3. Dezember 2014

Investoreninterview: Unser täglich Brot

Wer sich mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beschäftigt, der ­sollte sich nicht nur auf Asset-Klassen, Ausschlusskriterien, Mandate und Overlay-Konzepte ­konzentrieren. Um die Kapitalanlage der Landeskirche wirklich zu verstehen, darf ein Blick auf die Personalstruktur, den Haushalt und die Einnahmeseite nicht fehlen.

Heinz Thomas Striegler im Gespräch mit Tobias Bürger 

Herr Striegler, Sie fungieren bei der ­EKHN seit vier Jahren als Leiter der Kirchen­verwaltung. Bereits seit zwölfeinhalb Jahren sind Sie ­Finanzchef. Das klingt, als seien Sie viel beschäftigt.
Ich arbeite gerne für die EKHN und ­begrüße insbesondere die Breite meines Aufgabenspektrums. Dies gilt auch für meine Aufsichtsrats- und Verwaltungstätig­keiten für die Evangelische Zusatzversorgungskasse (EZVK), die Evangelische Ruhegehaltskasse Darmstadt (ERK) und die Evangelische Bank.

Wo wir gerade von Ihrem Aufgabenspektrum sprechen: Die EKHN hat sich als Mitglied des Arbeitskreises Kirchliche Investments mit anderen Landeskirchen vernetzt. Und Sie ­haben auch dort den Vorsitz inne. Inwieweit ist ­Ihre Kirche aber mit der ebenfalls hier in ­Darmstadt ansässigen Evangelischen Ruhe­gehaltskasse verbunden?
Wir haben unsere Beamtinnen und ­Beamten sowie unsere Pfarrerinnen und Pfarrer dort rückversichert und Teile der ­Altersversorgung über die Evangelische ­Ruhegehaltskasse geregelt. Genauer gesagt, haben wir etwa zwei Drittel der gesamten Altersversorgungsansprüche über die ERK rückgedeckt, ein Drittel lastet auf unseren jährlichen Haushalten.

Und wie sorgen Sie für die Ruheständler vor?

Wir haben vor mehr als 20 Jahren die ­sogenannte Versorgungsstiftung der Evan­gelischen Kirche in Hessen und ­Nassau ­gegründet. Sie soll genau dieses Drittel­ der Altersversorgung, das nicht über die ­Ruhe­gehaltskasse abgeschirmt ist, aus Kapital­anlageerträgen decken und damit den kirchlichen Haushalt entlasten.

Die EKHN umfasst das Rhein-Main-Gebiet, Teile der umliegenden Mittelgebirge, Rheinhessen und Teile von Rheinland-Pfalz. Wie sieht Ihr Aufgabenspektrum aus?
Ich leite die Kirchenverwaltung und zugleich das Finanzdezernat. In dieser Funktion trage ich die Verantwortung für den Haushalt der Gesamtkirche der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und bin verantwortlich für die Kapitalanlage, und damit meine ich insbesondere unsere Rücklagen, die wir aufgebaut haben, um Haushaltsschwankungen auszugleichen.

Woraus resultieren diese Haushaltsschwankungen? Wenn man die finanzielle Lage der Kirchen in Deutschland betrachtet, kommt man nicht umhin, die ständig sinkende Zahl der Kirchenmitglieder zu erörtern. Bitte ­skizzieren Sie auch die Einnahmeseite.
Die Zahl unserer Mitglieder sinkt in der Tat. Der Verlust hat zur einen Hälfte demografische Gründe – mehr Bestattungen als Taufen. Die andere Hälfte verursachen die Kirchenaustritte. Der allmähliche Mitgliederverlust wird sich langfristig auch finanziell niederschlagen, indem die Kirchensteuer in kleinen Schritten hinter der Entwicklung der Lohn- und Einkommensteuer zurückbleibt.
Unsere Gesamteinnahmen im Haushalt betragen in diesem Jahr rund 556 Millionen Euro. Mit 80 Prozent entfällt das Gros unserer Haushaltsmittel auf Kirchensteuer­einnahmen, die natürlich auch von der Einkommensteuerentwicklung und der Konjunktur abhängig sind.
Wenn es unseren Mitgliedern gutgeht und sie hohe Einkünfte erzielen, dann haben wir höhere Kirchensteuereinnahmen. Von daher ist das Kirchensteueraufkommen ein klares Spiegelbild der Konjunktur. In rezessiven Phasen verdienen die Arbeitnehmer nun mal weniger. Und entsprechend haben wir in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts deutliche Einnahmeverluste erlitten.
Aber zurück zu Ihrer Frage, was ­unsere Einnahmeseite betrifft. Wir erhalten auch Verwaltungseinnahmen beziehungs­weise Kostenerstattungen, staatliche Zuschüsse und kirchliche Zuweisungen. Darüber hinaus fließen die Vermögenserträge unserer Kapital­anlagen in unseren Haushalt ein.

