Strategien
30. September 2020

Klima wandelt Portfolios

Die Temperatur ist ein neues Steuerungselement für die Kapital­anlage und Investoren sollen dazu beitragen, den Klimawandel zu begrenzen. Die konkrete Gestaltung erläuterten auf der Jahreskonferenz ein Staatssekretär, Klima- und ESG-Experten und Anleger.

Fünf Monate nach dem eigentlichen Termin – aber trotzdem ein „perfektes Timing“: Dies bescheinigte das Bundesministerium der Finanzen in Person von Staatssekretär Dr. Jörg Kukies der portfolio institutionell Jahreskonferenz und deren Wahl des Schwerpunktthemas, dem Klimawandel. „Der Anlass der Konferenz und unsere Sustainable-Finance-Strategie ist zeitlich perfekt geplant“, so der diesjährige Keynote-Sprecher, für den es nach eigenem Bekunden die erste Live-Veranstaltung seit einem halben Jahr war. Ein gutes Timing war es aber auch deshalb, weil der Konferenztag zwischen der kurzfristigen Ankündigung und der Emission der ersten ­grünen Bundesanleihe war. Deren Timing wiederum mag gerade im Vergleich zu anderen Staaten als etwas spät erscheinen. Hierzu verwies der ehemalige Goldman und Juso-Vorsitzende ­Kukies auf die vielen Gedanken, die man sich bezüglich Haushaltsordnung und Liquiditätserfordernisse machen musste und die zu hohen ­Ansprüchen an Strukturierung und Emissionsprogramm führten.

Kukies: I want you!

Für Staatssekretär Kukies stimmte aber nicht nur die Zeit, sondern insbesondere auch der Ort – und damit die Möglichkeit vor ­wichtigen Kapitalanlegern zu sprechen. Diese braucht es nämlich zur Finanzierung der Sustainable-Finance-Strategie des Bundes. „Wir verlassen uns auf Sie“, präsentierte Kukies im Berliner ­Tempodrom die deutsche Version des „I want you“ von Uncle Sam. „Mitnehmen“ will der Bund nämlich nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Finanzbranche. Kukies begründete dies damit, dass die Umleitung von Kapitalströmen die Finanzwirtschaft direkt betrifft. Darum plädierte er für eine enge Zusammenarbeit von ­Politik, Investoren und Anbietern. Kukies betonte aber auch, dass der Staat nicht nur am Geld der Investoren, sondern auch an deren Eingaben interessiert ist: „Die Qualität der Regulierung ist nur so gut, wie auch die Praxis reflektiert wird. Es braucht den Input der Investoren. Beteiligen Sie sich also bitte an den Konsultationen.“ Zum Schaden der Anleger soll es nicht sein, wenn diese ihre Assets in nachhaltigere Investitionsformen umleiten und so die Transformation der Wirtschaft mitfinanzieren. Kukies verwies ­hierzu auf mehr Möglichkeiten zur Diversifikation und auf die ­einschlägigen Studien, die ergeben, dass Nachhaltigkeit der Rendite bekommt. Bei Green Bonds des Bunds wird die Rendite aber rot bleiben.

Den Austausch mit Finanzinvestoren suchen – und finden – auch Klimawissenschaftler. „Der Klimawandel ist in der Wirtschaft ­angekommen“, freut sich Prof. Dr. Hermann Lotze-Campen, Agrar­ökonom und Nachhaltigkeitsforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dies zeige sich auf der ­Jahreskonferenz auch daran, dass es ein Staatssekretär aus dem ­Bundesfinanzministerium ist, der zu den Pariser Zielen und weiteren Nachhaltigkeitsthemen spricht. „Das ist sehr wichtig. Denn im Rahmen der uns bevor­stehenden umfangreichen Transformation spielen Sustainable ­Finance und Investitionen allgemein eine wichtige Rolle.“ Lotze-Campen adressiert aber nicht wie sein Vorredner nur Anleger, ­sondern auch diesen selbst: „Diese Finanzierung muss im Zusammenspiel mit den richtigen politischen Instrumenten erfolgen.“

