt immer mehr Unternehmen, die Longevity­ Swaps abgeschlossen haben. Ist das ein Thema bei Ihnen?
Der englische Markt ist interessant, zeigt aber auch die Komplexität des Themas. So bestehen beispielsweise verschiedene Bewertungsebenen. Im Accounting werden marktübliche Standardtafeln genutzt. Die Sicherungs­transaktionen basieren aber auf individuellen Bewertungen zwischen Verkäufer und Käufer, in der Regel Rückversicherungen. Diese müssen zum einen eine Risikoprämie und zum anderen eine Gewinnmarge berücksichtigen. Die Frage ist, wie groß der Unterschied zwischen der Accounting-Annahme und dieser Versicherungsbewertung ist. Ein hoher Einmaleffekt ist eine wichtige Hürde bei der Umsetzung – nicht nur für uns, sondern generell. Der englische Markt ist also­ interessant, um die Mechanismen zu verstehen, aber nicht automatisch Anlass für eine entsprechende Transaktion.

Abschließend würde ich gern wissen: Ist Verzicht auf Mehrertrag der Preis, den man für ein LDI-Portfolio zahlt?
Das ist eine Frage der Perspektive und der Vergleichsallokation. Aus einer Asset-only-­Sicht und im Vergleich zu einem reinen Aktien­portfolio hat eine LDI-Strategie tatsächlich eine geringere Renditeerwartung.
Durch das sinkende Zinsniveau ist jedoch gerade seit 2008 der Verpflichtungsbarwert stark gestiegen. Eine LDI-Strategie hätte diesen Effekt auf der Asset-Seite nachgebildet und dadurch die Finanzierungslücke stabil gehalten. Mit Blick auf den Finanzierungs­status können die risikoadjustierten Renditen­ eines LDI-Mandats sogar attraktiver sein als reine Aktien- oder Credit-Renditen. Das ist letztendlich aber abhängig von der ganz individuellen Zielsetzung des Investors und seinem­ individuellen Risikoappetit.

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 2/2015

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