Versicherungen
19. Mai 2020

Leben geht weiter

Wie wichtig ist die Asset Allocation für eine Run-off-Plattform? Dies erläutern Dr. Christian Thimann und Dr. Claudius Vievers von Athora Deutschland Patrick ­Eisele.

Athora ist als sogenannte Run-off-Plattform ein Kind der Niedrigzinszeit. Athora bietet europaweit Lebensversicherern Bestandsübernahmen und Rückversicherungslösungen an. Das wirtschaftliche Kalkül für Bestandsüber­nahmen basiert auf einer speziellen Expertise im Asset Management und einer kosteneffizienten Verwaltung. In Deutschland wurden 2015 die Bestände der Delta Lloyd übernommen, in Europa die Bestände der Lebensversicherer Generali Belgien in 2019 und der niederländischen Vivat in 2020.

Die Fokussierung auf Asset Management, in dem für die Athora auch Real Assets relevant sind, und auf Kosteneffizienz tragen dazu bei, Portfolios von Lebensversicherern profitabel zu managen. Auf jeden Fall ebenfalls im Fokus: die Belange der Versicherungsnehmer.

Wie lief 2019 für Athora? Wie wird 2020?

Dr. Christian Thimann: 2019 war für Athora Deutschland ein gutes Jahr. Die strategische Neuausrichtung unseres Asset ­Managements hat sich ausgezahlt: Für 2020 konnten wir die Überschussbeteiligung für unsere ­Ver­sicherten auf 2,75 Prozent anheben. Das ist gerade im aktuellen Negativzinsumfeld ­keine Selbstverständlichkeit. Keiner der 30 Lebensversicherer, die an der jüngsten ­Assekurata-Studie teilgenommen haben, hat die Überschussbeteiligung erhöht.

Zudem haben wir eine umfassende Rückversicherung eines eigenen Lebensver­sicherungsportfolios umsetzen können. Diese Rückversicherung übernimmt nach dem Modell von Athora Life Re ­insbesondere das Marktrisiko.

Auch außerhalb Deutschlands war es für die Athora Gruppe ein erfolgreiches Jahr. Mit der Übernahme von Generali Belgien und Vivat in den Niederlanden ist die ­Gruppe erheblich gewachsen. Athora ­betreut nun insgesamt drei Millionen Kunden und verwaltet rund 70 Milliarden Euro an Assets under Management.

Diesen Kurs wollen wir fortsetzen. Das Jahr 2020 ist bereits mit einer guten Nachricht gestartet: Athora konnte zusätzliches Kapital aufnehmen. Nachdem die Gruppe ­bereits mit 2,2 Milliarden Euro an Kapitalzusagen von langfristigen Investoren ausgestattet war, konnten Anfang Februar Zusagen von weiteren 1,8 Milliarden Euro gewonnen ­werden. Das ist ein starkes Signal für ­künftige Wachstumsmöglichkeiten.

Wie entwickelte sich das Bild von Run-off-Plattformen in der Öffentlichkeit, unter Regulierern und bei potenziellen Verkäufern?

Thimann: Die öffentliche Debatte um die Bestandsversicherung hat sich in letzter Zeit zunehmend versachlicht. Ein Grund ist, dass die von manchen Beobachtern ­anfangs propagierten Horrorszenarien ausblieben. Bestandsversicherer tun gut daran, ihre Kunden zufriedenzustellen. Auch sie brauchen eine niedrige Storno­quote, ­ansonsten würden sie sich selbst die Grundlage für ihr Geschäftsmodells entziehen.

Zudem spüren immer mehr Erstversich­erer, dass sie eine langfristige Lösung brauchen, um mit den Folgen der andauernden Niedrigzinspolitik umzugehen. Der Verkauf an eine Bestandsversicherung, aber auch die Bestandsrückversicherung – wie wir sie anbieten – sind Lösungen, die an Tragfähigkeit und Glaubwürdigkeit gewinnen.

Geht der Trend hin zur Bestandsüber­tragung oder zur Rückversicherungslösung?

