Strategien
26. Juli 2019

Klima wandelt Portfolios

Bereits mittelfristig haben Klimarisiken starke, materielle Auswirkungen auf Rendite und Risiko und sind somit Teil der treuhänderischen Pflichten. Kurzfristig stehen Investoren vor dem Problem, geeignete Anlagen zu finden. Schon ab 2025 können jedoch nur diejenigen Investoren mit auskömmlichen Renditen rechnen, die bereits jetzt Klimarisiken in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen und sich auf die anstehende Transformation vorbereiten.

Nicht nur Öl und Gas betroffen

Auch deshalb reporteten die 215 größten Unternehmen weltweit der Non-Profit Organisation CDP (ehemals Carbon Disclosure Project) potenzielle Verluste aufgrund von Klimarisiken in Höhe von fast einer Billion Dollar, von denen die meisten schon in den nächsten fünf Jahren akut werden. Gleichzeitig identifiziert die Analyse Geschäftsmöglichkeiten in Höhe von 2,1 Billionen Dollar. Es ist also absehbar, dass der Megatrend Klimawandel schon kurzfristig – und nicht erst in einigen Jahrzehnten, wenn sich die klimatischen Veränderungen voll auf die Umwelt auswirken – Gewinner und Verlierer produzieren wird. „Über die üblichen Discounted-Cashflow-Modelle schlagen sich auch erwartbare künftige Einnahmeverluste, etwa als Ergebnis von Stranded Assets, direkt in aktuellen Bewertungen nieder“, so Michael Schmidt. „Davon ist auch die ressourcenintensive deutsche Industrie betroffen.“ Dazu passt eine Umfrage der UBS und des Nachrichtenportals Responsible Investor unter globalen institutionellen Investoren. Diese sprechen systemischen Umweltfaktoren die größten materiellen Auswirkungen auf Investments in den kommenden fünf Jahren zu – noch vor finanziellen und geopolitischen Faktoren.

Noch größer sind die mittel- und langfristigen Verschiebungen. Eine Untersuchung des Thinktanks Carbon Tracker ermittelte 2015 im Zeitraum bis 2025 allein für die Öl- und Gasindustrie 2,2 Billionen ¬Dollar an überschüssigen Investitionen, welche inkompatibel mit einem Klimaschutz-Szenario der internationalen Energieagentur IEA sind und deshalb mit starken Risiken behaftet sind. Das Thema Klimarisiken betrifft aber nicht nur die Öl- und Gasindustrie, die bereits erste Effekte der Transformation spürt. Neben der gesamten Energiebranche sind vor allem der Transport, Immobilien, die verarbeitende Industrie sowie die Landwirtschaft betroffen. Dabei lassen sich physische Risiken und Transformationsrisiken unterscheiden. Physische Risiken sind durch konkrete Klimaveränderungen hervorgerufene Schäden und Ausfälle – man denke an Stürme und Dürren, an von Überschwemmung bedrohte Immobilien, aber auch die Transportprobleme von BASF durch das niedrige Rheinwasser im November 2018, aufgrund der zeitweilig die Produktion des Kunststoffvorproduktes TDI eingestellt werden musste. Transformationsrisiken sind dagegen Risiken, die durch den Umbau hin zu einer kohlenstoffdioxidarmen Ökonomie schlagend werden.