Warum haben Sie verschiedene Rücklagen installiert. Und wie sehen diese im Detail aus?
Zunächst einmal möchte ich die all­gemeine Rücklage aufgreifen. Deren Vermögen dient dazu, allgemeine Einnahmeschwankungen abzufedern. Wir hatten beispiels­weise in den Jahren 2002 bis 2004, als ich hier ­angefangen habe, Haushalts­fehl­beträge in ­einer Größenordnung von zusammen ­etwa 60 ­Millionen Euro.
Diese Summe fehlte, um die laufenden Ausgaben zu decken. ­Außerdem wollen wir unseren Personal­bestand auch in konjunkturell schwachen Phasen ­stabil ­halten. Von ­daher streben wir ein Rücklagenpolster in Höhe eines Haushaltsjahres an.

Ist das Ziel in Sichtweite?
So könnte man das mit reichlich gutem Willen formulieren. Wir haben zurzeit etwa 460 Millionen Euro im allgemeinen Rück­lagenvermögen angesammelt. Demnach fehlen gemessen am aktuellen Haushalts­volumen knapp 100 Millionen Euro, bis unser Ziel erreicht ist.

Bevor wir auf die Kapitalanlagen zu sprechen kommen, erläutern Sie bitte, wofür die Haushaltsmittel verwendet werden.
Die Haushaltssystematik der EKHN teilt die Ausgaben sowohl nach inhalt­lichen als auch nach organisatorischen und nach ­regionalen Kriterien auf. Der größte ­Posten entfällt auf Personalausgaben, etwa im ­Pfarrdienst. Auch betreiben wir rund 600 Kindertagesstätten in unserem Kirchengebiet und beteiligen uns als Träger mit einem Kirchen­steuer­-Finanzierungsanteil von etwa 40 ­Millionen Euro an den laufenden Kosten.
Zuweisungsempfänger sind aber auch zum Beispiel die Diakonie Hessen, die Evangelische Hochschule Darmstadt, unsere drei evangelischen Schulen und der Evangelische Entwicklungsdienst. Dort verwendet man das Geld natürlich auch hauptsächlich für ­Personalkosten. Wenn man das alles berücksichtigt, haben wir eine Personalkostenquote von knapp 75 Prozent.

Inwiefern sind Sie angesichts der üppigen Personalkosten von der demografischen Entwicklung betroffen?
„Üppig“ kann ich nur im Sinne von „­notwendig hohen“ Personalkosten gelten lassen. Aber natürlich bedeuten diese ­eine besondere Sensibilität der Finanzlage im Verhältnis zur Einnahmeseite. Denn unsere ­Mitglieder sind im Schnitt sogar etwas ­älter als der Durchschnitt der Bevölkerung, das heißt die demografische Entwicklung ist in unserem Mitgliederbestand noch spür­barer als in der Gesamtbevölkerung.
Nach meiner Einschätzung werden wir in den 20er Jahren­ dieses Jahrhunderts zum ersten Mal die ­Situation erleben, dass sich die demo­grafische Entwicklung deutlich auf ­unsere Einnahmesituation auswirkt.