Thimann: Beide Lösungen haben ihre Berech­tigung. Denn sie gehen auf verschiedene Bedürfnisse von Lebensversicherern ein. Der Charme von Athoras Rückversicherungslösung ist, dass der Versicherer ­Risiken reduzieren und Kapital freisetzen kann, aber gleichzeitig die Kundenbezieh­ung beibehält. Wirtschaftlich gesehen hat sie also eine ähnliche Wirkung wie die ­Bestandsübertragung, was die Eigenkapitalentlastung angeht. Passen die Altbestände hingegen nicht mehr zum künftigen ­Geschäftsmodell des Erstversicherers, kann ein Verkauf des Portfolios an einen Bestands­versicherer mehr Sinn machen.

Wann kommt, nach der Übernahme der Delta Lloyd in 2015, die nächste ­Bestandsübertragung in Deutschland?

Thimann: Eine Prognose hierzu wäre nicht seriös, weil es sich um einzelwirtschaftliche Unternehmensentscheidungen handelt, die von außen unvorhersehbar sind. Die Lage scheint oberflächlich ruhig. Im Grunde ist sie aber angespannt, und eine „natürliche Lösung“ über eine deutliche Erholung der langfristigen Kapitalmarktzinsen oder regulatorische Erleichterung ist nicht in Sicht.

Im Gegenteil: Alles deutet auf eine Verstetigung der extrem niedrigen Zinsen hin. Und auf regulatorischer Seite kommen eher noch weitere Verschärfungen hinzu. Die Überarbeitung von Solvency II wird vermutlich ab nächstem oder übernächstem Jahr ihren Niederschlag finden. Sie wird insbesondere dazu führen, dass Negativzinsen in die Simulationen einfließen und die ­Verbindlichkeiten weiter steigen, weil die Diskontrate deutlich weiter sinkt.

Wie hilfreich sind für Sie als Chief Risk Manager ORSA und Solvency II, Herr Vievers?

Dr. Claudius Vievers: Athora hat eine klare Philosophie: Wir wollen mit gutem und ­gezieltem Risikomanagement Wert für ­unsere Stakeholder schaffen. Dies können wir nur, wenn wir die Instrumente des Risiko­managements in der täglichen Arbeit einsetzen. Beginnend mit einem umfassenden Risk-Assessment bilden Solvency II und die Bewertung des Risikoprofils ­wesentliche Elemente, um die Gesellschaft risikoorientiert zu steuern. Das ist uns insbesondere im Jahr 2019 gelungen. Gegen den Markttrend konnte die Athora Lebensversicherung ihre Bedeckungsquote mit – aber insbesondere auch ohne – Übergangsmaßnahmen deutlich verbessern. Die Neuausrichtung der Kapitalanlagestrategie trägt Früchte. Auch in Zukunft hat das Risiko- und Kapitalmanagement hohe Bedeutung für die Steuerung der Gesellschaft.

Wie unterscheidet sich Ihr Geschäftsmodell zu dem von anderen Run-off-Plattformen?

Thimann: Ich sehe hier vor allem zwei Aspekte. Erstens: die europäische Aufstellung. Athora ist in verschiedenen europäischen Märkten aktiv und weist durch ­Transaktionen auf europäischer Ebene ein beachtliches Wachstum auf. Mit dem Bestand der Vivat verwalten wir nun wie bereits erwähnt rund 70 Milliarden Euro Anlagevermögen und haben insgesamt 3.000 Mitarbeiter.

Zweitens fahren wir im Asset Management einen besonderen Ansatz. Wir sind der ­Meinung, dass die Kostenvorteile einer effizienten Plattform allein nicht ausreichen, um profitabel zu wirtschaften. Die Basis ­unseres Geschäftsmodells ist insbesondere eine professionelle Verwaltung der Kapitalanlagen mit einem angemessenen Fokus auf Risikomanagement. Bei der Anlage ­unserer Assets haben wir Zugriff auf das langjährige Know-how und die breite Plattform von Apollo, einem weltweit führenden Asset Manager mit einem verwalteten Vermögen von über 300 Milliarden Dollar.