Mit physischen Risiken kennen sich unter Deutschlands institutionellen Investoren wohl am besten die Rückversicherer wie die Münchener Rück aus, berühren diese doch unmittelbar ihr Geschäftsmodell. Sturm- und Hochwasserschäden verhagelten dieser 2017 die Bilanz. Schäden von 340 Milliarden Dollar weltweit, von denen rund 138 Milliarden Dollar von Versicherern aufgebracht werden müssen, wertete die Münchener Rück als Weckruf. „Experten erwarten, dass durch den Klimawandel bei bestimmten Wetterkatastrophen gerade extreme Ereignisse zunehmen. 2017 gewährte daher in gewisser Hinsicht einen Blick in die Zukunft“, so das für das Rückversicherungsgeschäft zuständige Vorstandsmitglied Dr. Torsten Jeworrek. Die Konsequenz daraus: Kohlerisiken sollen – zumindest in Industrieländern – nicht mehr versichert werden, in der Kapitalanlage steigt Munich Re bei Aktien und Anleihen aus allen Unternehmen aus, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen. Noch weiter geht die Allianz: Diese will bis 2050 klimaneutral werden. Dafür legte der Chef der Münchener Rück, Joachim Wenning, rhetorisch nach: In einem Interview mit der Financial Times forderte er einen hohen Preis auf einen CO₂-Ausstoss, konkret nannte er einen Preis nach schwedischem Modell von 115 Euro pro Tonne Kohlendioxid – annähernd eine Verfünffachung gegenüber den aktuellen Preisen des europäischen CO₂-Zertifikatehandelssystem.

Abrupte Transformation ab spätestens 2025

Sollte ein solch starker Preisanstieg kommen, würde dies zum einen die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten besser widerspiegeln, welche das Bundesumweltamt 2018 auf rund 180 Euro pro Tonne CO₂ taxierte. Zum anderen veränderte dies das Geschäftsmodell großer Emittenten, was sich in Transformationsrisiken in den Portfolien institutioneller Investoren niederschlagen würde. Umfassend untersucht die Investoreninitiative PRI derzeit die Risiken einer abrupten Transformation. PRI geht dabei von einer unvermeidlichen -politischen Reaktion (Inevitable Policy Response, IPR) bis 2025 aus. „Man muss eine sehr irrationale Person sein, um zu denken, dass keine politische Reaktion auf die globale Erwärmung erfolgen wird“, so Fabian. Dies heiße jedoch nicht, dass Klimaschutzbemühungen auch tatsächlich erfolgreich sind und das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden kann. Dass es aber starke Anpassungsbemühungen seitens der Staaten geben wird, steht für ihn fest. Die IPR ist somit eine Art Backstop-Szenario für den Fall, dass die Dekarbonisierung der Ökonomie in den nächsten fünf Jahren weiterhin so langsam vorangeht.

Für die Zeit nach einer Policy Response rechnet PRI mit einem starken Anstieg der Volatilitäten, welche Gewinner und Verlierer stark voneinander trennen wird. Deshalb ist es wichtig, sich als Investor frühzeitig darauf vorzubereiten. Eine Möglichkeit, das Portfolio -hinsichtlich Klimarisiken zu überprüfen, sind Klimastresstests und Szenarioanalysen. Diese sind jedoch sehr umfangreich, so Ockenga vom GDV, sodass sich kleinere Versicherungen damit schwertun. „Auch fehlen oftmals vergleichbare Daten, insbesondere über längere Zeiträume.“ Aber auch ohne umfangreiche Stresstests lässt sich das Portfolio wappnen. Hierzu lassen sich laut Fabian drei Schritte unterscheiden: Erstens sollten Investoren besser verstehen, wie sie ihre Portfolien durch die Phase erhöhter Volatilität steuern können. Flexibilität lässt sich hier durch weitere Grenzen bei der SAA, insbesondere in Bezug auf illiquide Asset-Klassen, gewinnen. Zweitens sollte bereits jetzt ungewolltes Exposure zu Klimarisiken reduziert werden. Dabei hilft, sich von Unternehmen und Staatsanleihen zu trennen, die besonders stark von Klimarisiken betroffen sind und dafür Exposure in CO₂-armen Assets aufzubauen. Drittens sei es auch wichtig für Investoren, vorausschauend künftige Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren, so Fabian. Denn viele Pensionskassen sind derzeit sehr stark abhängig von Dividendeneinkommen etwa von Öl- und Gasfirmen. Wenn sehr schnell zwischen zehn und 20 Prozent der Dividendeneinkünfte wegfallen, geraten diese Pensionskassen unter starken Druck. Deshalb ist es wichtig, bereits jetzt Alternativen zu finden.

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