Die absehbar negative demografische Entwicklung ist eigentlich nichts Neues.
Das stimmt schon. Meine Vorgänger­kollegen haben bereits in den 1980er Jahren vor demografischen Effekten gewarnt, dass die Kirchensteuereinnahmen darunter ­leiden werden und dass wir uns darauf einstellen müssen.
Fakt ist aber, dass dieser Tatbestand durch die Lohnsteigerungen, die Steuerpro­gression und andere Umstände bislang immer ­wieder kompensiert werden konnte. Unsere Kirchen­steuereinnahmen sind daher über die vergangenen Jahre hinweg absolut gestiegen. Wenn Sie allerdings die Einnahmeseite unter­ Berücksichtigung der Inflation, also unter Kaufkraft-Gesichtspunkten betrachten, kommen wir für unsere Landeskirche auf eine ­Seitwärtsentwicklung. In manchen anderen Landeskirchen, denen es nicht ganz so gut geht wie uns, ist ein leichter Abwärtstrend bei den realen Kirchensteuereinahmen zu konstatieren.

Und doch machen Sie sich Sorgen wegen der demografischen Entwicklung.
Ja, denn im nächsten Jahrzehnt treten die geburtenstarken Jahrgänge unserer Mitglieder in den Ruhestand. Das Einkommens­niveau dieser Jahrgänge wird deutlich sinken und damit auch die Kirchensteuerzahlungen. Und das wird zum ersten Mal, glaube ich, nicht mehr kompensiert werden können durch Steuerprogression und andere Effekte.

Ihre Landeskirche wird also erstmals mit ­nennenswerten realen Einnahmerückgängen rechnen müssen?
Ja. Und dazu kommt in dieser Phase noch eine deutlich ansteigende Versorgungs­belastung. Grund dafür ist eine ungleich­mäßige Einstellungspolitik früherer Jahrzehnte. Und dieses rächt sich jetzt.

Das müssen Sie erläutern.
Zwischen 2019 und 2029 geht mehr als die Hälfte unserer gesamten Pfarrer­schaft – also über 800 Personen – in den ­Ruhestand. Damit steigen die Ruhestands­verpflichtungen rapide an. Wobei man an ­dieser ­Stelle ­unterscheiden muss zwischen unseren ­eigenen Haushaltsverpflichtungen und der eingangs erwähnten­ Ruhegehalts­kasse, die sich natürlich auf diese­ Herausforderungen ­einstellt. Aber das von mir skizzierte­ Drittel der Ruhestandszahlungen, das bei uns im ­Haushalt finanziert wird, das steigt deutlich an.

Von welchem Aufwand sprechen wir?
Nun, es geht um einen Anstieg von ­etwa acht Millionen Euro im Jahr. Und diese ­Kosten müssen wir ungeachtet etwaiger sinkender Einnahmen verkraften können. Von daher müssen wir geschickte Vorsorge betreiben, damit wir auf diese Entwicklung, die wir jetzt schon absehen können, vorbereitet sind. Und das tun wir auch.

Sagen Sie mir bitte, wie.
Wir haben die sogenannte Versorgungsstiftung gegründet, die zurzeit einen Ab­deckungsgrad der Verpflichtungen von über 100 ­Prozent hat. Und darüber hinaus haben­ wir die allgemeine Rück­lage, damit wir Schwankungen auf der Einnahmeseite auch aus­halten können und nicht von Jahr zu Jahr überstürzt bei den Aus­gaben ­gegensteuern müssen.
Als öffentlich-recht­liche ­Körperschaft sind wir meines ­Erachtens verpflichtet, gegenüber der ­Öffentlichkeit absolute Trans­parenz zu zeigen. Aber es ist mir auch persönlich ein wichtiges Anliegen, dass die Menschen verstehen, dass unsere Rücklagen kein Selbstzweck sind und wir nicht wie Dagobert Duck auf einem Geldsack sitzen und Millionen horten, sondern dass es für unsere Rücklagen konkrete Zielsetzungen gibt, die nicht aus der Luft ­gegriffen sind.