Die Partnerschaft mit Apollo ist ein großer Vorteil insbesondere verglichen mit kleinen und mittleren Versicherern. Denn sie haben oftmals nicht den Zugang zu einer solchen Expertise und breiten Plattform, um angemessene Renditen in Zeiten niedriger ­Zinsen zu erwirtschaften.

Ist richtig, dass Run-off-Plattformen zwei ­große Vorteile haben: nämlich eine neue IT und keine Vertriebskosten?

Vievers: Richtig. Als Bestandsversicherung können wir uns auf die existierenden ­Kunden konzentrieren. Unser Team muss sich weder um die Entwicklung neuer ­Produkte noch um Neugeschäft ­kümmern. Das heißt, wir können unsere Aktivitäten ganz auf die Verwaltung ­bestehender Policen zuschneiden. Das ­ermöglicht es uns, die Policen effizient zu verwalten und den Kunden gleichzeitig ­einen hohen Servicestandard zu bieten. ­Zudem haben wir eine zukunftsfähige IT-Infrastruktur, in die ­weitere Plattformen ­integriert und somit Skaleneffekte realisiert werden können.

Keinen Vertrieb zu haben, befreit auch von der Notwendigkeit, hohe Überschüsse und hohe laufende Zinsen zu erwirtschaften? Athora liegt aber mit 2,75 Prozent über dem Schnitt von klassischen Lebensversicherern.

Vievers: Es liegt in unserem ureigenen Inter­esse, den Kunden bis zum Ablauf ­seines Vertrags zu halten. Das gelingt nur, wenn unsere Kunden zufrieden sind. Mit Blick darauf hat Athora 2018 angefangen, die Kapitalanlagestrategie neu ­aufzusetzen, um einerseits unsere Risiken an die Risikophilosophie anzupassen und gleichzeitig für den Kunden in Zeiten von niedrigen Zinsen verbesserte Renditen ­erwirtschaften zu können. Dass die neue Strategie greift, belegt die Erhöhung der Überschussbeteiligung auf 2,75 Prozent in diesem Jahr.

Aber ohne Vertrieb lässt sich nicht der Durchschnittszins im Bestand senken.

Vievers: Das ist korrekt. Die Bemühungen, die Durchschnittsverzinsung zu senken ­beruht auf der zu geringen Verzinsung der Aktivseite und der Gefahr weiter sinkender Zinsen. Beides haben wir durch unsere neue Kapitalanlagestrategie im Griff.

Wie hoch ist die Stornoquote?

Vievers: Die Stornoquote ist ein Beleg für die Zufriedenheit unserer Kunden und hat sich seit der Übernahme des Bestands der Delta Lloyd durch die Athene Holding ­kontinuierlich verbessert. Aktuell liegt die Stornoquote bei circa 1,20 Prozent, 2017 lag sie noch bei 3,19 Prozent, 2016 bei 3,67 ­Prozent und im Jahr davor bei 4,31 Prozent.

Hat die Athora Pensionskasse mehr Wachstumschancen als der Lebensversicherer?

Thimann: Wir sehen sowohl Wachstums­potenziale bei der Pensionskasse als auch bei der Lebensversicherung. Bei den Pensionskassen ist die Lage in der Tat besonders angespannt. Denn aufgrund der langen Vertragslaufzeiten sind die Pensionskassen im anhaltendenden Niedrigzinsumfeld stark unter Druck geraten. Wie die Bafin im Februar mitteilte, stehen derzeit 36 Pensionskassen unter einer intensivierten Aufsicht. Das ist eine beträchtliche Zahl, und ich ­gehe davon aus, dass sie steigen wird.

Mit Vivat steigt das verwaltete Vermögen auf 70 Milliarden. Wie viele AuM ­braucht eine Run-off-Plattform, um profitabel zu sein?

Thimann: Grundsätzlich streben wir als ­Bestandsversicherung danach, über ein wachsendes Portfolio Skaleneffekte zu ­realisieren, um die Verwaltungskosten möglichst niedrig zu halten. Das Wachstum auf europäischer Ebene ermöglicht es Athora, ihre Kosteneffizienz durch operative Synergien auf Gruppenebene zu verbessern. Kostenvorteile einer effizienten Plattform allein sind jedoch nicht ausreichend, um ­profitabel zu wirtschaften. Daher setzen wir auch auf ein professionelles Asset Management.

