Investoren
28. Oktober 2022

Klimaschutz der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Die Net-Zero Asset Owner Alliance ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Ihre Assets under Management umfassen inzwischen über zehn Billionen Euro. Das Bündnis aus institutionellen Vermögenseignern muss sich jedoch profilieren, denn auch die Nicht­mitglieder entwickeln sich beim Thema Klimaschutz weiter.

Die Net-Zero Asset Owner Alliance (kurz: Alliance oder AOA) gibt es nun seit fast vier Jahren. Zu Beginn des Jahres 2019 hatte sie sechs Gründungsmitglieder – darunter die deutsche Allianz-­Gruppe. Heute hat die weltweit bedeutendste Klimainitiative institutioneller Vermögenseigner 75 Mitglieder und ist über 10,6 Billionen US-Dollar schwer. Weitere deutsche Mitglieder der Alliance sind außerdem die Munich Re, der „Atomfonds“ Kenfo, die Bayerische Versorgungskammer, die Gothaer Versicherungsgruppe, die Hanse-Merkur und die SV Sparkassenversicherung sowie die Sparkassenversicherung Sachsen. Zudem ist die LVM seit Ende 2021 Mitglied der AOA. Auch die Huk-Coburg gab im ­Dezember 2021 ihren Beitritt zu PRI und der Alliance bekannt.

Konsultation zu Staatsanleihen und Private Markets

Der Klimaschutz zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad steht bei den 75 aktuellen Mitglieder der von Unepfi (UN Environment Programme Finance Initiative) und PRI ­geführten Net-Zero Asset Owner Alliance als übergeordnetes Ziel oben auf der Agenda. Die Mitglieder bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050, das heißt, sie wollen die Kohlendioxid­emissionen ihrer Anlageportfolios bis dahin auf netto Null ­herunterfahren. Um dieses zu erreichen, setzte sich die Alliance zum Teil sehr detaillierte Zwischenziele. Diese hat sie nun in ­einem zweiten Fortschrittsbericht erläutert und gibt Einblick in die Strategien ihrer Mitglieder. Auch warb das Bündnis jüngst für mehr ­Unterstützung der staatlichen Förderbanken bei Investments in den Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika.

Die beiden Zwischenziele für den Übergang zu Netto-Null-Emissionen in 2050 sind folgende: Die Mitglieder der Alliance haben sich ­verpflichtet, ihre CO₂-Emissionen bis 2025 um 22 bis 32 Prozent zu reduzieren. Für das Zwischenziel bis 2030 reicht die vorgegebene Spanne sogar weiter, die Absenkung der CO₂-Emissionen soll dann 49 bis 65 Prozent des Portfolios betragen. Mitglieder haben hier ­also einen großen Spielraum, ganze 16 Prozentpunkte bis 2030, wie sie sich hier selbst einstufen wollen. Dieses sogenannte zweite Zielsetzungs-Protokoll hatte sich die AOA erst vor etwa zehn Monaten gegeben. Im ersten Ziel­setzungs-Protokoll (Target Setting ­Protocol, TSP) ­haben sich die Mitglieder kurzfristige Klimaziele ­gesetzt, diese ­bezogen sich auf den Zeitraum bis 2025. Die zweite Ausgabe des Protokolls (TSP 2), die im Januar 2022 veröffentlicht wurde, ­umreißt die weiteren Ziele­ bis 2030 und erweiterte den ­Geltungsbereich der Berichterstattung um verschiedene Sektoren und Anlageklassen. Im Januar 2022 hatte­ aber nur ein Teil der ­Mitglieder bereits Klimazielvorgaben für 2025 formuliert – es ­waren 30 Mitglieder, teilte die AOA damals mit. Dr. Günther Thallinger,­ Vorstandsmitglied der Allianz SE und Vorsitzender der UN-geführten­ Net-Zero Asset Owner Alliance, ­sagte damals zur ­Präsentation des zweiten TSP, die Selbstverpflichtung der Allianz verlange von ihren Mitgliedern Zwischenziele in einem Fünfjahreszyklus zu veröffentlichen. „Die Ziele ­müssen ­ehrgeizig genug sein, um die Erwartungen eines Allianzmitglieds zu signalisieren und gleichzeitig zu berücksichtigen, dass die Realwirtschaft erst am ­Anfang ihrer Netto-Null-Umstellung steht.“ Zum Oktober haben laut Alliance-Website inzwischen 49 Mitglieder­ ihre Zielvorgaben gemäß des zweiten TSP veröffentlicht. Eine Übersicht dazu findet sich auf der Organisationswebsite.