Lassen Sie uns konkreter über Ihre Kapital­anlagen ­sprechen.
Wir haben vier Vermögenstöpfe. Dazu zählen – wie bereits erläutert – das Rück­lagenvermögen und die Versorgungsstiftung. Daneben haben wir ein signifikantes Treuhandvermögen der Kirchengemeinden sowie die Kirchbaurücklage.

Bitte beziffern Sie die Rendite der damit in ­Verbindung stehenden Kapital­anlagen.
Im Jahr 2013 haben wir je nach Risikostruktur in den einzelnen Rücklagetöpfen Renditen zwischen 4,1 und 8,7 Prozent ­erzielt. Langfristig haben wir in den verschiedenen Vermögensbereichen durchschnittliche Renditen zwischen 3,7 und 6,4 Prozent erzielt.

Ich habe recherchiert, dass der Versorgungsstiftung Kapitalanlagen­ mit einem Buchwert von rund 546 Millionen Euro zuzurechnen sind. Die Kirchbaurücklage wiederum ist etwa 192 ­Millionen Euro schwer. Was muss ich mir denn unter einer solchen Kirchbaurück­lage vorstellen?
Die Kirchbaurücklage wurde vor sechs Jahren von der Synode auf unseren Vorschlag hin beschlossen.

Zum Verständnis: Eine Synode besteht aus gewählten Laien und Geistlichen, die die ­Gesamtheit der Kirchenmitglieder repräsentieren.
So ist es. Genauer gesagt hatten wir ­eigentlich eine Kirchbaustiftung vorge­schlagen, und die Synode hat daraus eine Kirchbaurücklage gemacht, die aber wie eine Stiftung behandelt werden soll. Aus den Erträgen dieser Kirchbaurück­lage, die im Moment einen Marktwert von 207 Millionen Euro­ hat, lassen wir uns die ordentlichen Erträge jährlich ausschütten. Im ­vergangenen Jahr waren das viereinhalb ­Millionen Euro, die Sie übrigens im Haushaltsplan finden können, denn der Betrag war eingeplant. Die Erträge dienen dazu, die enormen Belastungen der Kirchengemeinden mit der Kirchbauunterhaltung zu reduzieren; wir sprechen hier von mehr als 1.200, meist denkmalgeschützten Kirchengebäuden. Nun stellen Sie sich vor, das Dach ­einer Kirche muss saniert werden, da sind Sie schnell bei Kosten von 200.000 Euro und mehr. Das ist für ­eine kleine Kirchengemeinde enorm viel Geld. Und von daher war es wichtig, diese Kirchbaurücklage zu gründen und die Kirchen­gemeinden langfristig an dieser Stelle deutlich zu entlasten. Diesen Sinn und Zweck hat die Kirchbaurücklage.

Der Begriff „Rücklage“ klingt in ­meinen Ohren nach Substanz. Wie sehen Sie das?
Als wir die Kirchbaurücklage ins Leben gerufen haben, mussten wir unser Augenmerk darauf legen, das Vermögen, das zunächst keine stillen Reserven enthielt, vor Verlusten zu schützen. Dabei geholfen hat uns ein Risiko-Overlay.
Wir waren auch aus Reputationsgründen gezwungen, in ­diesem Anlagetopf zusätzliche Risiko­absicherungsinstrumente einzusetzen. Inzwischen haben wir ­eine ­Wertuntergrenze in diesem System von etwa 194 Millionen ­Euro. Damit überhaupt breit diversifiziert ­angelegt werden konnte, mussten wir mit ­einer niedrigen Wertuntergrenze beginnen, es gab ja ­keine stillen Reserven.