Wie teilt sich die Kapitalanlage organisatorisch zwischen Wiesbaden und London auf?

Vievers: Apollo ist Athoras strategischer Partner im Asset Management. ­Wesentlicher Bestandteil dieser Partnerschaft ist, dass Apollo den Vorstand der Gesellschaft dabei berät, die Strategische Asset-Allokation auf Grundlage der durch den Vorstand vorgegebenen Risikophilosophie und der Ergebnisziele zu entwickeln. Die Athora entscheidet auf Basis dieser Beratung, welche Asset-­Allokation am besten zum eigenen Risiko­appetit passt und nutzt dann die geeigneten Partner und Anlageinstrumente, um sie umzusetzen. Hierbei kommt Apollo wieder eine wichtige Aufgabe zu.

Wie unterschiedlich sind Benchmarks und Strategische Asset Allocations der verschiedenen Versicherungsportfolios? Worin ­unterscheiden sich insbesondere deutsche und internationale Portfolios?

Vievers: Das Portfolio der Athora unterscheidet sich signifikant von demjenigen ­typischer deutscher Lebensversicherer. Während viele deutsche Versicherer ein ­Derisking der Aktivseite vorgenommen ­haben, um so die Bedeckungssituation im Griff zu haben, und gleichzeitig aus Kostengründen eine hohe Durationslücke ­zwischen Aktiv- und Passivseite fahren, geht Athora einen vollkommen anderen Weg.

Wir haben die Durationslücke vollkommen geschlossen. Mehr noch: Wir haben uns nicht nur gegen das Zinsrisiko nach ­Solvency II abgesichert, sondern gegen das ökonomische Zinsänderungsrisiko gemessen an der Swap-Kurve. Fallende Zinsen sind für uns kein Problem mehr. Hierzu wird ein Teil der Kapitalanlagen eingesetzt.Mit einem anderen Teil versuchen wir aktiv, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, die ein attraktives Risiko-Rendite-Profil ­haben. Insgesamt konnten wir so unsere Solvenzquote verbessern und die Erträge ­ erhöhen.

Was sind typische Umbauarbeiten in der Kapitalanlage nach der Bestandsübertragung?

Vievers: Ein wesentlicher Aspekt ist die ­Umschichtung in Richtung Zielportfolio. Das beinhaltet zum einen, die Durations­lücke zu schließen, um das Zinsänderungsrisiko zu eliminieren. Zum anderen galt es, unattraktive Kapitalanlagen zu veräußern und in solche zu investieren, die ein attraktives Risiko-Rendite-Profil haben.

Welche Quoten fahren Sie für Aktien, ­Immobilien und Alternatives?

Vievers: Grundsätzlich investieren wir aufgrund des Risikoprofils nicht in gelistete Aktien. Gleichzeitig haben wir schon vor Jahren in hochwertige Immobilien investiert, was sich jetzt mehr und mehr ­auszahlt. In einem überschaubaren Umfang inves­tieren wir auch in Alternatives, nämlich ­Private Equity.

Wo und wie machen welche Fixed-Income-Strategien Sinn?

Vievers: Fixed Income ist ein zentraler ­Baustein unserer Kapitalanlage. Zum einen, um die Durationslücke zu schließen. ­Hierfür setzen wir im Wesentlichen hochwertige europäische Staatsanleihen ein. Zum ­anderen investieren wir gut diver­sifiziert in Private Debt, um so unsere ­Ertragsziele zu erreichen.

Welche ALM-Philosophie vertreten Sie?

Vievers: Unsere ALM-Philosophie ist sehr klar und wird entsprechend konsequent umgesetzt: Wir gehen keine Zinsänderungs­risiken ein. Dieses wird sehr aktiv wöchen­t­lich gemonitort, um selbst kleinste Zins­bewegungen sofort zu berücksichtigen. Da entsprechende Laufzeiten zum Durationsmatching praktisch nur noch mit negativen Renditen eingekauft werden können, haben wir einen großen Teil der Durationssteuerung auf moderne Derivatpositionen umgestellt, die wir aktiv monitoren. Damit lässt sich die Durationssteuerung sehr viel ­kostengünstiger umsetzen.