In einer Pressemitteilung vom 12. Oktober gab die Alliance nun ­bekannt, dass sie eine Konsultation für eine dritte Überarbeitung des Target-Setting-Protocols (TSP 3) startet. In dem Entwurf ­öffnet sich die dritte Zielsetzungsrunde für neue ­Asset-Klassen: Die ­Alliance sucht damit nach einem Rahmen für die Emissions­berichterstattung zu Staatsanleihen, Private Assets, zum Thema der CO₂-Abscheidung (Carbon Removal), also der Entnahme von ­Kohlenstoff aus der Atmosphäre, sowie der CO₂-Bilanzierung für Hypothekendarlehen für Gewerbeimmobilien. Auch ein Update zur Asset-Klasse Immobilien ist geplant. In dem Entwurf, der auf der Website der Alliance abrufbar ist, wird zu den vier neuen Asset-Klassen jeweils die vorgeschlagene Messme­thodik erläutert und die Prinzipien dargelegt, über die die Öffentlichkeit abstimmen kann. Die Konsultationsphase läuft noch bis Anfang November. Um zu verstehen, wo die Alliance genau steht, lohnt ­zunächst ein Blick auf die protokollierten Zielsetzungen in TSP 2.

Bisher Fokus auf vier Asset-Klassen

In ihrem zweiten Fortschrittsbericht (für den bis dato 44 Mitglieder berichtet hatten) gibt die Alliance einen ­Überblick ihrer CO₂-Berichterstattung und CO₂-Reduktionszwischenziele. Die Assets under Management mit vorhandenen Zwischenzielen belaufen sich auf etwa sieben Billionen US-Dollar. Das heißt, dass rund ein Drittel des AOA-Vermögens noch nicht durch Zwischenziele auf dem Klimapfad ist. Bei den Mitgliedern, die Zwischen­ziele haben, setzen sie diese für die Asset-Klassen Corporate Bonds, ­gelistete Aktien, direkt gehaltene Immobilien und Infrastruktur­anlagen ein. Adressierte Sektoren im liquiden Bereich bei ­Corporate Bonds und Aktien sind zum Beispiel: Transport, Bau- und Werkstoffe (‚Materials‘), Endprodukte (‚Utilities‘) sowie Öl und Gas. Diese Branchen sind ­traditionellerweise sehr kohlenstoffintensiv und haben in den Portfolios der Mitglieder einen relativ hohen Anteil, wobei der ­Sektor Endprodukte mit 29 Milliarden US-Dollar bei Bonds und 3,7 Milliarden bei Aktien der vom Volumen größte ist. An zweiter ­Stelle kommt erst der Sektor Werkstoffe (‚Materials‘) und der ­Sektor Transport folgt auf Platz drei, wobei Reduktionsziele in ­diesem ­Sektor die Bereiche Luftfahrt, Schifffahrt sowie Schwer- und Leichtlastkraftwagen umfassen. Der Bereich Werkstoffe schließt die Branchen Zement und Stahl mit ein. Bei den Infrastrukturanlagen will man bis 2025 Klimaziele für alle ­Direktinvestments, Fonds­investments sowie Debt-Investments schrittweise eingeführt ­haben. „Ebenso werden die Mitglieder ­aufgefordert, die jährlichen Emissionen der kohlenstoffintensiven Energieinfrastrukturen in ihren ­Infrastrukturportfolios bis 2022 zu messen und zu melden“, so die AOA. ­Zudem macht das TSP neben den Sektor-Zielen auch detaillierte Zielvorgaben zu Engagements, zu längerfristigen Reduktions­zielen auf der Sub-Portfolio-Ebene, und den Finanzierungszielen für den Übergang (Financing Transition Targets).