Ohne Risikospielraum geht es nicht. Sonst kommt man nicht vom Fleck.
Sie sagen es. Ansonsten hätte man keine nennenswerten Erträge generieren können. Im Bereich des Rücklagenvermögens haben wir auf ein Risiko-Overlay bewusst verzichtet. Da haben wir als besondere Allokations­variante unter anderem drei Best-of-Two-Mandate aufgelegt. Die mandatierten Fondsmanager dürfen von null bis 100 Prozent Aktien, Renten oder Kasse halten. Ihr Ziel ­besteht darin, die am besten abschneidende Asset-Klasse ex post zu übertreffen. Einer der Manager hat das über vier Jahre erreicht, als wir die Struktur aufgelegt haben. Die anderen sind nicht weit davon entfernt.
Wir haben bewusst auf unterschied­liche Stile gesetzt und sind mit den Fonds­managern recht zufrieden. Auch wenn wir bislang im allgemeinen Rücklagevermögen kein ­Risiko-Overlay installiert haben, überlegen­ wir dennoch, ob wir nicht eine Art „Schwarzer-Schwan-Overlay“ einziehen.

Wenn wir Ihre Gesamtanlagen ­betrachten, von welchem Anlagevolumen sprechen wir?
Nach Marktwerten von derzeit etwa 2,4 ­Milliarden Euro.

Nun unterhalten Sie auch Treuhandvermögen für andere kirchliche Einrichtungen.
Der Betrag von etwa 750 Millionen Euro ist darin enthalten.

Für wen treten Sie als Treuhänder auf?

Ausschließlich für unsere Kirchen­gemeinden und kirchlichen Stiftungen.

Wie muss ich mir Ihr Bankgeschäft vor­stellen? Geben Sie einen Garantiezins auf Festgeld?
Ja, jeweils für ein Jahr. Wir müssen uns aber die Freiheit herausnehmen, den Zinssatz jährlich anzupassen, sonst ­hätten wir irgendwann ein Problem. Wir müssen auf ­etwaige Marktverwerfungen ­reagieren ­können. Aber zurzeit haben wir noch ein Zinsversprechen für dieses Jahr von viereinhalb Prozent für kirchliche Stiftungen mit der Nebenabrede, dass diese Gelder mindestens fünf Jahre bei uns angelegt sein müssen.
Und für Tagesgeld der Kirchengemeinden und sonstigen kirchlichen Körperschaften bieten wir 2,5 Prozent. Ich will aber nicht ausschließen, dass das Niveau bei einer ­weiter anhaltenden Niedrigzinsphase nach unten angepasst wird.

Wie erwirtschaften Sie die Differenz zwischen den tatsächlich am Markt für vergleichs­weise sichere Anleihen erzielbaren Renditen und Ihrem bemerkenswerten Garantiezins?
Wir haben eine sehr breit diversifizierte Anlagestruktur. Grundsätzlich versuchen wir, sehr kontrolliert Risiken einzugehen. Im Bereich des Treuhandvermögens beispielsweise haben wir zusätzlich ein Risiko-Overlay installiert, um uns dort vor starken Marktverwerfungen zu schützen. Die Durchschnitts­rendite, die wir in den vergangenen zehn Jahren im Treuhandvermögen erzielt haben, liegt bei etwa 3,7 Prozent per annum. Und wenn ich die ordentlichen Erträge betrachte, die für die Ausschüttung ­relevant sind, dann versuchen wir, die Kapital­anlage so zu strukturieren, dass wir einen möglichst hohen Cashflow generieren.
Aber in den vergangenen zwei Jahren war es nicht mehr möglich, ­allein durch ordentliche Erträge diese Zinsverpflichtungen zu bedienen, stattdessen mussten wir auch einen Teil der außerordentlichen Erträge einkalkulieren. Das können wir aber getrost machen, weil wir über ein Polster verfügen. Denn über Jahrzehnte konnten im Treuhandvermögen stille Reserven aufgebaut ­werden. Etwa elf Prozent stille Reserven ­haben wir derzeit im Treuhand­vermögen. Und dieses Polster gibt uns die Möglichkeit, Zinsversprechen für ein Jahr abzugeben.

