Asset Management
8. August 2023

Künstliche Rendite

Künstliche Intelligenz tut sich im Investment Management noch schwer. Doch vieles spricht dafür, dass die KI-Revolution auch hier zu tiefgreifenden Veränderungen führen wird. Spezialisierte Asset Manager bringen sich jedenfalls schon mal in Position für das ­Geschäft mit institutionellen Kunden.

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig: Auf ­amerikanischen Straßen kreuzen erste Robo-Taxis, im Wohn­zimmer fährt Alexa morgens die Rollos hoch und der Chatbot reimt neben der Sachtexte-Produktion auch Gedichte. Und im Asset ­Management? Auf Nachfrage liefert die derzeit wohl populärste KI-Anwendung ChatGPT selbst eine Antwort: „Künstliche Intelligenz wird das Asset Management durch die Automatisierung von Routineaufgaben und die Analyse großer Datenmengen revolutionieren, um fundiertere Investmententscheidungen zu treffen und das Risikomanagement zu verbessern.“

Ein wenig Eigenwerbung sei auch der KI gestattet, doch in der ­Realität institutioneller Investoren sind Machine-Learning-Ansätze bislang nicht richtig angekommen. „Vonseiten unserer Kunden ­beobachten wir noch keinerlei Nachfrage“, sagt etwa Jürgen Huth, Geschäftsführer bei Faros Consulting. Das unter anderem auf KI spezialisierte Investmenthaus Plexus beziffert das gesamte Anlagevolumen in KI-gemanagten Publikumsfonds in Deutschland auf gerade einmal rund 370 Millionen Euro per Ende Mai. Selbst wenn Spezialfonds und Mandate ein Vielfaches davon ausmachen, ist das ein verschwindend geringer Anteil am gesamten deutschen ­Fondsmarkt. Dieser kommt laut dem Fondsverband BVI auf ein Volumen von 3.900 Milliarden Euro.

Dabei hat künstliche Intelligenz zahlreiche potenzielle Anknüpf­ungspunkte mit dem datenintensiven Asset Management. Über die klassischen Quant-Strategien gehen die Algorithmen hinaus, ­indem sie aus Erfahrung lernen und so immer besser werden ­sollen. Bei reinen KI-Ansätzen steuert der Computer fast den ­gesamten Investmentprozess, beim Co-Piloting agiert die ­Maschine dagegen als Assistenzsystem für die humanoiden Portfolio­manager. Begünstigt wird KI im Asset Management durch das ­Zusammenkommen von immer stärkerer Rechenpower mit der ­explosionsartigen Zunahme der verfügbaren Datenmengen. ­Günter Jäger, Geschäftsführer von Plexus Investments, sagt: ­„Großes Potenzial liegt in der Möglichkeit, unstrukturierte Daten, etwa aus Text- und Bildquellen, einzubeziehen und hochkomplexe Datenzusammenhänge und -muster zu identifizieren.“ KI handelt rasch und emotionslos und überwindet zahlreiche aus der ­Behavioral Finance bekannten menschlichen Schwächen. Zudem entdeckt sie Muster, die dem Menschen verborgen bleiben.

Asset Manager investieren in KI-Fähigkeiten

Globale Asset Manager investieren seit Jahren in ihre KI-Fähig­keiten: So hat Blackrock mit AI Labs einen eigenen Thinktank ­eingerichtet und nutzt Algorithmen, um große Mengen von Finanz­daten zu analysieren und Risikomanagement-Prozesse zu verbessern. Der Global-Makro-Hedgefonds Bridgewater Associates integriert KI-Modelle in seine Anlage- und Lernprozesse. Co-CIO Greg Jensen erklärt: „Alles, was wir lernen, übersetzen wir in  Algorithmen, die sowohl von Computern als auch Menschen ­genutzt werden können.“ Den mit rund 120 Millionen Euro ­größten deutschen KI-gesteuerten Publikumsfonds Tungsten Trycon AI Global Markets legte Tungsten Capital Management 2010 auf. Der konjunktur- und marktunabhängige Fonds geht in rund 60 ­globalen Märkten von Aktienindizes über Staatsanleihen bis zu Währungen und Volatilität flexibel Long- und Short-Positionen ein. Der Ansatz reduziert die Korrelation zu Aktien und Renten auf nahezu null, ­erklärt Mitgründer und Portfoliomanager Pablo Hess: „Anleger können so auch in schwachen Börsenphasen Gewinne erzielen.“ Das bewies der Fonds unter anderem mit seiner positiven Performance im vergangenen Jahr. Das Interesse an KI-gemanagten ­Ansätzen steigt deutlich an, beobachtet Hess. Er sagt: „Institutionelle Anleger suchen neben Renditechancen vor allem Diversifi­kation und möchten neue Daten in ihren Portfolien ­berücksichtigen sowie menschlich-emotionale Einflüsse herausfiltern.“ KI sieht er als wichtiges Instrument, um in Kombination mit traditionellen Quant-Methoden und dem menschlichen Faktor das Rendite-­Risiko-Profil und die Diversifikation zu verbessern.