Wären EK-Investments bezüglich Langlebig­keitsrisiken passender?

Vievers: Der Einsatz von Eigenkapital-­Investments wäre zwar grundsätzlich möglich – aber keiner weiß, welche Duration Aktien haben. Zudem haben Aktien ein ­erhebliches Verlustrisiko. Daher passen ­gelistete Aktienpositionen nicht zum Risiko­appetit der Gesellschaft.

Wie hat sich der Auf- und Abbau der ZZR auf das Portfolio ausgewirkt?

Vievers: Wir sind – bedingt durch das aktuelle Zinsumfeld – immer noch im Aufbau der Zinszusatzreserve auf Ebene der Gesellschaft. Dieses wird vermutlich noch einige Zeit anhalten. Die erforderlichen Erträge hierzu konnten wie geplant realisiert ­werden, ohne die Substanz der Gesellschaft zu beschädigen. Im Gegenteil: Die Solvenzquote konnte trotz vollständiger Erfüllung der Anforderungen an die ZZR im Jahr 2019 deutlich verbessert werden – im ­Übrigen gegen den Markttrend.

Wie hoch sind die Kosten der Kapitalanlage?

Vievers: Die Kosten für die Kapitalanlagen sind für die Leistung und die Erträge, die die Gesellschaft erwirtschaftet, mehr als angemessen. Natürlich könnten wir ­günstigere Asset Manager einsetzen. Ob damit aber ­eine Erhöhung der Überschussbeteiligung oder die Verbesserung der Bedeckung möglich gewesen wäre, ist mehr als fraglich.

Die Geschichte unserer Gesellschaft zeigt, dass mit Umstellung der Asset-Allokation die Trendwende herbeigeführt werden konnte. Also haben alle davon profitiert, dass wir mit professionellen Asset Managern zusammenarbeiten.

Wird mit den gewachsenen Assets under Management ein internes Solvency-II-­Modell interessant?

Vievers: Aus Sicht des Risikomanagers ist ein internes Modell immer interessant. Aber ist es auch notwendig und insbesondere wertschöpfend? Durch unsere intensive Analyse der Standardformel, deren Angemessenheit und unseres Risikoprofils ­haben wir – als Teil des ORSA – sichergestellt, dass das Risikoprofil der Gesellschaft richtig ­bewertet wird.

Das ist für uns als Management aber auch für die Aufsicht wichtig. Nur so können wir die richtigen Entscheidungen treffen, um die Gesellschaft kurz-, mittel- und langfristig richtig zu steuern. Dieses ist uns gelungen. Auch ohne ein internes Modell. Daher ist der Wert eines internen Modells nicht unmittelbar gegeben, wenn man bedenkt, dass es mit hohen Kosten verbunden ist.

Welche Asset-Klassen sind in besonderem Maße (un-)attraktiv?

Vievers: Besonders unattraktiv sind zunächst einmal alle Staatsanleihen mit ­negativen Renditen. Die meisten anderen Asset-Klassen sind wegen des damit ­verbundenen Risikos unattraktiv.

Auch europäische Investment Grade Cor­porates sind wegen der geringen Rendite bei gleichzeitig erkennbarem Risiko wenig attraktiv. Ursächlich hierfür ist, dass ein großer Teil der Versicherer genau auf solche Kapitalanlagen umgestellt hat, um eine – wenn auch sehr geringe – Überrendite zu erhalten. Je mehr darin investierten, umso geringer wurde die Überrendite – obwohl das Risiko unverändert blieb.

Attraktiv bleiben Investments, zu denen nicht alle Investoren Zugang haben. Diese ermöglichen bei vertretbarem Risiko attraktivere Rendite. Aber der „search for yield“ bleibt eine Herausforderung. Was gestern richtig war, kann morgen bereits wenig ­attraktiv sein. Wichtig ist es „vor der Welle zu schwimmen“. Das haben wir in den vergangenen 18 Monaten erfolgreich getan.