Einige deutsche Versicherer sind nicht Mitglieder der Asset Owner Alliance, aber Mitglied der ebenfalls bei der Unepfi angesiedelten Initiative „Principles for Sustainable Insurance“. Formulierte ­Klimaziele beziehen sich dabei auf das Versicherungsgeschäft. Mitglieder hier sind zum Beispiel die VHV-Gruppe, die W&W-Gruppe, die Talanx sowie die R+V-Versicherungsgruppe. Auch einige AOA-Mitglieder, wie zum Beispiel die Munich Re, haben ebenfalls die Principles unterzeichnet. Aber wie sieht es mit der Klimaneutralität von deren Kapitalanlage aus? Die Talanx AG zum Beispiel ist trotz einer Nicht-Mitgliedschaft in der AOA beim Ziel Klimaneutralität­ der Kapitalanlage nicht untätig geblieben. Sie ­bekennt sich zur Klima­neutralität ihrer Investments bis 2050 und hat sich ein ­Zwischenziel gesetzt, nämlich das Volumen nachhaltiger­ Investments von fünf Milliarden auf acht Milliarden im Jahr 2025 hochzu­ziehen. Ende 2021 waren laut Nachhaltigkeitsbericht 7,2 Milliarden Euro der Investments nachhaltig angelegt. Bezüglich ihrer gesamten­ CO₂-Emissionen hat sich die Talanx selbst verpflichtet, diese ­jedes Jahr um 18 Prozent zu reduzieren. Sie beruft sich in ­ihrer Klima­berichterstattung auf internationale Standards wie die der TCFD (Taskforce on Climate Related Financial­ Disclosures) und GRI (Global Reporting Initiative). Allerdings scheint das ­Thema Soziales­ im Nachhaltigkeitsbericht der Talanx, dem reinen ­Seitenumfang nach, einen größeren Stellenwert einzunehmen als ­Umweltfragen. Im Nachhaltigkeitsbericht 2021 der R+V-Versicherungsgruppe liest man dagegen viel über die Reduzierung der CO₂-Emissionen aus dem Geschäftsbetrieb, aber kaum etwas zu Klimazielen in der ­Kapitalanlage. Diesbezüglich wird nur das Netto-Null-Ziel bis 2050 kommuniziert.

Andere dagegen, die keinem Investorennetzwerk angehören, ­setzen sich nichtdestotrotz Zwischenziele bei Net-Zero auch für die Kapitalanlage. Zum Beispiel hat sich die Alte Leipziger klar ­verpflichtet, ihren CO₂-Fußabdruck im Bereich Aktien und Unternehmensanleihen bis 2025 um 25 Prozent gegenüber Ende 2021 zu reduzieren. Außerdem will sie den CO₂-Fußabdruck von Wohn­immobilien im Direktbestand bis Ende 2025 um 20 Prozent ­gegenüber Ende 2020 verringern. Zudem arbeite man beim Thema Engagements mit Columbia Threadneedle zusammen. Zu ihren Engagements berichtet die Alte Leipziger ausführlich in einem speziellen Responsible-Ownership-Bericht. Der GDV als Branchen­verband der deutschen ­Versicherer bleibt indes recht vage, was die Positionierung seiner Mitgliedsunternehmen angeht. Man bekennt sich zum gemeinsamen­ Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050. Zudem arbeiteten­ die Versicherer darauf hin, „im Einklang mit den wissenschaftlichen­ Erkenntnissen und der Verfügbarkeit von Messmethoden bereits bis 2025 und schrittweise darüber ­hinaus CO₂-Reduktionen in den Portfolios zu realisieren“. Ehrgeizigere ­Zwischenziele gibt sich der Verband nicht. Jedoch betont er die ­Bedeutung freiwilliger Investoren­initiativen wie die der AOA.

Fest steht: Nur weil es die AOA gibt, heißt das nicht, dass Unternehmen, die sich der Initiative bisher nicht angeschlossen haben, beim Klimaschutz zu wenig tun. Dennoch kann und will die Net-Zero Asset Owner Alliance ein internationaler Gradmesser sein, an dem sich institutionelle Investoren weltweit orientieren. Mit ihrem jüngsten Vorschlag zur Erweiterung der Klimaziele auf neue Asset-Klassen prescht die AOA am Markt voran – und muss das wohl auch, will sie weiter als Klimavorreiter gelten.

Korrektur vom 2.11. : Die LVM ist Mitglied der Net-Zero Asset Owner Alliance.

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