In seinem Vortrag referierte Lotze-Campen über die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels – und zwar, wenn dieser ­begrenzt oder nicht begrenzt wird. Zu Beginn erläuterte der Klimaexperte die kurzfristige Dringlichkeit eines langfristigen Problems. Die Emissionen seien in der Vergangenheit stetig angestiegen, ­führen zu langfristigen Veränderungen und können nicht so schnell abgebremst werden. „Der Bremsweg ist lang. Wer ­langfristig Änderungen bewirken will, muss früh beginnen. Je später der ­Beginn, desto schwieriger.“ Zudem muss der Kampf gegen den ­Klimawandel eine globale Anstrengung sein. „Der Anstieg der Emissionen ist global und beschleunigt sich – und dieses Problem lässt sich nicht auf nationaler Ebene lösen. Wir sitzen alle im ­gleichen Boot.“

2 Grad, 20 Prozent, 200 Euro, 2 Prozent

Bislang sei die Menschheit immer noch auf einem Emissions-Pfad, der im Vergleich zum Beginn der Industri­alisierung zu einer globalen Erwärmung um drei bis vier oder ­sogar um fünf Grad führe. Damit verbunden und bereits zu beobachten: steigende Meeresspiegel, schmelzende Gletscher, ausfallende Ernten. „Hinzu ­kommen Extremereignisse wie Wirbelstürme, Überschwemmungen, Hitzeperioden Dürren. Diese treten zwar immer nur lokal auf, aber je öfter und je verbreiterter, desto größer sind die wirtschaft­lichen Auswirkungen“, warnt Klimaforscher Lotze-Campen, der hinzufügt, dass die sich erwärmende Meeresoberfläche die ­destruktive Kraft der Wirbelstürme verstärkt. „In einer ­dynamischen, komplexen Atmosphäre mit steigender Erwärmung kommt es ­zunehmend zu chaotischen Prozessen und zunehmend zu kombinierten Extremereignissen.“

Die Folgen sind beträchtlich und betroffen ist nicht zuletzt die Volkswirtschaft. Lotze-Campen verweist unter anderem auf das Auftreten von Infektionskrankheiten in neuen Regionen sowie auf eine Wechselwirkung zwischen Ernährung und Gesundheit: ­Regionale Ernteausfälle führe zu jahrzehntelangen Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität und damit auf den Wohlstand. Wenn nun die globale Erwärmung auf das Pariser Zwei-Grad-Ziel ­begrenzt wird, geht die Wissenschaft davon aus, dass die stärksten Schäden zumindest abgemildert werden. Die genaue Umrechnung der ­Klimaschäden in volkswirtschaftliche Kosten ist jedoch eine ­Herausforderung. Im Wesentlichen ­deshalb, weil die Schäden erst in ferner Zukunft auftreten. Es brauche also eine „soziale Diskontrate“, also eine Wohlstandsberechnung für kommende Generationen. „Das Problem ist also, dass die Kosten in der Zukunft auf­treten, wir aber jetzt schon handeln müssen“, so Lotze-Campen. Zu diesem Problem der „Zeit-Verteilung“ kommt die ungleiche regionale Verteilung. Arme Länder werden meist härter getroffen sein. Lotze-Campen: „Kombiniert man nun die Kosten dieser Effekte, müssen wir damit rechnen, dass die künftige Wirtschaftsleistung 20 Prozent niedriger ausfällt. Eine weitere Rechnung des Klima­experten betrifft die sozialen Kosten, die der Gesellschaft durch das Freisetzen einer Tonne CO₂ aufgebürdet werden. Lotze-Campen nennt hier einen Betrag von 200 Euro. Im Klimapaket der Bundesregierung wird die Tonne CO₂ dagegen mit nur 25 Euro ver­anschlagt – und zwar erst im nächsten Jahr. Die ­ursprüngliche ­Planung: zehn Euro. Doch auch 25 Euro bedeuten eine zu zaghafte Vorgehensweise, da alles, was jetzt nicht getan wird, später sehr beschleunigt werden muss, um noch das 2-Grad-Ziel zu erreichen.