Inwieweit spielt Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage für Sie eine Rolle?
Unsere gesamten ­Kapitalanlagen unter­legen wir ethisch-nachhaltigen Anlagericht­linien. Und wir achten sehr streng auf die Einhaltung. Die Richt­linien, die im Bereich der Evangelischen ­Kirche in Deutschland veröffentlicht sind, strahlen an der ein oder anderen Stelle ­einen gewissen Pragmatismus aus, beispielsweise im Aktien­bereich mit ­einer Negativliste und einem gewissen ­Toleranzbereich. Was wir prinzipiell ausgeschlossen haben, sind Beteiligungen an ­Unternehmen in den Sektoren Glücksspiel, Tabak und Rüstungsgüter. Aber auch Unternehmen, die Produkte herstellen, die die Menschen­würde durch Verunglimpfen und erniedrigende Darstellungen von Personen verletzen. Keine ­Toleranzgrenze oder, anders ausgedrückt, ­eine Toleranzschwelle von null gibt es für Unternehmen, die sogenannte geächtete Waffen herstellen oder an solchen Unternehmungen, und sei es auch noch so gering, beteiligt sind. Außerdem schließen wir ­Hersteller von ­Spirituosen mit einem Alkohol­anteil über 15 Prozent aus. Denn manche Kirchen unter­halten selbst Weingüter, ohne­ dass dies ethisch verwerflich erscheint. Alles andere wäre inkonsequent.

Die Evangelische Kirche hat den Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage veröffentlicht. Welchen Stellenwert nimmt dieser Leitfaden für Sie und Ihre Kollegen ein?
Dieser handliche Leitfaden ist, glaube ich, inzwischen eines der auflagenstärksten Publikationen der Evangelischen Kirche in Deutschland geworden. Er wird demnächst in der dritten Auflage erscheinen. Wussten Sie, dass er auch auf Englisch übersetzt wurde, weil das Interesse an diesem Leitfaden ungeheuer groß war?

Nein, aber ich habe eine deutschsprachige Ausgabe im Büro.
Wir erfreuen uns eines sehr großen I­nteresses, insbesondere aus der Investmentbranche. Und inzwischen gibt es bereits die ersten Produktangebote, die den Leitfaden der Evangelischen Kirche in Deutschland einhalten. Es wäre schön, wenn die Angebotsvielfalt weiter steigt.

Würden Sie mir bitte einen Überblick geben, wie Ihre Kapitalanlagen grundsätzlich strukturiert sind?
Die Anlagen haben wir nach den vier verschiedenen Sondervermögen gestaffelt. Das heißt, je nachdem, ob wir über das Treuhandvermögen, das Rücklagenvermögen, die Kirchbaurücklage oder die Versorgungs­stiftung sprechen, haben wir es in der Anlage mit unterschiedlichen Bausteinen und ­Themen zu tun.

Warum haben Sie die Anlage nicht vereinheitlicht?
Ganz einfach, weil alle vier Sonder­vermögen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Über alle Sondervermögen hinweg haben wir ­einen Aktienanteil von etwa 27 Prozent. Aber wenn wir nur das Treuhandvermögen ­betrachten, liegt die Aktienquote bei etwa 18 Prozent.
Im Rücklagenvermögen wiederum liegt der Aktienanteil um die 33 Prozent. Und was die erst vor ­wenigen Jahren ­initiierte Kirchbaurücklage betrifft, sind wir bei etwa zehn Prozent. Ansonsten haben wir den Anteil deutscher Staats­anleihen in den letzten ­Jahren deutlich zurückgefahren, weil wir an dieser Stelle kein angemessenes Risiko-Rendite-­Profil mehr ­gesehen haben. Dann haben wir natürlich noch weitere­ europäische Staatsanleihen mit guter Bonität sowie einen ­großen Block europäischer Unternehmensanleihen – ebenfalls mit weit überwiegend guten Bonitäten. Aber auch Wandelanleihen, dänische Pfandbriefe und globale Rentenmandate gehören zu unserem Portfolio.