Bafin-Präsident Hufeld warnt, dass eine grüne Kapital-Regulierung die Risikoorientierung gefährdet. Was ist hier Ihre Sicht?

Thimann: Ich teile diese Ansicht. Die Kapitalhinterlegung dient dazu, finanzielle Risiken abzupuffern und grüne Anlagen haben nicht zwingend von sich aus ein geringeres Risikoprofil. Dennoch sind grüne Anlagen wünschenswert und das finanzielle Risiko muss von Fall zu Fall beurteilt werden.

Ist bei ESG das E, das S oder das G wichtig?

Thimann: Natürlich sind alle drei ­Aspekte wichtig. Aus meiner Sicht ist aber das G ein ganz entscheidendes, fundamentales Kriterium für alle Kapitalanlagen. Ein Investor ist gut beraten, grundsätzlich nur in Investments mit einer klaren, transparenten Governance-Struktur zu investieren.

Das E eröffnet momentan Chancen, neue Anlagemöglichkeiten mit viel Potential zu identifizieren – denken wir an Investitionen in Erneuerbare Energien, synthetische Kraftstoffe oder Energieeffizienz. Aufgrund der enorm gestiegenen öffentlichen Wahrnehmung der Umweltthemen ändern sich Produktionsstruktur und Konsumverhalten, und dies bringt Chancen für Anleger.

Das S ist zunächst ein Appell an die Politik, etwa die Klimapolitik nicht so zu gestalten, dass Arbeitsplätze und damit Sozialsystem ruiniert werden. Für Investoren sind Assets mit ausgeprägtem sozialem Profil nach ­konventioneller Sichtweise bisher nur eine ­kleine Nische mit geringem Angebot. Ich persönlich sehe aber den Bereich breiter. Für mich besteht die soziale Rolle von ­Unternehmen darin, sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze anzubieten. Damit ist für mich jedes Investment in so ein Unternehmen auch eines mit einer sozialen Komponente. Denn stabile Beschäftigungen ­tragen unser Bildungs- und Sozialsystem.

Verbessert Nachhaltigkeit die Renditen oder das Risikoprofil? Oder weder noch?

Thimann: Nachhaltigkeit eröffnet insbesondere neue Assets und Asset-Klassen. ­Denken wir beispielsweise an Entwicklungen in den Bereichen Energie, Transport, aber auch ­Recycling, Nahrungsmittel sowie alle damit verbundenen Innovationen.

Wie vertretbar ist der Aufwand für ­Nachhaltigkeits-Reportings?

Thimann: Ich begrüße Nachhaltigkeits-­Reportings – aber sie sollten kurz sein. Man braucht keine langen Berichte oder gar ­dicke Broschüren. Mich interessieren im Grunde vier Fragen: Wie informiert sich das Unternehmen über Nachhaltigkeitsthemen und wie ist es hier organisiert? Wie fließen Nachhaltigkeitsüberlegungen in die Unternehmensstrategie ein? Welche Nachhaltigkeitsrisiken sieht das Unternehmen und wie kontrolliert es diese? Und gibt es ­spezifische und quantifizierbare Ziele, die sich das Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit gesetzt hat? Allgemein betrachte ich alle Unternehmen, die Wertschöpfung ­liefern, umweltbewusst handeln und stabile Arbeitsplätze anbieten als ­nachhaltig im Sinne unserer sozialen Marktwirtschaft.

Warum haben Sie sich mit Apollo einen Alternatives- und nicht einen Versicherungsspezialisten gewählt? Aus Renditegründen?

Vievers: Apollo berät uns zum einen im Rahmen der Festlegung der SAA, zum ­anderen aber auch als Sourcing Partner. Um höhere Renditen zu erzielen, ist es nicht möglich, mit den typischen Instrumenten der Kapitalanlage zu arbeiten. Apollo ­ermöglicht uns den Zugang zu attraktiven Kapitalanlagen und unterstützt bei der ­Implementierung der SAA.

Was ist an Apollo ausgelagert?

