Strategien
28. September 2015

Investoren verabschieden sich von fossilen Energieträgern

Immer mehr Investoren weltweit kehren Investitionen in fossile Energieträger den Rücken. Inzwischen stehen Vermögen im Wert von 2,6 Billionen US-Dollar hinter einer Dekarbonisierung.

Die Dekarbonisierung institutioneller Portfolios schreitet voran. Immer mehr Großanleger weltweit entschließen sich dazu, ihre Investitionen in fossile Energieträger abzustoßen und stattdessen in klimafreundliche Lösungen zu investieren. Diese Entwicklung spiegelt sich in den aktuellen Zahlen zur Divest-Invest-Bewegung wider. Innerhalb eines Jahres konnte die im Januar 2014 gegründete Bewegung die Zahl ihrer Anhänger von 181 auf 430 Institutionen mehr als verdoppeln. Die Zahl der Privatpersonen hat sich auf mehr als 2.000 mehr als verdreifacht. Das Vermögen, das sich dahinter verbirgt, ist noch beeindruckender: 2,6 Billionen US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieses um das 50-Fache gestiegen. Im September 2014 waren es noch rund 50 Milliarden US-Dollar. Mit 95 Prozent entfällt der Großteil des Vermögens auf Pensionsfonds und private Unternehmen.
„Diese Zahlen sagen uns vor allem eines, nämlich dass die Ausstiegsbewegung massiv an Fahrt gewinnt“, erklärte May Boeve, Geschäftsführerin von 350.org. Und sie fügte hinzu: „Seit ihren Anfängen in einigen US-amerikanischen Colleges fand sie weltweit Anklang bei Menschen, die sich für den Klimawandel interessieren, und brachte einige der größten und einflussreichsten Institutionen der Welt dazu, ihre Gelder aus der Klimazerstörung abzuziehen. Das lässt mich für die Zukunft hoffen und ist ein klares Signal an die Politiker aus aller Welt, die nach Paris reisen: Es wird Zeit, dass sie es uns nachtun und dass unsere Regierungen ebenfalls aus Unternehmen aussteigen, die mit fossilen Energieträgern zu tun haben.“
Wie aus dem Bericht über die Entwicklung der Divest-Invest-Bewegung hervorgeht, stammen die Institutionen und Privatpersonen, die sich dazu bekennen, fossilen Brennstoffen den Rücken zuzukehren, aus 43 Ländern und zahlreichen Sektoren, darunter Pensionsfonds, Gesundheits- und Bildungsorganisationen, gemeinnützige Organisationen, Glaubensgemeinschaften, Unterhaltungskonzerne, Klimainstitutionen und Kommunen. Darunter finden sich auch neun deutsche Adressen, wie die RS Group und Wermuth Asset Management. Wie der Ausstieg der Teilnehmer der Bewegung konkret erfolgt, ist unterschiedlich. Manche haben alle Unternehmen, die etwas mit fossilen Energieträgern zu tun haben, verkauft – die großen und die kleinen. Andere fangen mit Kohle und/oder Ölschiefer an. Mehr dazu ist in demBericht von Arabella Advisors zu erfahren. Dort sind auch alle Institutionen aufgelistet.  
Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die sich der Disvest-Invest-Bewegung angeschlossen haben, sind die kalifornische Pensionskasse Calpers, der kanadische Ärzteverband, der Weltkirchenrat, die University of California mit mehreren Standorten sowie die Leonardo-DiCaprio-Foundation. Auch die norwegische Pensionskasse KLP ist seit einigen Monaten mit dabei. Im November 2014 entschloss sich die Einrichtung dazu, sich von den Unternehmen zu trennen, die 50 Prozent und mehr ihres Gewinns mit kohlebasierten Aktivitäten erzielen. Zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung erwartete KLP, dass Aktien und Bonds im Wert von rund 60 Millionen US-Dollar betroffen sind. Diese sollen verkauft und im Bereich der Erneuerbaren Energien investiert werden. Im Mai dieses Jahres zog dann auch der Staatsfonds von Norwegen nach. Der Finanzausschuss des Parlaments in Oslo beschloss einstimmig, dass der norwegische Staatsfonds seine Anteile an Energie- und Bergbauunternehmen verkaufen soll, bei denen das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent am Geschäft ausmacht. Für den Fonds bedeuten diese Vorgaben für Investitionen in die klimaschädliche Kohleindustrie, dass er sich wohl aus 50 bis 75 Unternehmen zurückziehen muss. Die Beteiligungen seien umgerechnet zwischen vier und fünf Milliarden Euro wert.     
Klimawandel ist eine neue Renditevariable
Dass Portfolios mit Vermögenswerten, die von fossilen Energieträgern abhängen, ein erhebliches bezifferbares Risiko aufweisen, haben bereits verschiedene Finanzanalysen von HSBC, Citigroup, Mercer, der Bank of England und der Internationalen Energieagentur gezeigt. In ihrer Studie „Investing in a time of climate change“ kommt beispielsweise Mercer zu der Erkenntnis, dass die Klimapolitik ein Risikofaktor ist, der für ein Portfolio zwar nicht wichtiger als die Aktien- oder Kreditrisikoprämien ist, aber zumindest potenziell bedeutender als andere Faktoren, wie die Illiquiditätsprämie.  
Für die Studie hat Mercer vier Klimaszenarien mit verschiedenen Erwartungen für die globale Erwärmung modelliert, um daraus den Einfluss auf die Portfoliorenditen abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass jedes Szenario die Rendite der verschiedenen Asset-Klassen unterschiedlich stark beeinflusst, wobei wachstumsorientierte Assets, wie Aktien, Private Equity und Sachwerte, sensitiver auf den Klimawandel reagieren als defensive Assets, wie Cash oder Staatsanleihen. Das Worst-Case-Szenario, das bis 2050 von einer Erderwärmung um vier Grad ausgeht, würde sich auf alle Asset-Klassen und deren jährlichen Renditen niederschlagen. Insbesondere Wald- und Agrarinvestments bekämen den negativen Einfluss zu spüren. Im Best-Case-Szenario, das bis 2050 eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf zwei Grad annimmt, gäbe es für das Gesamtportfolio eines langfristig diversifizierten Investors hingegen keine negativen Auswirkungen. Schwellenländeraktien, Infrastruktur, Immobilien, Wald und Agrikultur würden in diesem Szenario sogar profitieren. Für Agrikultur erwarten die Studienmacher einen „median additional annual return“ von über 80 Basispunkte, für Infrastruktur von rund 60 Basispunkten sowie für Waldinvestments und Schwellenländeraktien von mehr als 40 Basispunkten. Mit leicht negativen Auswirkungen wird unterdessen bei Aktien aus den entwickelten Märkten und Private Equity, insbesondere in den besonders stark betroffenen Sektoren, wie dem Kohlebereich, gerechnet. Die Schätzungen gehen von über 40 Basispunkten aus. 
portfolio institutionell newsflash 28.09.2015/Kerstin Bendix
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