Recht, Steuer & IT
21. Dezember 2021

Kommission vertagt sich zur Atomkraft

Taxonomie nun für Januar geplant. Es droht ein „kontraproduktiver Kompromiss“.

Eigentlich wollte die EU-Kommission noch vor Weihnachten entscheiden, ob Atomkraft und Erdgas nachhaltig sind. Laut Medienberichten hat die Kommission nun den Taxonomie-Vorschlag auf voraussichtlich Mitte Januar 2022 verschoben.

Frankreich gegen Deutschland

Grund für die abermalige Verschiebung ist die Uneinigkeit der einzelnen Staaten insbesondere bezüglich der Einordnung von Atomkraft. Während Frankreich, Polen und Tschechien Atomkraft unbedingt als „grün“ einstufen wollen, sind unter anderem Deutschland, Luxemburg und Österreich strikt dagegen. „Dass die EU ohne Atomstrom CO₂-neutral werden kann, ist eine Lüge“, wird Kommissar Thierry Breton zitiert. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sieht dagegen „überhaupt nicht, wie die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energienutzungsform den Klimaschutz voranbringen soll“.

Der Kompromiss der Kommission

Um Einigkeit zu erzielen, werden offenbar verschiedene Lösungen debattiert. Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass Atomkraft zumindest vorübergehend als grün gelten soll. Demnach werden Kern- und Gaskraftwerke unter Bedingungen als Übergangstechnologien eingestuft. Aus der Gerüchteküche dringt aber auch der „salomonische“ Vorschlag, dass es künftig zwei Taxonomien geben soll, eine mit und eine ohne Atomkraft. „Wenn es so kommt, mag das politisch salomonisch sein. Im Sinne einer objektiven Nachhaltigkeit wäre das für mich zunächst einmal kontraproduktiv – weil man schlussfolgern könnte, Nachhaltigkeit sei beliebig oder eben politisch. Objektiv ist sie aber eben nicht verhandelbar“, kommentiert Axel Wilhelm, Geschäftsführer der Rating-Agentur Imug.

Markus W. Voigt, CEO der Aream Group, wittert im französischen pro-Atom-Vorschlag einen industriepolitischen Hintergrund: „Nutznießer wird ausschließlich die französische Industrie sein“, sagt Voigt. „Dies geht vor allem zulasten Deutschlands und kann die Wirtschaftsentwicklung 2022 deutlich beeinflussen.“ Die Weltklimaorganisation IPCC habe bereits im Jahr 2014 festgestellt, dass Atomkraftwerke zwischen 3,7 und 110 Gramm CO2-Äquivalente pro erzeugter Kilowattstunde ausstoßen. „Dabei kommt es zusätzlich darauf an, ob nur die Betriebsphase oder auch Bau und vor allem Rückbau mit in die Rechnung einbezogen werden“, sagt Voigt. In jedem Fall würden Atomkraftwerke mit dem Ausstoß von mehreren Hunderttausend Tonnen CO2-Äquivalenten durchaus eine nennenswerte Belastung fürs Klima darstellen. Und die Herausforderungen aus Rückbau und Lagerung von Altlasten sind selbst heute, rund 70 Jahre seit dem Beginn der friedlichen Nutzung der Atomenergie, immer noch nicht gelöst, so Voigt.

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