Eine um 20 Prozent niedrigere Wirtschaftsleistung sollte ein gutes Argument dafür sein, den Klimawandel zu bekämpfen. Doch auch eine wirksame Begrenzung verursacht Kosten. Gern wird argumentiert, dass man mit der Bekämpfung des Temperaturanstiegs besser warten sollte, bis sich der Wohlstand der Menschheit weiter erhöht. Schließlich betrifft die Transformation viele Sektoren und von einem höheren Wohlstandsniveau aus werde es einfacher für die Menschheit, sich an den Klimawandel anzupassen. „Die ­Risiken eines ungebremsten Klimawandels werden wahrscheinlich eher unterschätzt“, meint dagegen Lotze-Campen. „Dagegen kommt ­eine effiziente Vermeidungsstrategie, mit der man rechtzeitig ­beginnt und die durch effiziente politische Maßnahmen begleitet wird, deutlich günstiger.“ Die Kosten für diesen Weg beziffert ­Lotze-Campen mit zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Dieser Wert stelle quasi eine Art Versicherung gegen sehr negative Überraschungen dar. Deutlich teurer käme dagegen die Ambition, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zu den politischen Maßnahmen zählt Lotze-Campen Finanzierungsinstrumente und klare Preispfade. „Hier ist der CO₂-Preis von zentraler Bedeutung. Die relativen Preise bestimmen, wohin die Investitionsströme ­fließen. Dies ist auch für die Technologieentwicklung relevant.“

„Die Kosten für die Vermeidung fallen heute an, die Kosten des ­Klimawandels deutlich später – und fallen dann aber auch deutlich höher aus. Umso wichtiger ist die Vermeidung“, fasst Lotze-­Campen seinen Vortrag zusammen. „Man muss die Maßnahmen rechtzeitig ergreifen. Abzuwarten ist keine hilfreiche Option.“ Am Ende brauche es aber beides: Vermeidung und Anpassung.

Disabling und Enabling

Diese abschließenden Gedanken finden sich auch in der Präsentation von Ernst Rauch, Chefklimatologe der Munich Re. Der Weg hin zum Pariser 2-Grad-Klimaziel werde aber kein leichter sein. Rauch bescheinigt der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad eine Radikalität. Schließlich werden heute 40 ­Milliarden Tonnen CO₂ emittiert – und bis 2050 sollen es netto Null ­Emissionen sein. „Ein hochambitionierter Emissions-Reduktionspfad erfordert ‚Negativemissionen‘ vor dem Jahr 2050“, erläutert Rauch. Wie ambitioniert der Pfad ist, lässt sich an der Steilheit der von Rauch präsentierten Paris-kompatiblen CO₂-Emissionskurve erkennen. Dieser Kurve müssen die investierten Assets ent­sprechen. Die große Frage ist nun, wie die Politik diesen Pfad ­gestalten will. Unsicherheiten bestehen, insbesondere dazu, wie lange sich die ­Umsetzungen verzögern. Dieser Punkt stellt sich auch unter regionalen Gesichtspunkten, siehe USA oder Brasilien. Offensichtlich ist aber, dass sich in Europa die regulatorische ­Begleitung auf die Assets auswirkt.

Die Münchener Rück beschäftigte sich schon in den 70er-Jahren mit Geo-Risiken und Naturgefahren. Rauch: „Schon damals wurde gesehen, dass sich Schadenmuster verändern.“ Im Fokus hatte man schon immer physische Risiken, in zunehmendem Maße aber auch Haftungs- und Kapitalanlagerisiken. Der Klimawandel führt zu einem steigenden Bewusstsein für Klimarisiken. „ESG-Über­legungen sind nun ein übergreifendes Thema für Investitionsentscheidungen. Bei der Munich Re ist dabei die Klimaperspektive von besonderer Bedeutung.“

Unterschieden wird bei der Versicherung zwischen Disabling und Enabling. Rauch: „Disabling beschreibt vor allem den Rückzug aus Kapitalanlagen. Vor einigen Jahren haben wir begonnen, uns von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Seit kurzem ziehen wir uns hier auch auf der Versicherungsseite zurück.“ Enabling – für Rauch das Herzstück des Munich-Re-Ansatzes – bezieht sich ­dagegen nicht nur auf die Asset-, sondern auch auf die Liability-­Seite. Rauch erwähnt hier den Beitritt zur Net Zero Asset Owner Alliance und einen Meilensteinplan zur Messung der Fortschritte. „Die Enabling-Maßnahmen haben einschneidende Konsequenzen für das Portfoliomanagement“, so Rauch und verweist auf den ­Einstieg in Erneuerbare Energien und die Finanzierung neuer Technologien. Letzteres ist „ganz entscheidend“ für Rauch: „Das Umschalten auf neue Technologien muss gelingen.“ Hierfür geht die Munich Re auf der Liability-Seite ins Risiko, um die Investierbarkeit von neuen Technologien zu erleichtern. Neue Wege ­beschreitet die Munich Re auch bezüglich Unterstützungen ­anderer Unternehmen mit Software-Services.