Interesse an KI-Strategien steigt

Das Fondshaus Acatis hat 2017 den globalen Aktienfonds Acatis AI Global Equities aufgelegt, dessen System die firmeneigene Unternehmensdatenbank nutzt. Die KI verknüpft die Datensätze mit ­unterschiedlichen Gewichtungen und integriert Aktienauswahl und Portfoliokonstruktion in einem einzigen Prozess: „KI ist überall dort erfolgreich, wo der Algorithmus an vielen Daten trainieren kann“, sagt Acatis-Geschäftsführer Hendrik Leber. Das sei vor ­allem bei Firmendaten der Fall; im Makrobereich mit zahlreichen externen Schocks oder bei der Beurteilung von Innovationen wie etwa bei Biotech hält er den Nutzen von KI dagegen für limitiert. Dass das Thema auch potenzielle Kunden zunehmend umtreibt, zeige die zuletzt rasant gestiegene Teilnehmerzahl bei ent­sprechenden Kundenveranstaltungen. Mit seinen derzeit zwei KI-Fonds plant Acatis daher verstärkt institutionelle Anleger ­anzusprechen: „Wir halten KI-Strategien im institutionellen Segment für einen wichtigen Wachstumsbereich“, sagt Leber.

Beim Quant- und KI-Spezialisten GET Capital muss Vertriebsleiter Marco Wunderlich Kunden inzwischen „nicht mehr erklären, dass KI für komplexe Herausforderungen geeignet ist“. GET verwaltet nach eigenen Angaben rund drei Milliarden Euro fast ausschließlich institutioneller Gelder vor allem in entsprechenden Mandaten und Spezialfonds. Den rund 20 Millionen Euro großen Ucits-Fonds Globale Aktien Quant GET Capital nutzen Anleger laut Wunderlich gern als „Testballon“, um sich dem Thema zu nähern. Denn, so Wunderlich: „Kaum ein Kunde möchte explizit in einen KI-Fonds investieren.“ Investoren suchten vielmehr eine Investmentlösung, die die Anforderungen ihrer Asset-Allokation erfüllt und dabei die bestmöglichen Eigenschaften aufweist. „Die KI ist ein modernes Werkzeug, um eine solche Lösung zu produzieren“, sagt Wunderlich. Den Investmentprozess hat das GET-Team vollständig ­automatisiert. Täglich filtern die Algorithmen aus rund 9.000 ­Datenreihen von Märkten und Wertpapieren die risikoadjustiert ­attraktivsten Investments heraus und bilden dann ein optimiertes und hochdiversifiziertes Portfolio. Orders werden automatisiert ­generiert und von Menschen im Vier-Augen-Prinzip freigegeben. „Eingreifen mussten wir dabei aber bisher nie“, sagt Wunderlich.

Bei Ausschreibungen kommen KI-Ansätze bislang aber noch ­selten in die engere Auswahl, berichtet etwa Peter Dombeck vom ­Consultant Novovest. „Wir sind zwar grundsätzlich ergebnisoffen in unserer Selektion“, erklärt er. Daher bezieht Novovest in der rein quantitativen Vorselektion alle auf die Ausschreibung passenden Ansätze mit ein. In der RfP-Phase seien KI-Ansätze aber meist nur sehr schwierig darzustellen und bilden für die Investoren oft eine Art Blackbox. Der Aufwand ist damit deutlich größer als bei einem herkömmlichen Mandat und die Transparenz teils geringer. GET-Capital-Experte Wunderlich berichtet: „Wir sehen, dass ­insbesondere Investoren, für die auch in ihrem operativen Geschäft KI keine ­absolute Neuheit darstellt, offen gegenüber solchen Ansätzen sind.“ Zwar brauche man keine speziellen KI-Kenntnisse, aber ­Mathematiker oder Naturwissenschaftler im Anlagegremium seien oft geradezu begeistert von den Möglichkeiten. Acatis-Chef Leber erhofft sich von Investoren etwas mehr Aufgeschlossenheit für innovative Ansätze und schlägt vor: „Man könnte etwa einfach mal zwei oder drei KI-Anbieter treffen und sich erklären lassen, wie die vorgehen: Wie ist das System aufgebaut, was für Modelltypen ­stecken dahinter, wie verhält sich der Ansatz?“

Anlageergebnisse überzeugen oft nicht

Doch noch ist auch die Anlagebilanz vieler KI-Fonds überschaubar. So zeigt der von Plexus monatlich veröffentlichte AI-Outper­formance-Index, dass KI-Fonds aktuell in der Summe hinter ihrer jeweiligen Benchmark zurückbleiben. Nach Meinung von Tungsten-Fondsmanager Hess wie auch anderer Experten dürfte sich die Erfolgsquote der KI-Ansätze mit zunehmender Marktreife der ­Ansätze verbessern. Acatis-Chef Leber erwartet auf lange Sicht, dass Maschinen den Job benchmarknaher Fondsmanager weit­gehend übernehmen werden. Durch KI sieht der Manager zudem insbesondere die Dominanz passiver Anlagestrategien heraus­gefordert. „KI kann mehr als passive Strategien und ist zudem günstig“, so Leber. Andere beurteilen die Perspektiven eher zurückhaltend: So sieht Faros-Geschäftsführer Huth KI im Asset Management noch „in keinster Weise so ausgereift, dass KI zu einem ­wahren Durchbruch oder gar der Eliminierung des Faktors Mensch führt“. Novovests Dombeck rechnet „eher mit einer Evolution als einer Revolution“. Das sehen auch die meisten KI-Optimisten ­ähnlich. Tungsten-Experte Hess sagt etwa: „So wie KI in anderen Industrien ein zunehmend selbstverständliches Werkzeug ist, wird auch unsere Branche deren Vorzüge immer stärker in die Praxis ­integrieren.“ Selbst ChatGPT glaubt nicht, dass die KI den Portfoliomanager ganz verdrängen wird: Menschliche Expertise, so der Chatbot, sei auch in Zukunft „wichtig, um die Ergebnisse zu interpretieren und nicht quantifizierbare Faktoren zu berücksichtigen“.

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