Inwieweit wollen oder können Sie die ­Substanz Ihres Vermögens erhalten?
Indem wir auch versuchen, Inflations­gefahren bei der Kapitalanlage zu berücksichtigen. Das ist aber leichter gesagt als ­getan. Unser vor 2008 initiiertes europäisches ­Inflation-linked-Bonds-Mandat hat sich am Anfang auch als ganz sinnvoll erwiesen. Nach der Finanzkrise fiel dann aber zuerst Griechenland heraus, dann folgten Italien und Spanien als große Emittenten. Vor etwa zwei Jahren haben wir auch Frankreich ­herausgenommen, weil uns das zu unsicher wurde. Und da blieb nur noch Deutschland als Emittent von Inflation-linked Bonds im europäischen Raum in dem Mandat übrig.

Was ist aus dem Mandat geworden?
Wir mussten das Mandat komplett ­umstellen auf vorwiegend Bonds aus den ­Benelux-Staaten und skandinavischen ­Ländern und auch australische Bonds. Wir haben zwar keine Verluste damit gemacht, aber die ­Krise der Staatsfinanzen hat uns zu deutlichen ­Korrekturen gezwungen, auch weil uns gute Bonitäten wichtig waren und sind. Im Hinblick auf den Inflationsschutz müssen wir versuchen, auf sehr vielfältige Weise zu agieren. Unsere Aktienquote ­betrachte ich nach wie vor als ein Stück Inflationsschutz. Und ­deswegen bin ich auch froh, dass wir ­eine ­solche Aktienquote als langfristige Anleger haben können.
Wir werden sie jetzt leicht ­reduzieren müssen, weil wir neue ALM-Studien erwarten. Und ein Teilergebnis besteht darin, dass wir in unserem allgemeinen Rücklagen­vermögen aus Risikogründen die Aktien­quote etwas reduzieren müssen.

Was ist die Ursache dafür?
Unsere Vorgaben. Wir erörtern mit unseren Gremien, welche Risikotoleranzgrenzen, insbesondere im Rücklagenvermögen, wir haben sollten. Ein Ergebnis der neuen Risikovorgaben besteht darin, dass die Aktienquote nicht höher sein darf als rund 30 Prozent.

Wer verwaltet bei Ihnen die Gelder?
Ausschließlich externe Manager. Wir ­machen keine Eigenverwaltung, außer im Rahmen unseres Liquiditäts­managements. In begrenztem Umfang arbeiten wir mit ­Indexfonds. Wenn es mehr nachhaltige Indizes gäbe, an die man entsprechende Produkte knüpfen könnte, wäre dies in unserem Sinne, dann könnten wir auch mehr passiv anlegen. Nur, das ist bisher eher eine ­Nischensituation. Und von daher haben wir ganz überwiegend aktive Mandate.

Können Sie die Kosten der Kapitalanlage in Basispunkten beziffern?
Unsere Kosten liegen durchschnittlich zwischen 30 und 40 ­Basispunkten.

Inwieweit arbeiten Sie mit Kirchenbanken zusammen?
Eng, insbesondere mit der Evangelischen Bank in Kassel. Wir haben dort zwei Mandate aufgelegt und sind an einem nachhaltigen Publikumsfonds beteiligt. Sie ist in gewisser Weise unsere Hausbank.

Lassen Sie uns über Berichtspflichten und die öffent­liche Wahrnehmung sprechen.
Wir sind natürlich berichtspflichtig, und das auf jährlicher Basis. Mir kommt es vor, als würde dieser Aspekt in der Öffentlichkeit immer ernster genommen. Sie fordert das förmlich ein, wogegen nichts einzuwenden ist. Gleichzeitig bedeutet das zunehmende Maß an Öffentlichkeit, dass man immer ­kontrollierter mit Risikosituationen ­umgehen muss.
Ich bin schon viele Jahre im Finanzbereich tätig. Im Laufe der Zeit hat sich das ­Anforderungsprofil in dieser ­Hinsicht ­immer stärker ausgeprägt. Und das bedingt, dass man sich im Zweifel eher risiko­averser ­aufstellen muss, damit man die Form der ­Kapitalanlagen in der Öffentlichkeit auch ­jederzeit vertreten kann.

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2014

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