Während sich die anno 1880 gegründete Munich Re fast 100 Jahre mit der Beschäftigung mit ESG-Themen Zeit lassen konnte, bekam der Kenfo eine nachhaltige Anlagerichtlinie bereits in die Wiege ­gelegt. Errichtet wurde der „Fonds zur Finanzierung der kern­technischen Entsorgung“ als öffentlich-rechtliche Stiftung auch erst im Juni 2017. Eine bedeutende Rolle innerhalb der Nachhaltigkeit nehmen die Pariser Klimaziele ein. „Festzulegen, welche ­Themen für uns eine besonders relevante Rolle spielen, ist für uns besonders wichtig, da wir mit Politik und Asset Managern viele ­externe Stakeholder haben“, erläutert Dr. Anil Gürtürk, ESG-Beauftragter des Kenfo. Ähnlich wie die Munich Re verfolge man einerseits Ausschlüsse von beispielsweise besonders umweltschädlichen Themen. „Nicht-zukunftsfähige Segmente wie Kohle oder Fracking schließen wir aus“, so Gürtürk. Weitere Umsetzungsvarianten beinhalten Best-in-Class-Ansätze und das Thema Transformation, in dem der Kenfo Fortschritte und Verbesserungen der ­Unternehmen durch seine Gelder unterstützen will. Gürtürk: ­„Gerade in diesen Unternehmen wollen wir investiert sein. Das ist für uns attraktiv.“ Flankiert wird die nachhaltige Kapitalanlage durch Engagements. Teil der Umsetzung ist aber auch, dass man seit März dieses Jahres wie die Munich Re Mitglied der bereits ­erwähnten Net Zero Asset Owner Alliance ist. „Diese Mitgliedschaft ist für uns die logische Schlussfolgerung aus unserer ­Klimastrategie.“ Die Zusammenarbeit mit anderen Ownern ­optimiere Engagement-Prozesse. Durch die Bündelung könne man wirksamer gegenüber der Realwirtschaft auftreten.

Noch lassen sich Klimaziele erreichen

Ein kleiner Exkurs: Auch Corona hat den Klimawandel nicht ­gestoppt. Passend zur Jahreskonferenz ist ein neuer Bericht ­führender Wissenschaftsorganisationen, United in Science 2020, ­erschienen. Laut diesem ist die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf Rekordniveau und nimmt weiter zu. Die ­Emissionen bewegen sich in Richtung des Niveaus vor der ­Pandemie, nachdem sie durch die Abschottung und die wirtschaftliche Verlangsamung vorübergehend zurückgegangen sind. Die Temperaturen tendieren zu einem Weg, der nicht zu dem in Paris vereinbarten Ziel führt, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten. „Transformational action can no longer be postponed if the Paris Agreement targets are to be met“, heißt es in dem Bericht. Das „Emission Gap“ wird von den Klimaforschern im Jahr 2030 auf zwölf bis 15 Gigatonnen CO₂ geschätzt, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Für das 1,5-Grad-Ziel wird die Lücke auf 29 bis 32 Gigatonnen CO₂ geschätzt. Es sei aber immer noch möglich, die Lücke zu schließen. Dies erfordere aber dring­ende und konzertierte Maßnahmen aller Länder und Sektoren. Ein wesentlicher Teil des kurzfristigen Potenzials könne durch den Ausbau bestehender, bewährter Politiken realisiert werden, zum Beispiel in Bezug auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, kohlenstoffarme Transportmittel und einen Ausstieg aus der Kohle­förderung. Über das Jahr 2030 hinaus seien neue technologische Lösungen und eine allmähliche Veränderung der Konsummuster auf allen Ebenen erforderlich. Nimmt die Politik den Bericht ernst, wird der Druck auf Finanzinvestoren weiter steigen, nachhaltig, und zwar insbesondere klimaschonend, zu investieren.