Vievers: Apollo unterstützt uns in den ­Bereichen, in denen Apollo über entsprechende Expertise und den erforderlichen Marktzugang verfügt. Das sind große Teile der Kapitalanlage auf der Bilanz, insbesondere aber in den Spezialfonds.

Das Outsourcing wird über einen Rahmenvertrag, Guidelines und Service Level Agreements geregelt. Bei Alternatives ist es doch üblich, ein Alignement of Interests über Performance Fees und Carry zu schaffen.

Vievers: Service Level Agreements regeln welche gegenseitigen Aufgaben, Pflichten und Verantwortlichkeiten bestehen. Diese sind für uns sehr wichtig und werden streng eingehalten und kontrolliert. Nur, wenn wir die richtigen Informationen rechtzeitig ­liefern, kann Apollo entsprechend und in unserem Sinne arbeiten. Dazu gehört, dass klare Return- und Ertragsziele vereinbart werden. Hierüber gibt es ein Risiko- und Performancecontrolling.

Apollo hat Mandate/Managed Accounts, Fonds und Aktionäre: Wie werden Conflicts of Interests begegnet? Wie werden attraktive Real Assets innerhalb von Athora „filetiert“?

Vievers: Es gibt bei Athora strenge Richt­linien und Prozesse zum Management von Interessenkonflikten, nicht nur in Bezug auf Apollo. Ein spezielles Conflicts Committee überprüft beispielsweise regelmäßig ­bestimmte Transaktionen zwischen Athora und nahestehenden Personen und Unternehmen einschließlich solcher mit Apollo.

Zum zweiten Teil der Frage sei angemerkt, dass wir zu diesem Zwecke Fonds für ­Athora aufgesetzt haben. Diese Fonds sind für alle Athora Gesellschaften zugänglich, sodass wir die relevante Größe für die Investments erreichen können.

Wie viele Apollo-Fonds hat Athora?

Vievers: Apollo unterstützt bei der Umsetzung der SAA. Dabei werden – in einer ­geringen Anzahl – auch Apollo Fonds eingesetzt. Insgesamt konnten die Erträge für die Gesellschaft deutlich gesteigert werden.

Besteht die Gefahr eines Dollar-Bias?

Vievers: Athora hat grundsätzlich keinen ­Risikoappetit für Währungsrisiken. Daher werden diese komplett gehedged.

In welche Alternatives ist Athora investiert?

Vievers: Der Anteil an Real Estate Assets ist für uns von strategischer Bedeutung und entsprechend hoch. Wir haben hier über viele Jahre ein professionelles Management bewiesen und sehr positive Erträge verzeichnet. Private Equity hat für uns genau wie ­Infrastruktur eine eher ­untergeordnete Bedeutung. Private Debt hat aus unserer Sicht ein sehr attraktives Risiko-Rendite-Profil, sodass wir in diese Asset-Klasse ­investieren. Grundsätzlich wollen wir in ­Asset-Klassen investieren, bevor der gesamte Markt diese attraktiv findet – nur so lassen sich die von uns erzielten Renditen realisieren.

Solvency II ist nicht bekannt dafür, ­Alternatives zu honorieren …

Vievers: Das ist korrekt – aber immer ­wieder in der Diskussion. Unser Anteil an alternativen Assets ist – aus anderen Gründen – eher gering.

Die Kosten von Alternatives sind recht hoch.

Vievers: Das kann man pauschal nicht ­sagen. Zudem ist am Ende entscheidend, wie sich die Erträge nach Kosten darstellen. Sofern wir diese und das mit dem Investment verbundene Risiko als attraktiv ein­stufen, investieren wir.

Allgemein besteht auf den Alternatives-Märkten ein großer Nachfrageüberhang.

Vievers: In bestimmten Bereichen ist das ­sicherlich gegeben, da viele diese Asset-Klasse jetzt attraktiv finden.

Für Immobilien gibt es eine „Konzern“-Plattform in Luxemburg. Auch für andere Alternatives?

Vievers: Neben der Immobilien-Plattform gibt es die oben genannten Fonds-­Strukturen, um hierdurch entsprechend gruppenweite Effizienzpotentiale zu heben.

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