In seinem Eingangs-Statement erwähnte Anil Gürtürk auch die „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) der G20. Diese Expertenkommission hat Empfehlungen zu einer ­einheitlichen Klimaberichterstattung für Unternehmen herausgegeben. „Wir unterstützen die Transformation hin zu besserer ­Datenverfügbarkeit. Valide, gute Informationen seitens der Unternehmen sind für uns essenziell und dies fordern wir von den ­Unternehmen und von den Asset Managern in ihren Reportings auch ein“, sagt Gürtürk, der auch begrüßt, dass die Asset Manager mit Unterstützung der Datenanbieter mehr und mehr eigenes ­Research aufgebaut haben. „Am Ende ist es wichtig, gute Daten zu haben, um so zu einer eigenen Meinung zu kommen.“

Wie die Empfehlung der Task Force kann natürlich auch Regulierung im Sinne von Klimaschutz und Anlegern einheitliche und ­damit durchschlagskräftigere Rahmenbedingungen schaffen. Die Praxis ist jedoch manchmal anders. Von Co-Moderatorin Martina Macpherson, einer ESG-Expertin von Moody‘s, nach der Pluralität der Regulatorien befragt, antwortet Thomas Kruse, CIO von ­Amundi Deutschland: „Einerseits gibt es die EU-Taxonomie, also eine Verordnung, die gesetzesgleich für alle europäischen Länder gilt. Darüber hinaus gibt es aber auch noch verschiedene nationale Regulatorien, wie zum Beispiel in Frankreich oder in Deutschland mit dem Bafin-­Merkblatt.“

Regulatorik: Problem der Pluralität

Eine Pluralität erkennt Kruse aber auch bei den Label-Anbietern, die die Fonds zertifizieren. „Das macht es in Summe nicht ­leichter“, so Kruse. Die unterschiedlichen Daten sind auch für Amundi ein Thema. Europas größter Asset Manager, der bis 2021 für alle ­eigenen Assets ein ESG-Rating haben und nach ESG-Prozessen managen will, nutzt gleich neun Datenzulieferer. Die große ­Thematik: „Wie erstellen wir ein eigenes, individuelles Rating?“ Wie Kruse berichtet, beschäftigen sich bei Amundi 35 hauseigene Experten mit der Analyse und Zusammenführung der Daten der externen Provider zu einem Rating. Kritisch ist hier beispielsweise die Gewichtung der Daten, die dem jeweiligen Sektor gerecht ­werden muss. Der von Thomas Kruse geschilderten Thematik muss sich auch der Kenfo stellen. „Dadurch, dass wir mit vielen ­externen Asset Managern und Datenanbietern arbeiten, erhalten wir Reportings mit Divergenzen“, führt Kenfos Anil Gürtürk aus. „Diese Divergenzen machen die Steuerung und Kontrolle des Portfolios nicht einfacher. Deshalb begrüßen wir jede Standardisierung und Harmonisierung.“

Nachhaltigkeit allein ist kein Risikomanagement

Diskutiert wurde auch, ob die ESG-Reportings beziehungsweise ob eine nachhaltige Kapitalanlage auch einen Beitrag zum Risiko­management leistet. Staatssekretär Kukies betont in seiner ­Keynote, dass grün nicht mit Wirtschaftlichkeit und Risikolosigkeit gleichzusetzen ist. Risikobewertung müsse getrennt von Nachhaltigkeit laufen. Bafin-Präsident Felix Hufeld warnte sogar bereits, dass eine grüne Kapital-Regulierung die Risikoorientierung gefährdet. Auch Thomas Kruse zeigt sich diesbezüglich skeptisch: „ESG kann das bisherige Risikomanagement nicht ersetzen.“ Gleichwohl schaffe ESG aber Performance-Vorteile und wirke sich positiv auf die ­Reputation aus.

Wie der Vormittag der Jahreskonferenz zeigt, sorgt der Klimawandel nicht nur für ökologische Änderungen, sondern erfordert auch große administrative Anstrengungen der Finanzinvestoren. Denn: Das Klima wandelt eben auch Portfolios – und abwarten, darüber waren sich alle Referenten einig, ist keine Option.

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